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05.10.2011
Portraitfoto von Jürgen Frömmrich vor grauem Hintergrund.

Jürgen Frömmrich: Bundeswehr

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege van Ooyen, auch Kollege Schork, es hätte der Debatte vielleicht ganz gut getan, wenn man hier etwas verbal abgerüstet hätte. Dann wären wir einen Schritt weitergekommen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und dem Abg. Eugen Roth (SPD))

Als ich gestern ihre Anträge gelesen habe, habe ich mich gefragt: Warum diskutieren wir das? Was machen wir da eigentlich? Wie geht das aus?

Jetzt fühle ich mich bestätigt: Hier ist genau das passiert, was hier immer passiert. Gestern hat der Kollege Blechschmidt von Ritualen gesprochen. Eines dieser Rituale haben wir hier gerade erlebt. Bildlich gesprochen hat hier Stahlhelm Friedenstaube getroffen.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Man weiß nicht, wer aus dieser Debatte mit welchem Kollateralschaden herauskommen wird.

(Zuruf des Abg. Günter Schork (CDU))

In der Tat sollte man in dieser Debatte etwas verbal abrüsten. Vielleicht sollte man auf der einen Seite nicht so sehr glorifizieren.

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Auf der anderen Seite sollte man vielleicht seine extrem pazifistischen Träumereien etwas überdenken,

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

um vielleicht Lösungsvorschläge für die Probleme, die wir haben, vorzutragen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

An einem kleinen Beispiel will ich deutlich machen, wie wenig Sie sich gegenseitig überhaupt verstehen, und wie wenig Sie eigentlich miteinander zu tun haben. Das ist ja der verbale Kalte Krieg, den wir hier untereinander haben. Sie brauchen sich doch gegenseitig, um jedes Mal wieder Ihr Feindbild bestätigt zu bekommen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

– Herr Dr. Wagner, vielleicht sollten Sie die bürgerlichen Tugenden entdecken und zuhören, bevor Sie dazwischenrufen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Ich will es an dem kleinen Beispiel Hessentag deutlich machen; in Ihrem jeweiligen Punkt fünf gehen Sie auf den Hessentag ein. Die einen sagen, die Bundeswehr darf auf keinen Fall dort sein, das sei eine Verherrlichung des Militärs und sonst etwas. Die anderen sagen, man müsse verurteilen, dass dort jemand gegen die Bundeswehr demonstriert.

(Zurufe von der FDP)

Das macht doch ganz deutlich, dass Sie sich vielleicht einmal überlegen sollten, dass sich die Bundeswehr – das ist für uns selbstverständlich, weil sie Bestandteil des Landes Hessens ist – beim Hessentag darstellen kann. Dagegen ist aus meiner Sicht überhaupt nichts einzuwenden.

(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Aber meine sehr verehrten Damen und Herren, lieber Kollege von der CDU und FDP, genau so richtig ist es, dass es ein grundgesetzlich garantiertes Recht auf Meinungsfreiheit gibt. Auch das Recht, dagegen zu demonstrieren, dass die Bundeswehr dort ist, ist legitim.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU und der FDP – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Meine sehr verehrten Damen und Herren, vielleicht appelliere ich nochmals an die Abrüstung: Man merkt, wie auf beiden Seiten die Emotionen hoch gehen. Bei dieser Frage sollten Sie in der Tat abrüsten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, für meine Fraktion sage ich ganz deutlich, dass wir Dank und Anerkennung denen aussprechen, die unser Land in schwierigen Lagen im Ausland vertreten und bei schwierigen Friedensmissionen in Krisenregionen ihren Dienst tun und unter Umständen dafür Leib und Leben aufs Spiel setzten. Dafür sind unser Dank und unsere Anerkennung natürlich und selbstverständlich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir diskutieren doch heute über die Bundeswehr und die Einordnung der Bundeswehr und des Militärs unter ganz anderen Voraussetzungen. Der Kalte Krieg ist beendet, es gibt ein Ende der Blockkonfrontation. Wir haben es jetzt mit aufflammenden Kriegs- und Bürgerkriegsregionen zu tun. Wir haben mit Regionen zu tun, in denen ethnische Säuberungen und Massaker gegen die Zivilbevölkerung stattfinden.

Wir als GRÜNE haben gesagt: Unter bestimmten Rahmenbedingungen kann das Militär einen notwendigen Beitrag zur Gewalteindämmung und Gewaltverhütung leisten. Die schlimmen Bilder von Srebrenica, die wir alle noch in Erinnerung haben, Massenmord, Massenerschießungen, davor konnte doch keiner mehr die Augen verschließen. Da passieren Massaker in der Mitte Europas, da muss man doch darüber nachdenken, wie die Staatengemeinschaft handeln kann. Das haben wir getan. Deswegen sind Friedensmissionen, Missionen in solchen Kriegsregionen ein wichtiger Beitrag, den wir als Deutsche in der Staatengemeinschaft leisten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und bei Abgeordneten der CDU)

Diese Neubewertungen haben an vielen Punkten stattgefunden, spätestens aber nach den Massakern im ehemaligen Jugoslawien. Unser ehemaliger verteidigungspolitischer Sprecher im Bundestag, Winfried Nachtwei, der aus den Reihen derer kam, die vorher das Militär und die Bundeswehr anders bewertet haben, die pazifistische Einstellungen haben, hat nach diesen extremen Bildern seine Meinung überdacht und sich dieser Herausforderung gestellt. Ich zitiere ihn, er sagt:

Die neue Erkenntnis war jedoch für mich, dass sich Pazifismus und Gewaltfreiheit dem Problem stellen mussten, was zu tun ist gegen extreme illegale Gewalt. Es gibt eine Schutzverantwortung. Diese Schutzverantwortung hat nur sehr begrenzt ein Individuum oder eine Gruppe. Aber in staatlicher Mitverantwortung kommt man um diese Frage nicht herum. Insofern mussten wir Gewaltfreiheit anders buchstabieren. … Friedenssicherung und Rechtsdurchsetzung können im Extremfall auch den Einsatz des Militärs notwendig machen, im Rahmen der UN-Charta.

