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17.05.2009
Portraitfoto von Jürgen Frömmrich vor grauem Hintergrund.

Jürgen Frömmrich zur Unterstützung eines NPD-Verbots

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Beuth, ich hätte mir schon gewünscht, dass Sie es ein bisschen herunterhängen. Was Sie gerade von sich gegeben haben: „Späher der Freiheit“, das ist Erich-Mielke-Sprech.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Ich finde, wir sollten das in solch einer Debatte herunterhängen. – Bevor ich zu den einzelnen Punkten komme, die hier angesprochen worden sind, lassen Sie mich – –

Präsident Norbert Kartmann:

Herr Kollege Frömmrich, ich darf Sie darauf aufmerksam machen, dass ich der Meinung bin, dass der Vergleich, auch nur ansatzweise, mit diesem Menschen dem Parlamentarismus nicht angepasst ist.

(Sarah Sorge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist eine Wertung der Rede, die Ihnen nicht zusteht! – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Unglaublich! – Weitere lebhafte Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Gegenruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Wir können auch den Ältestenrat anrufen!)

Jürgen Frömmrich:

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich würde Sie doch bitten, sich in einer solchen Debatte zu mäßigen. Ich glaube, das gilt für uns alle.

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Ich habe in keinem Fall – der Kollege Beuth weiß das auch – ihn mit Erich Mielke verglichen, sondern ich habe gesagt, dass diese Wortwahl eine Spreche ist, die Erich Mielke gebraucht hat, und dazu stehe ich auch weiterhin.

(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Lassen Sie mich bitte, bevor wir sozusagen ins Detail gehen, etwas vor der Klammer sagen, und ich glaube, dass das ganz wichtig ist und dass das der Debatte in diesem Hause gut tun würde: Es ist doch keine Frage, dass die NPD eine schreckliche Partei ist. Es ist überhaupt keine Frage, dass diese Partei eine verabscheuenswürdige Ideologie nach außen trägt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Es wäre gut, wenn es diese Partei überhaupt nicht gäbe. Diese Partei ist rechtsextrem, sie ist antisemitisch, sie ist rassistisch, sie in höchstem Maße ausländerfeindlich. Das ist doch etwas, was wir in diesem Hause gemeinsam feststellen können. Hinter dieser Feststellung können wir uns doch gemeinsam vereinigen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Es ist auch selbstverständlich, dass man die Empörung der Menschen verstehen kann, dass eine Partei wie die NPD, die eine solche Ideologie vertritt, auch noch staatlich finanziert wird. Es ist doch verständlich, dass sich Menschen über diese Tatsache empören. Ich sehe das genau so.

Diese Partei muss nach unserer Auffassung mit allen Mitteln auf allen Ebenen bekämpft werden. Daran sollten wir auch alle gemeinsam arbeiten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Frau Kollegin Faeser hat es gerade schon getan: Wenn man sich diese Zitate anschaut, die hier gesammelt worden sind und von Frau Faeser vorgetragen worden sind, dann muss man doch sagen, dass wir diesen geistigen und verbalen Müll, der von diesen Menschen vertreten wird, verabscheuenswürdig finden, dass wir das in aller Form zurückweisen und dass man deswegen eine Partei wie die NPD aufs Schärfste bekämpfen muss.

Die Frage ist nur: Mit welchen Mitteln bekämpfen wir sie aufs Schärfste? Das ist die Frage, auf die ich gleich kommen will.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Frau Faeser hat es gesagt, und ich will es auch zitieren. Vielleicht ist es für den einen oder anderen Kollegen ein Grund, noch einmal nachzudenken. In dem Zitat wird gesagt:

Aber das ist die Bunte Republik Deutschland (BRD): Ein toter Deutsch-Österreicher

– gemeint ist Adolf Hitler –

wird ausgebürgert, während Tag für Tag Hunderte von Negern als Afro-Teutonen eingebürgert werden. Da kann einem schon speiübel werden!

Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei solchen Zitaten kann einem nur speiübel werden. Bei einer solchen Partei kann einem wirklich speiübel werden. – Es ist keine Frage, dass wir das in aller Form zurückweisen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Aber es stellt sich die Frage – deswegen tauche ich jetzt auf einer Seite auf, die sich Herr Beuth natürlich nicht gedacht hat –: Reicht das aus, um vor dem Bundesverfassungsgericht einen Verbotsantrag gegen diese Partei zu stellen?

(Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Es stellt sich auch die Frage: Gewinnt man dieses Verfahren, oder geht die NPD gestärkt oder vermeintlich reingewaschen aus einem solchen Verfahren hervor? Das ist die zentrale Frage, die sich stellt und über die wir uns hier Gedanken machen müssen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin da nicht so optimistisch wie die Kolleginnen und Kollegen, die für den Verbotsantrag geredet haben. Es gibt auch viele andere, die das so sehen. Es ist nicht nur die CDU. Auch bei uns GRÜNEN gibt es Parteitagsbeschlüsse, die diesen Sachverhalt so sehen. Ich will damit deutlich machen, dass es eben nicht so ist, dass man, wenn man gegen einen NPD-Verbotsantrag ist, sozusagen die NPD gut findet.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Die Frage, die sich stellt ist: Sind die Mittel, die ich wähle, die geeigneten, um gegen die NPD vorzugehen? Da sage ich: Ich will sie mit allen politischen Mitteln bekämpfen, und ich glaube nicht, dass ein Verbotsantrag der richtige Weg ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Ich will den Bundesinnenminister zitieren. Der Bundesinnenminister sagt:

Ich halte nichts davon, Verbotsanträge zu betreiben, die auf tönernen Füßen stehen.

