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26.03.2015
Portraitfoto von Jürgen Frömmrich vor grauem Hintergrund.

Jürgen Frömmrich: Proteste anlässlich der EZB-Eröffnung

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege van Ooyen, Sie haben heute eine Chance vertan, sich von diesem Pult aus für das zu entschuldigen, was wir am letzten Mittwoch in Frankfurt erleben mussten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Dass Sie dann einen Besinnungsaufsatz vorlesen, Herr Kollege van Ooyen, und nicht auf das eingehen, was Sie gegenüber Pressevertretern gesagt haben, dass Sie sich hier auch noch als Pazifist hinstellen wollen, das ist wirklich unerträglich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf des Abg. Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE))

Ich will Ihnen mal den Satz vorlesen, der in der „Frankfurter Allgemeinen“ über Sie zitiert wird, und zwar nachdem in Frankfurt Barrikaden und Autos gebrannt haben:

Viele schütteln den Kopf über Willi van Ooyen, das alte Schlachtross der LINKEN im Hessischen Landtag, der noch zwölf Stunden später das Anzünden von Autos zwar kontraproduktiv nennt,

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

aber anfügt, dass Sturm ernte, wer Wind säe.

Das ist nicht Pazifismus, wie wir ihn verstehen, Herr Kollege van Ooyen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU und Abgeordneten der SPD)

Sie hätten gut daran getan, sich dafür vom Pult des Hessischen Landtags aus zu entschuldigen. Das ist nämlich Relativierung erster Güte.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU und Abgeordneten der SPD)

Nachdem wir am Dienstag die Regierungserklärung des Innenministers über Gewaltexzesse in Frankfurt im Zusammenhang mit Blockupy-Protesten gehört haben, ist es schon erstaunlich, dass die LINKE hier einen Antrag vorlegt, in dem in keiner Weise auf die Mitverantwortung eingegangen wird, die die LINKEN als Mitveranstalter und Teil des Bündnisses tragen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren von den LINKEN, Sie tragen auch für den Vormittag Verantwortung. Sie sind Teil des Bündnisses. Sie haben die Geister gerufen.

(Zurufe der Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU), Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE) und Michael Boddenberg (CDU))

Ich zitiere aus dem Blockupy-Twitter, in dessen Bündnis Sie sind: „Danke an alle für den großartigen Vormittag.“ Dazu hätten Sie hier etwas sagen können, Herr Kollege van Ooyen. – Danke für den Vormittag.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Es ist schon einigermaßen bezeichnend, dass Sie hier den Versuch unternehmen, über einen Besinnungsaufsatz und über einen Antrag ganz schnell zur Tagesordnung überzugehen. Es hat eine Woche gedauert, bis Sie Ihren alten Antrag zu dem Tagesordnungspunkt zurückgenommen und es geschafft haben,

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

überhaupt zu den Gewaltexzessen in Frankfurt Stellung zu nehmen.

(Zuruf des Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Dann fügen Sie dort einen Absatz ein und sagen im nächsten Halbsatz: Wir sagen aber auch. – Das ist auch wieder Relativierung. Wenn Sie sich so zu Gewaltexzessen äußern, dann relativieren Sie das, was Sie vorher gesagt haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Es ist schon unterirdisch, wie Sie versuchen, brennende Autos und Barrikaden, angegriffene Polizeistationen, zertrümmerte Scheiben, Angriffe auf Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste zur Seite zu wischen und zur antikapitalistischen Tagesordnung überzugehen. Das ist schon sehr erstaunlich, meine Damen und Herren. Ich kann da nur den Kopf schütteln.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ja, es ist richtig: Auf dem Römerberg haben am Mittwoch viele Tausend Menschen friedlich demonstriert. Sie haben ihr Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit wahrgenommen. Dieses Grundrecht wurde von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten geschützt, und es wurde von denen, die Randale gemacht haben, mit Füßen getreten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf des Abg. Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE))

Mehrere Tausend Gewalttäter – nicht einige Hundert, wie Sie immer schreiben – haben auf Einladung Ihrer Partei am Vormittag Frankfurt zerlegt, Angst und Schrecken verbreitet und massive Gewalttaten begangen. Das versuchen Sie mit der Rede, die Sie gerade gehalten haben, unter den Teppich zu kehren. Das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Kein Wort zu Ihrer Mitverantwortung. Sie haben auf die pazifistische Tradition hingewiesen. Wie passt denn zum Pazifismus, dass man die Leute einlädt, ans „Herz der Bestie“ zu kommen? Wie passt denn zum Pazifismus, dass man sagt: „Das Neue muss auf den Trümmern des Alten aufgebaut werden; wir fangen mit dem Abriss an“?

(Zuruf des Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Das ist doch keine Einladung zu Kaffee und Kuchen, sondern das ist eine Einladung zur Randale. Das haben wir am Mittwoch erlebt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf des Abg. Manfred Pentz (CDU))

Aber auch das, was Sie inhaltlich vortragen, bringt einen zum Schütteln. Was für ein Bild malen Sie von der Europäischen Zentralbank? Das „Hassobjekt“, die „Bestie“ wird hier in den Raum gestellt. Nachher wundern Sie sich, dass Leute diese Worte ernst nehmen und sich so verhalten wie am Mittwochmorgen in Frankfurt. Warum denn eigentlich die EZB, ausgerechnet die Institution,

(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

die in den vergangenen Monaten die Liquidität Griechenlands sichergestellt hat? Verstehen muss man das nicht, Herr Kollege Schaus.

