Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nach einem Jahr kommt heute der Gesetzentwurf der LINKEN für ein Landesmindestlohngesetz zurück ins Plenum, und zwar leider – ich finde, das muss man an dieser Stelle auch sagen – ohne dass der Landtag die Chance hatte, sein Wissen über Sinn oder Nicht-Sinn eines solchen Gesetzes durch eine Anhörung, wie sie sonst bei jedem Gesetzentwurf üblich ist, zu erweitern. CDU und FDP haben nämlich im Ausschuss mit ihrer Mehrheit verhindert, dass es überhaupt zu einer Anhörung kommt.
Das ist höchst bedauerlich, denn Politik lebt vom Dialog. Es ist ein schlechtes Zeichen, wenn man sich dem verweigert.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)
Sie haben in Gestalt immerhin Ihres parlamentarischen Geschäftsführers, Herrn Bellino, erst vor wenigen Wochen Folgendes erklärt – Herr Bellino, ich darf Sie zitieren –:
Die Volksvertreter sind bei der Erarbeitung von Initiativen, insbesondere Gesetzen, gut beraten, auch die Argumente der Interessenvertreter – der sogenannten Lobbyisten – zu hören.
Herr Bellino, ich stimme diesem Satz ausdrücklich zu. Aber das gilt dann eben nicht nur für Gesetze, die Sie einbringen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))
Politik trifft Entscheidungen durch das Abwägen von Argumenten, jedenfalls machen wir das so. Deshalb sollten wir uns alle miteinander nicht weigern, klüger zu werden, liebe Kolleginnen und Kollegen. Soweit musste das zum Verfahren vorausgeschickt werden.
Nun kurz zum Gesetz selbst. Das Mindestlohngesetz, das die LINKE vorgelegt hat, wäre – das wissen Sie selbst und haben Sie eben noch einmal gesagt – leider nur sehr begrenzt wirksam. Was wir in Deutschland endlich brauchen, ist ein echter, ein allgemeinverbindlicher bundesweiter Mindestlohn.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN sowie der Abg. Nancy Faeser (SPD))
Wir brauchen diesen Mindestlohn, und wir brauchen endlich auch mehr wirksame Kontrollen. Im vergangenen Jahr wurden allein im Bauhaupt- und Baunebengewerbe sage und schreibe 1.690 Ermittlungsverfahren wegen Nichtgewährung des Mindestlohns eingeleitet, wie die Bundesregierung kürzlich auf Anfrage unserer Bundestagsfraktion erklärt hat. Diese Zahl stieg in den letzten Jahren stetig an.
Das belegt das Problem, und es zeigt, wie groß der Handlungsbedarf ist. 1,3 Millionen Menschen sind trotz Erwerbstätigkeit auf das Arbeitslosengeld II angewiesen. Ein Viertel von ihnen arbeiten sogar Vollzeit und brauchen trotzdem diese Aufstockung. Armut trotz Arbeit – und das in einem der reichsten Länder der Welt. Wir finden das beschämend.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))
Wenn gleichzeitig der Niedriglohnsektor in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren so dramatisch angewachsen ist, dass wir in Europa an der unrühmlichen Spitze stehen, dann tut das sein Übriges. Deshalb wollen wir GRÜNE einen generellen Mindestlohn von 8,50 Euro. Wir wollen einen Mindestlohn, der jährlich angepasst wird, und zwar wie in Großbritannien von einer Kommission aus Vertreterinnen und Vertretern der Sozialpartner und der Wissenschaft. Wir haben das auch in unserem hessischen Tariftreue- und Vergabegesetz fixiert.
Nachdem die Bundes-CDU ganz zaghafte Schritte in diese Richtung unternimmt – es darf aber bloß nicht Mindestlohn heißen –, bewegt sich plötzlich in den letzten Wochen auf Geheiß von Philipp Rösler die FDP mit kleinen Trippelschrittchen. Ich bin jetzt schon sehr gespannt, was uns der Herr Rock zum Verhalten der hessischen FDP erzählen wird, ob sie nämlich ihrem Bundesvorsitzenden folgt, der Folgendes dazu gesagt hat: Die Liberalen sollen den Blick auf die Lebenswirklichkeit werfen.
(Zuruf des Abg. Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
So sein Satz zum Mindestlohn. Oder ob sie Herrn Rentsch folgen, von dem ein anderes Zitat zum Mindestlohn überliefert ist, auch das muss ich zitieren. Herr Präsident, ich entschuldige mich vorher.
(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Er hat nämlich gesagt: Der Mindestlohn ist Schwachsinn. – Vielen Dank.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der LINKEN)
Präsident Norbert Kartmann:
Vielen Dank, Herr Klose.