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05.02.2014
Portraitfoto von Jürgen Frömmrich vor grauem Hintergrund.

Jürgen Frömmrich: Schutz der Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger bei Speicherung und Verwertung von Kommunikationsdaten ist unverzichtbar

Verehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin der FDP-Fraktion sehr dankbar dafür, dass sie dieses Thema in der heutigen Plenarsitzung zum Setzpunkt gemacht hat, gibt uns das doch die Möglichkeit, die Position von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Vorratsdatenspeicherung, aber auch die Haltung der Regierungskoalition in dieser Frage noch einmal zu verdeutlichen.

Herr Kollege Greilich, ich sage Ihnen mit Sicherheit nichts Neues: Wir GRÜNE lehnen die anlasslose Vorratsdatenspeicherung ab. Sie birgt das Risiko des Datenmissbrauchs und stellt nach unserer Auffassung einen tiefen Eingriff in die Privatsphäre jedes Einzelnen dar.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Massenhaft Kommunikationsdaten zu speichern und damit alle unbescholtenen Bürger unter Generalverdacht zu stellen, kann von uns nicht akzeptiert, geschweige denn gutgeheißen werden. Wir sehen uns da im Übrigen in guter Gesellschaft mit dem Bundesverfassungsgericht und zuletzt auch mit dem EU-Generalanwalt, der diese ablehnende Haltung vor Kurzem vor dem Europäischen Gerichtshof klargestellt hat. – So viel zur Klarheit der Position der GRÜNEN in dieser Frage.

Herr Kollege Greilich, ich weiß natürlich auch, dass der eigentliche Zweck der heutigen Debatte der Versuch ist, einen Keil zwischen die Mitglieder der neuen schwarz-grünen Regierung zu treiben. Aber seien Sie sich gewiss, es wird Ihnen nicht gelingen. Wir sind in dieser Frage sehr klar. Das braucht man eigentlich nicht zu betonen, aber ich sage es noch einmal für Sie – vielleicht ist das Ihnen persönlich noch nicht richtig klar –: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die CDU sind zwei unterschiedliche Parteien

(Zuruf von der SPD)

mit zwei unterschiedlichen Grundhaltungen in dieser Frage. Im Übrigen waren wir im Gegensatz zu Ihnen so mutig, das auch in die Koalitionsvereinbarung zu schreiben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Meine Damen und Herren, wir haben im Koalitionsvertrag sehr deutlich vereinbart, dass wir uns im Bundesrat bei der Abstimmung über ein zustimmungspflichtiges Gesetz der Stimme enthalten. Das können Sie nachlesen – ich zitiere –:

Bezüglich der Umsetzung der Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung auf Bundesebene stimmen CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht überein.

Das bedeutet im Bundesrat eine Enthaltung. Ich frage aber in Richtung FDP: Herr Kollege Greilich, wenn Ihnen das Thema so wichtig war, wo war eigentlich die entsprechende Formulierung im Koalitionsvertrag zwischen der CDU und der FDP für die Wahlperiode 2009 bis 2014?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben es noch nicht einmal geschafft, in den Koalitionsvertrag zu schreiben, dass es dort einen deutlichen Dissens zwischen den Parteien gibt. Im Gegensatz zu Ihnen haben wir das sehr wohl getan. Herr Kollege Greilich, wenn man versuchen will, andere vorzuführen, sollte man wenigstens schauen, ob man in der Vergangenheit seine Hausaufgaben gemacht hat und ob man selbst in einer besonders wichtigen Frage eine klare Haltung an den Tag gelegt hat. Das war bei Ihnen, wie ich meine, leider nicht der Fall.

Die erste Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht wurde bekanntlich bereits im Dezember 2007 eingereicht. Man hätte daher 2009 durchaus schon entsprechende Vereinbarungen in den Koalitionsvertrag zwischen CDU und FDP schreiben können.

Das Bundesverfassungsgericht erklärt die deutschen Vorschriften zur Vorratsdatenspeicherung mit Urteil vom 2. März 2010 für verfassungswidrig und für nichtig. Das Urteil verpflichtet die deutschen Telekommunikationsanbieter zur sofortigen Löschung der bis dahin gesammelten Daten. Zur Begründung gab das Gericht an, dass das Gesetz keine konkreten Maßnahmen zur Datensicherheit vorsehe und zudem die Hürden für staatliche Zugriffe auf die Daten zu niedrig seien. Diese Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung verstoßen nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts gegen Art. 10 des Grundgesetzes.

Meine Damen und Herren, diese Haltung haben wir als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Januar 2011 deutlich gemacht und einen Antrag mit der Drucks. 18/3600 in den Hessischen Landtag eingebracht. Ich zitiere aus dem Antrag:

Der Landtag fordert die Landesregierung auf, sich mit dem Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes für die vollständige Aufhebung der Richtlinie 2006/24/EG … einzusetzen.

Die Beschlussempfehlung, Drucks. 18/3744, verzeichnet eine ablehnende Haltung des Antrags im Hause mit den Stimmen von der CDU, der SPD und – Achtung – der FDP-Fraktion. Ich frage mich, warum Sie nach unserer Haltung fragen. Vielleicht sollten Sie sich über Ihre Haltung erst einmal im Klaren werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU und der LINKEN)

Jetzt legen Sie einen Antrag vor. Ich habe gerade den unsrigen zitiert, der in Nr. 4 sagt:

Der Landtag fordert die Landesregierung deshalb auf, sich im Bundesrat klar gegen eine Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG und damit gegen die anlasslose Vorratsdatenspeicherung auszusprechen.