(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Natürlich kann man Kritik an der Europäischen Zentralbank üben, aber das Bild, das Sie hier malen, ist absolut verzerrt und wird der Realität nicht gerecht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ich will es für unsere Fraktion – und, so glaube ich, auch für die Mehrheit in diesem Hause – noch einmal betonen: Wir sind froh, dass diese wichtige europäische Institution ihren Sitz in Frankfurt genommen hat. Darüber sind wir froh, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU, bei Abgeordneten der FDP sowie der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Das stärkt den Finanzplatz Frankfurt, das schafft Arbeitsplätze und ist gut für die Metropolregion – und das betonen wir hier zumindest in der Mehrheit, Ihren Besinnungsaufsatz mal beiseitegelassen.

Sie liegen noch immer in Ihrem Schützengraben. Herr Tsipras ist schon lange weg von dort, wo Sie noch liegen. Tsipras sagte bei seinem Besuch in Berlin, dass die Deutschen nicht schuld an den Übeln und Missständen in Griechenland seien. DIE LINKE aber sitzt noch immer im Schützengraben und zeigt mit dem Finger auf die Deutschen und die Euro-Gruppe. Das ist vollkommen daneben, da ist Herr Tsipras schon wesentlich weiter, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU sowie des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Tsipras räumt inzwischen selbst ein, dass viele Fehler hausgemacht sind. Er stellt ein Versagen griechischer Eliten fest. Reformen wurden nicht angepackt, auch mit Rücksicht auf diese Eliten. Für die Misere in Griechenland sind nicht die EZB und die Troika verantwortlich, auch nicht dafür, welche Reformen zuerst und wie angepackt werden.

(Zuruf des Abg. Manfred Pentz (CDU))

Das haben seinerzeit Regierungen in Griechenland entschieden, die auch gewählt wurden. Das muss man doch einfach einmal zur Kenntnis nehmen, Herr van Ooyen. Das waren griechische Regierungen, gewählt von griechischen Bürgerinnen und Bürgern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Im Übrigen muss man ja auch einmal sagen, dass auch die anderen Regierungen der Euro-Gruppe gewählt sind. Es ist ja nicht nur so, dass eine griechische neue Regierung gewählt worden ist – auch andere Regierungen sind gewählt, auch diese müssen sich gegenüber dem Bürger verantworten, auch diese werden gefragt: Was macht ihr da eigentlich in Europa? – Man kann die Entscheidungen der Euro-Gruppe unterschiedlich bewerten. Man kann sie kritisieren. Aber man muss auch einmal feststellen: Auch da handelt es sich um gewählte Regierungen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Europa ist natürlich solidarisch. Herr van Ooyen, was Sie hier erzählt haben, entspricht in keiner Weise den Realitäten. Es wurden enorme Bürgschaften übernommen, in Größenordnungen, die wir uns gar nicht vorstellen können – über 300 Milliarden € wurden abgesichert. Solidarität kam von Ländern, denen es nicht so gut geht. Es sind ja nicht alle auf der Sonnenseite Europas, es haben auch Regierungen und Länder gebürgt, die einen niedrigeren Lebensstandard und geringere Einkommen als die Griechen haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Sie aber stellen sich hierhin und beschimpfen diese Regierungen, dass sie von dem Wenigen, das sie haben, auch noch etwas abgeben. Das ist absurd, Herr Kollege. Das ist sehr absurd.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Auch das Bild, das Sie von Europa malen, kann doch nicht die Realität sein. Wir leben in einer langen Phase des Friedens in diesem Europa. Ehemalige Erzfeinde sind heute Freunde. Es werden gemeinsam Tote beklagt, wie es auch gestern im Zusammenhang mit dem Flugzeugabsturz der Fall war. Da werden untereinander Hände von früheren Erzfeinden gereicht, und Sie malen hier ein Bild von Europa, das nicht dem entspricht, was wir Europa nennen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsidentin Heike Habermann:

Kollege Frömmrich, Sie müssen bitte zum Schluss kommen.

Jürgen Frömmrich:

Ich komme zum Schluss. – Ich würde gerne noch etwas zu dem sagen, was gestern im Frankfurter Stadtparlament auch wieder seitens Ihrer Partei relativiert worden ist.

Vizepräsidentin Heike Habermann:

Herr Kollege Frömmrich, ich denke, dafür ist keine Zeit mehr.

(Zurufe von der CDU)

Jürgen Frömmrich:

Ich komme gleich zum Ende. – Es wurden auch wieder Dinge gesagt, die das relativieren. Ich hätte gerne noch etwas dazu gesagt, dass Sie beklagen, wir müssten Angst haben – das teile ich im Übrigen –, dass Europa nach rechts abrutscht. Aber ich hätte mir in Ihrem Antrag auch ein Wort dazu gewünscht, mit wem Herr Tsipras eigentlich in Griechenland regiert. Mit welchen Rechtsauslegern regiert er denn dort?

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Ich komme zum Schluss. Es ist hier schon erlaubt, Kritik zu üben. Aber so einfach, wie es sich die Linkspartei macht, so einfach wie Sie es darzustellen versuchen, funktioniert die Welt leider nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU sowie der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Vizepräsidentin Heike Habermann:

Vielen Dank.

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