Ich will den stern.de zitieren:

Mit aller Macht haben jetzt fünf SPD-Innenminister auf ein erneutes Verbotsverfahren gegen die NPD gedrungen und angeblich stichhaltiges Beweismaterial für eine Verfassungsfeindlichkeit der Rechtsextremen vorgelegt. Nur, dass diese Belege ausreichen, ist höchst zweifelhaft. Es droht eine erneute Niederlage vor dem Bundesverfassungsgericht.

Weiter wird gesagt:

Noch einmal: Einen höchstrichterlichen Freifahrtschein zu ergattern, dazu darf man ihnen keinen Chance geben. Wenn ein erneuter Verbotsantrag kommt, muss er höchstrichterlich funktionieren. Noch eine Niederlage darf auf keinen Fall riskiert werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dass sind doch Aussagen, die man nicht einfach vom Tisch wischen kann.

Ich möchte auch Uwe-Karsten Heye zitieren, den ehemaligen Regierungssprecher der Regierung Schröder/Fischer:

Eine nationale Strategie gegen rechts ist überfällig. Deren materielle Ausstattung wäre besser über eine Stiftung als über die Haushalte von Bund und Ländern zu finanzieren. Sie erfordert mehr intellektuelle Anstrengung als der erneute Ruf nach einem NPD-Verbot.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich finde, wir sollten uns einfach einmal mit diesen Belegen auseinandersetzen und die Frage stellen: Welches Mittel wählen wir zum Kampf gegen die NPD? Ich komme da leider nicht zu dem Schluss, zu dem Frau Faeser gekommen ist. Aber ich respektiere die Haltung, die sie hier vorträgt, weil ich verstehen kann – es gibt auch bei uns in der Partei Menschen, die das genauso sehen –, dass man eine solche Partei wie die NPD mit dieser Ideologie verbieten will, dass man sie weghaben will. Ich glaube aber, dass ein Verbot der verkehrte Weg ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, schauen wir uns die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2003 einmal an. Die Hürde für ein Parteienverbot – Frau Kollegin Faeser, das wissen Sie als Juristin besser als ich – ist sehr hoch.

(Nancy Faeser (SPD): Ja, aber es sind schon Parteien in diesem Land verboten worden!)

Die Väter und Mütter des Grundgesetzes haben diese Hürde aus gutem Grund so hoch gesetzt: als Lehre aus unserer Geschichte. Eine Zweidrittelmehrheit ist im Senat des Bundesverfassungsgerichts notwendig, um ein Parteienverbot durchzubekommen. Frau Kollegin Faeser, das heißt, dass sechs der sieben Richter des Senats für ein Verbot stimmen müssten, wenn man dieses Verbot durchbekommen will.

(Nancy Faeser (SPD): Ich weiß!)

Das letzte Verfahren gegen die NPD ist nicht entschieden worden, sondern dieses Verfahren ist eingestellt worden, weil drei Richter nicht behebbare Verfahrenshindernisse gesehen haben wegen der V-Leute, die darin waren.

(Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD)

Vier andere Richter haben nicht gesagt, sie seien dafür, diese Partei zu verbieten, sondern sie waren dafür, das Verfahren weiter zu betreiben und erst am Ende zu entscheiden, ob Verfahrenshindernisse vorgelegen haben.

Es ist also auch juristisch eine schwierige Debatte, die wir hier führen. Mit dem, was ich hier angeführt habe, was ich gelesen habe, mit den Informationen, die mir zur Verfügung stehen, glaube ich nicht, dass wir gewinnen würden, wenn dieser NPD-Verbotsantrag vor dem Bundesverfassungsgericht eingereicht würde. Ich bin auf keinen Fall dafür, dass wir der NPD noch einmal ermöglichen, dass sie aus einem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht herausgeht und sagt: Wir sind reingewaschen, wir sind eine demokratische Partei, das ist vom Bundesverfassungsgericht so festgestellt worden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU und der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, von daher komme ich leider zu einer anderen Überzeugung. Ich habe Respekt vor Ihrer Position. Ich glaube auch, was die fünf Innenminister der Länder zusammengetragen haben, ist mit Sicherheit eine Fleißarbeit. Hier gibt es sehr viele Zitate und Belege. Leider sind diese Belege zum Teil sehr alt. Leider sind sie zum Teil genau aus dem Grund nicht vortragbar, weil sie unter Umständen unter Mitwirkung von Mitgliedern des Verfassungsschutzes zustande gekommen sind.

(Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Frau Kollegin Faeser, in dieser 92-seitigen Broschüre steht kein einziges Wort der Innenminister der SPD darüber, ob sie bereit sind, ihre eigenen V-Leute aus diesen Organisationen zurückzuziehen.

(Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Präsident Norbert Kartmann:

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Jürgen Frömmrich:

Vielen Dank, Herr Präsident. – Das steht mit keinem Wort in dieser Broschüre. Von daher sage ich Ihnen, Frau Kollegin: Ich habe Respekt vor Ihrer Auffassung. Ich glaube auch, dass die Menschen, die diese Meinung vertreten, Gründe dafür haben. Nach allem, was mir vorliegt, komme ich zu einer anderen Auffassung. Ich glaube, dass es der falsche Weg ist. Wir sollten alle gemeinsam gegen die NPD arbeiten, auf allen politischen Ebenen. Wir sollten die Jugend stark machen gegen rechtsextremistische Ideologien. Ich glaube, dass der Verbotsantrag ein falscher Weg wäre.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU und der FDP)

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