Ich frage mich: Was ist zwischen Januar 2011 und Januar 2014 passiert, zwischen der Drucks. 18/3600 und der Drucks. 19/30? – Ich kann es Ihnen sagen: Die FDP ist nicht mehr in der Regierung. Es ist aber aus meiner Sicht keine besonders konsequente Haltung, und es zeigt keinen besonderen Mut in dieser Frage, wie ich feststellen darf. In der Regierungsverantwortung scheut man die Auseinandersetzung, in der Opposition versucht man andere in dieser Frage vorzuführen. Das ist nicht besonders glaubwürdig und nicht besonders konsequent, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

In der damaligen Debatte haben Sie unsere Initiative noch als – ich zitiere – „Schaufensterantrag“ abqualifiziert. Es ist aus meiner Sicht legitim, und das geht uns allen so, dass man Positionen neu überdenkt, dass man auch Fragen neu diskutiert, aber man sollte doch im Hinterkopf haben, wie man sich vor kurzem noch selbst verhalten hat, und dann sollte man hier nicht so auftreten, als habe man die Weisheit mit Löffeln gefressen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Das sage ich auch ausdrücklich in Richtung des Kollegen Hahn. Ich weiß, dass er eine Besuchergruppe hat, aber ich sage es trotzdem. Er kann es ja vielleicht im Protokoll nachlesen. Er hat im Dezember 2011 noch angekündigt – Zitat, „Spiegel online“, 25.12.2011 –:

… mit einem Kompromissvorschlag Bewegung in die festgefahrene Debatte [zu] bringen.

Und er hat angekündigt, er werde sich dafür einsetzen, dass es auch eine Datenspeicherung ohne Anlass gebe, die aber bei der zeitlichen Begrenzung und den betroffenen Straftaten so eng wie möglich zu fassen sei.

Herr Kollege, jetzt heißt es in der Begründung Ihres Antrags, Zitat:

Eine staatlich verordnete Massenspeicherung von sensiblen persönlichen Daten durch Telekommunikationsdienstleister unter dem Deckmantel der Strafverfolgung – oder gar der vermeintlichen Verbrechensprävention – höhlt das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung vollends aus und stellt alle Bürgerinnen und Bürger unter Generalverdacht.

Diese Feststellung ist aus meiner Sicht richtig. Die CDU hat aber in diesem Punkt eine andere Position. Aber, meine Damen und Herren, diese Position war auch schon im Januar 2011 richtig. Wo war da seinerzeit der Mut, sich in dieser Frage klar und deutlich im Plenum zu äußern? – „Schaufensterantrag“ haben Sie seinerzeit zu dieser wichtigen Frage gesagt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU und des Abg. Torsten Warnecke (SPD))

Wir legen Ihnen – der Kollege Bauer hat es dankenswerterweise schon getan – einen Antrag vor, der, wie ich meine, abgewogen und zielführend ist. Er sagt, dass wir die Polizei natürlich mit modernen Ermittlungs- und Fahndungsmethoden ausstatten wollen. Das ist, glaube ich, eine Selbstverständlichkeit. Eine moderne Polizei muss über moderne Kommunikationsmittel verfügen. Man kann nicht zulassen, dass Straftäter mit Handy und Internet ausgestattet sind, und die Polizei mit Pickelhaube und Münzfernsprechern arbeiten lassen. Das geht natürlich nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU und des Abg. Torsten Warnecke (SPD))

Wir sagen in dem Antrag auch, dass es in der EU ein verbindliches Gemeinschaftsrecht geben muss. Es muss auch der europäischen und deutschen Rechtsprechung entsprechen.

Meine Damen und Herren, in Nr. 3 sagen wir: Der Schutz der Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger hat für uns einen hohen Stellenwert. Ein Grundrechtseingriff darf nur – und ich betone: nur – zum Schutz hochrangiger Rechtsgüter erfolgen und muss verhältnismäßig sein. Das ist, glaube ich, auch ein Grundsatz, dem wir alle zustimmen können. Ein Missbrauch von Daten muss unserer Auffassung nach verhindert werden.

Wir stellen auch fest – und das ist nun einmal in Koalitionsregierungen so, wenn zwei unterschiedliche Parteien eine Regierung bilden –, dass wir in der Grundfrage der Vorratsdatenspeicherung als CDU und als GRÜNE unterschiedlicher Auffassung sind; und das respektieren wir auch, dass es diese unterschiedlichen Auffassungen gibt. Das führt aber für uns dazu, dass wir uns bei einem zustimmungspflichtigen Gesetz im Bundesrat enthalten werden, und dazu sage ich:

Vizepräsidentin Ursula Hammann:

Kommen Sie bitte zum Ende.

Jürgen Frömmrich:

Ich komme zum Ende. – Das ist eine klare Grundhaltung. Das ist eine Haltung und nicht die Haltung à la FDP: Wenn ich in der Regierung bin, dann nicke ich ab; und wenn ich in der Opposition bin, dann stelle ich progressive Anträge. Das ist nicht besonders fortschrittlich, Herr Kollege Greilich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vizepräsidentin Ursula Hammann:

Vielen Dank, Herr Kollege Frömmrich.

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