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08.07.2009
Portraitfoto von Jürgen Frömmrich vor grauem Hintergrund.

Jürgen Frömmrich zu Altersteilzeit und zu neuen Arbeitszeitmodellen für den Landesdienst

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es freut einen immer, wenn man hier zum Pult tritt, dass man solche wunderbaren Wünsche auf den Weg bekommt. Aber Spaß beiseite.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Altersteilzeitmodell, das zurzeit existiert, läuft aus. Man muss sagen, leider hat die Landesregierung es versäumt, vor Auslaufen dieses Modells geeignete Regelungen zu finden, wie man dieses Modell weiterführen kann oder wie man flexiblere Arbeitszeitmodelle einführen kann. Diesen Vorwurf muss sich die Landesregierung leider machen lassen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein weiterer Vorwurf muss hier auch gemacht werden, weil in diesem Hause und von diesem Pult aus immer sehr viel über Ehrlichkeit in der Politik gesprochen wird. Bei den Wahlkampfveranstaltungen, gerade bei denen, wo es um die Bildungspolitik, um die Lehrerinnen und Lehrer ging, haben sehr viele Kolleginnen und Kollegen von CDU, FDP und SPD – die stehen dazu – erklärt, dass sie sich dafür einsetzen, dieses Altersteilzeitmodell fortlaufen zu lassen. Da wundert es schon, dass die, die den Lehrerinnen und Lehrern das versprochen haben, jetzt auf einmal wieder krachend umfallen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie das nachlesen wollen, können Sie das tun. Es gibt einen Brief des Landesvorsitzenden der GEW an die verehrte Kultusministerin. Dort wird gesagt:

Sie können sich sicher vorstellen, dass uns die Antwort doch sehr negativ überrascht hat. Sowohl vor als auch nach der Wahl wurde in vielfältiger Form erklärt, dass die FDP an dieser Regelung festhalten werde.

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Frau Kultusministerin, Sie sind schon wieder krachend umgefallen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): „Unser Wort gilt“!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt bei vielen Beschäftigten in der Landesverwaltung das Bedürfnis nach flexiblerem Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand. Es gibt heute ganz andere Lebensentwürfe von vielen Menschen, die ganz unterschiedliche Bedürfnisse haben. Ich finde, diesen unterschiedlichen Bedürfnissen sollte man Rechnung tragen.

Die Arbeitsbelastung – wir haben gerade von den Schulen gesprochen – und die Arbeitsbedingungen werden von vielen Menschen beklagt. Zeichen dafür sind auch die vielen Frühverrentungen. Schauen Sie sich einmal die Antworten auf die Kleinen Anfragen des Kollegen Wagner und des Kollegen Schaus an. Dort werden Sie sehen, dass es einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Anwachsen der Zahl der Menschen, die in Altersteilzeit gehen, und dem Absinken der Zahl der Menschen gibt, die frühverrentet werden. Es gibt einen unmittelbaren Zusammenhang, der diese Landesregierung zum Nachdenken zwingen sollte.

Wenn man sich das genau anschaut, ist die Frage, ob das Instrument der Altersteilzeit, das wir zurzeit haben, das richtige Instrument für die Lösung dieser Probleme ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube nicht, dass es das richtige Modell ist, weil es mittlerweile von vielen Menschen mit unterschiedlichen Lebensentwürfen ganz unterschiedliche Forderungen nach Flexibilisierung der Arbeitszeit gibt, die auch die Altersteilzeit betreffen. Ich zitiere einmal Klaus Brandner, SPD, Mitglied des Deutschen Bundestags und mittlerweile Staatssekretär im zuständigen Ministerium für Arbeit und Sozialordnung. Er sagt:

Unser Leitbild für eine alternsgerechte Arbeitszeit lautet: Arbeit bedeutet Teilhabe. Deshalb kann es nicht darum gehen, dass die Menschen möglichst früh aus dem Arbeitsprozess aussteigen. Stattdessen brauchen wir eine lebendige Arbeitszeitkultur, die eine flexible Reduzierung der Arbeitszeit besonders für Ältere ermöglicht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist genau der richtige Ansatz, passgenau für den Einzelnen Möglichkeiten zu geben, Lebensarbeitszeit zu reduzieren. Ich glaube, dass das Modell, das zurzeit existiert, hierfür nicht das richtige ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn man für richtig hält, was auch Kollege Brandner aus dem Bundestag gesagt hat, muss man verschiedene Fragen stellen. Eine der Fragen habe ich gerade schon gestellt: Ist diese Altersteilzeitregelung die richtige Form? Brauchen wir nicht insgesamt mehr flexible Arbeitszeitmodelle? Brauchen wir nicht einen Wechsel zwischen Voll- und Teilzeitarbeit? Brauchen wir nicht zeitweise oder dauerhafte Stundenreduzierungen? Brauchen wir nicht für manche Menschen Jahresarbeitszeitkonten? Für viele der Älteren ist das heute natürlich keine Antwort auf das Problem der jetzt auslaufenden Altersteilzeitregelung.

Brauchen wir nicht auch die Möglichkeit im öffentlichen Dienst, längere Auszeiten zu nehmen, und zwar nicht nur im Alter, sondern auch für junge Menschen in Erziehungszeiten, sodass sie die Möglichkeit haben, ihre Arbeitszeit anders zu gestalten? Ich glaube, das sind die Antworten, die wir für die Zukunft geben müssen, und nicht starre Modelle wie das Blockmodell, das wir zurzeit haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Norbert Kartmann:

Herr Kollege, die Redezeit ist abgelaufen.

Jürgen Frömmrich:

Ich hätte zu dem Thema noch sehr viel sagen können. Ich habe auch noch ein paar Zettel, die ich vortragen könnte.

Herr Präsident, ich glaube, dass wir im zuständigen Ausschuss noch darüber reden können. Ich glaube, dass man diese Debatte nicht pro oder kontra Altersteilzeitmodelle führen kann. Ich glaube, dass man in dieser Debatte über Flexibilisierung und auf die Bedürfnisse der Einzelnen zugeschnittene Modelle diskutieren muss und dies nicht so verengt tun darf, wie das zurzeit getan wird. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

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