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13.03.2014
Portraitfoto von Jürgen Frömmrich vor grauem Hintergrund.

Jürgen Frömmrich: Erhalt deutscher Staatsangehörigkeit unterstützen – Bildung ist der beste Schlüssel für eine erfolgreiche Integration – Optionspflicht im Staatsangehörigkeitsrecht

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich schon ein bisschen gewundert, als ich der Rede der Kollegin Gnadl gelauscht habe. Liebe Lisa Gnadl, ich fand es putzig, um es eingangs zu sagen, dass man von der hessischen Landesregierung verlangt, etwas zu tun und zügig zu handeln, es aber selbst in der eigenen Koalition in Berlin nicht hinbekommt, schnell einen Gesetzentwurf vorzulegen. Das finde ich in der Tat etwas putzig, Frau Kollegin Gnadl, und da kann man Sie nicht aus der Verantwortung entlassen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Ich bin sofort bei Ihnen, wenn ich sage: Wir brauchen in dieser Angelegenheit eine schnelle Lösung. – Sie haben im Bund gemeinsam mit der CDU und der CSU eine Vereinbarung getroffen. Es ist bei Koalitionen so, dass man nicht 100 % der eigenen Programmatik durchsetzt. Dafür habe ich sehr viel Verständnis. Wir haben in der Frage der Optionspflicht – Herr Kollege van Ooyen hat es gerade gesagt – auch eine andere Auffassung,

(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

aber wir haben uns genau wie Sie mit der CDU auf eine Formulierung geeinigt. Ich finde, es kann nicht sein, dass Sie in Berlin in dieser Frage nicht zu Potte kommen, sich aber im Landtag hinstellen und von uns fordern, dass wir Ihre Probleme in Berlin lösen. Das geht so nicht, Frau Kollegin Gnadl.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf von der SPD))

Meine sehr verehrten Damen und Herren, natürlich begrüßen wir, dass sich die Große Koalition im Bund darauf geeinigt hat, die Optionspflicht für hier geborene und aufgewachsene Kinder abzuschaffen. Das ist ein gutes Zeichen. Nur sollte dort jetzt auch schnell gehandelt werden. Wir können die zuständigen Bundestagsfraktionen nur auffordern in der Großen Koalition rasch und zügig zu handeln, damit wir eine gesetzliche Regelung haben, die dann auch den Betroffenen weiterhilft.

Die derzeitige Regelung setzt meines Erachtens junge Menschen unnötig unter Druck, sich zwischen dem Herkunftsland der Eltern und dem Land, in dem sie geboren und aufgewachsen sind, zu entscheiden. Das politische Ziel der Regierungskoalition in Hessen ist, dass sich weiterhin viele Menschen für unseren Staat, für die deutsche Staatsbürgerschaft mit allen Rechten und Pflichten entscheiden. Der Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft ist für uns Teil eines erfolgreichen Integrationsprozesses, mit dem im Übrigen auch die Übernahme von Pflichten verbunden ist.

Herr van Ooyen hat gerade auch über Integration geredet. Ich finde, man sollte einmal die Tatsachen zur Kenntnis nehmen; und das muss man einmal betonen. Gelungene Integration ist bei uns der Normalfall. Integrationsprobleme sind die Ausnahme. Wenn Sie den Bericht der Enquetekommission Migration und Integration nachlesen, dann werden Sie das auch so sehen. Das soll nicht bedeuten, dass wir vor den Problemen die Augen verschließen, sondern man muss einfach Realitäten und Fakten zur Kenntnis nehmen.

Fakt ist in Hessen und in ganz Deutschland – ich will aber auf Hessen eingehen –: Von 6 Millionen Hessinnen und Hessen haben fast 1,5 Millionen Menschen einen Migrationshintergrund. Das ist ein Viertel unserer Bevölkerung. Die Mehrheit der Hessinnen und Hessen mit Migrationshintergrund, nämlich 775.000 Menschen, besitzen die deutsche Staatsangehörigkeit. Ich finde, das ist auch gut so, denn die deutsche Staatsangehörigkeit beinhaltet auch die volle politische Teilhabe an politischen Prozessen, und das ist, finde ich, auch gut so.

Aber weder endet mit der Annahme der deutschen Staatsangehörigkeit der Integrationsprozess noch hängt von ihm allein der Erfolg der Integration ab. Viele ausgezeichnete und gut integrierte Menschen in Deutschland leben hier ohne deutsche Staatsbürgerschaft. Die haben gar kein Interesse, die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen, aus welchen Gründen auch immer. Ich erinnere an die vielen EU-Ausländer, an die Menschen, die bei internationalen Konzernen arbeiten und seit vielen Jahren bei uns leben; die haben kein Interesse an der deutschen Staatsangehörigkeit. Aber denen, die das Interesse haben und in diesem Zwang sind, sich zwischen den Herkunftsländern ihrer Eltern und dem Land zu entscheiden, in dem sie geboren sind, wollen wir helfen. Deswegen haben wir in der Koalition auch vereinbart, dass wir die Regelungen, die in Berlin gefasst werden, unterstützen und umsetzen wollen.

Nach derzeitiger Rechtslage ist es grundsätzlich nicht zulässig, neben der deutschen Staatsangehörigkeit weitere Staatsangehörigkeiten zu haben. Allerdings muss man auch feststellen, das ist die Realität, im Jahr 2009 durften mehr als die Hälfte der Hessen, die eingebürgert wurden, aus unterschiedlichen Gründen ihre ursprüngliche Staatsangehörigkeit behalten und sind jetzt Doppelstaatsangehörige. Wir finden es völlig absurd, dass hier geborene und aufgewachsene Kinder, insbesondere von türkischen Eltern, keinen Doppelpass haben dürfen. Kindern aus Spanien, Italien oder Griechenland, also EU-Kinder, oder Kindern von Eltern aus dem Iran, weil der Iran seine Staatsbürger nicht aus der Staatsbürgerschaft entlässt, gestattet man aber beispielsweise die doppelte Staatsbürgerschaft. Diese Praxis kann ich nicht nachvollziehen, und das können gerade die betroffenen Menschen nicht nachvollziehen. Deswegen brauchen wir in diesem Punkt, glaube ich, dringend eine Regelung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken:

Herr Frömmrich, Sie kommen bitte zum Schluss.

Jürgen Frömmrich:

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe es eingangs schon gesagt, Sie wissen, dass wir durchaus andere, weitergehende Vorstellungen haben als wir jetzt in der Koalition vereinbart haben. Wir haben uns darauf verständigt:

Auf bundespolitischer Ebene werden wir die Aufhebung der Optionspflicht und die Akzeptanz von Mehrstaatigkeit im Staatsbürgerschaftsrecht für in Deutschland geborene und aufgewachsene Kinder ausländischer Eltern unterstützen.

Das ist ein Kompromiss, das wissen wir alle. Dieser Kompromiss ist ein Schritt, aber ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Deswegen werbe ich dafür, dass Sie unseren Antrag von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN unterstützen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken:

Danke schön, Herr Frömmrich.

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