Meine Damen und Herren, Winfried Nachtwei hat in dieser Frage vollkommen recht gehabt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie sollten die Auslandseinsätze und die friedenssichernden Maßnahmen, an denen die Bundeswehr beteiligt ist, aus meiner Sicht anders beurteilen. Sie fußen auf Beschlüssen des Deutschen Bundestags. Sie fußen auf Mandaten internationaler Organisationen wie der UN. Meine Damen und Herren, von daher sollten Sie diese Maßnahmen anders bewerten und nicht das, was die Bundeswehr leistet, so herabsetzen, wie Sie das gerade getan haben, Herr Kollege van Ooyen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Von der Linkspartei verlange ich eine Antwort auf die Frage – wir haben beim letzten Mal die Frage von Auslandsmissionen der Polizei diskutiert – wie wir den Aufbau von Zivilgesellschaften in solchen Ländern unterstützen sollen. Die Linkspartei stellt sich hierhin und sagt: Wir sind dagegen, die Polizisten dürfen nicht ins Ausland, sie dürfen nicht nach Afghanistan.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Das ist ein wichtiger Beitrag, den wir dort zum Aufbau der Zivilgesellschaft leisten. Auf der anderen Seite sagen Sie auch nichts zum Einsatz der Bundeswehr für diese friedenssichernden Maßnahmen und zur Aufbauarbeit der Bundeswehr, die dort geleistet wird. Sie müssen sich schon einmal entscheiden, was Sie wollen und einen Lösungsvorschlag vorlegen. Alleine das Lied „We shall overcome“ zu singen, reicht in diesen Fragen nicht aus.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Abgeordneten der CDU – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Mit was für Einsätzen und mit was für Mandaten haben wir es denn zu tun? Die Bundeswehr ist in Somalia eingesetzt, basierend auf einer UN-Resolution. Die Bundeswehr ist eingesetzt im Libanon, basierend auf einer UN-Resolution. Wir haben es außerdem mit dem Kosovoeinsatz zu tun – ich habe das schon einmal in der Debatte mit der Polizei angesprochen. Ich habe mir das angeschaut und wir haben sowohl mit Polizisten als auch mit Bundeswehrsoldaten gesprochen. Wenn Sie sehen, was für eine Arbeit dort geleistet worden ist, wenn Sie sehen, wie dort in einer schwierigen Krisenregion stabilisiert worden ist und welche hervorragende Arbeit die Bundeswehr dort leistet und welche Aufbauleistungen die Bundeswehr dort im zivilen Bereich erbringt, dann finde ich, Herr van Ooyen, sollten Sie anders reden, wenn Sie darüber reden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU und der FDP – Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Auch in Richtung der Kollegen der CDU, die diesen Antrag eingebracht haben und zum Setzpunkt gemacht haben, muss man doch sagen, Herr Kollege Schork: Sie haben viel vorgetragen und haben einen großen Anlauf unternommen, um am Schluss, beim letzten Punkt zu dem zu kommen, worüber Sie eigentlich reden wollten, nämlich die Frage der Standortentscheidung, wie geht es weiter mit der Bundeswehr, wie organisieren wir die Bundeswehr neu?

(Zuruf des Abg. Mario Döweling (FDP))

Die Aussetzung des Grundwehrdienstes war in Ihren Reihen schon sehr schwierig. Herr Kollege Schork, bei den Standortentscheidungen hätten Sie schon das eine oder andere sagen können und nicht nur das Problem benennen dürfen. Meines Wissens regiert in Berlin eine Regierung aus CDU und FDP.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es reicht nicht aus, das Problem zu benennen, man sollte auch dazu Position beziehen, wie es in den Regionen weiter gehen soll und welche Entscheidungen sie dann im Bundesverteidigungsministerium treffen. Herr Kollegen Schork, meines Wissens stellen Sie den Bundesverteidigungsminister. Meines Wissens brauchen Sie dazu keine Resolution des Hessischen Landtags. Sie stellen den Bundesverteidigungsminister und sollten vielleicht bei ihm vorstellig werden.

Vizepräsident Lothar Quanz:

Herr Frömmrich, kommen Sie bitte zum Schluss.

Jürgen Frömmrich:

Ich komme zum Schluss. – Die Standorte, die Bundeswehr in der Fläche, sind für viele Regionen ein starker Wirtschaftsfaktor die Beschäftigten und die Soldaten sind auch Bestandteil des Gemeinwesens und des Lebens in den jeweiligen Regionen. Standortentscheidungen werden aber nicht nur getroffen, weil sie Wirtschaftsfaktoren in Regionen sind, sondern, es kommt auch darauf an, Entscheidungen über Standortfaktoren auf Grundlage von Aufgaben zu treffen. Wenn Sie den Grundwehrdienst aussetzen, macht es keinen Sinn, Standorte aufrecht zu erhalten, die in der Hauptsache für die Ausbildung des Grundwehrdienstes zuständig waren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Schork, von daher braucht ein Standort eine Aufgabe. Sie sollten sich mit diesen Fragen und diesen Bitten an die Bundesregierung wenden. Die Bundesregierung wird von CDU und FDP gestellt. Wie ich gelesen habe, wird das in enger Abstimmung mit den Chefs der Staatskanzleien vorgenommen.

Vizepräsident Lothar Quanz:

Herr Frömmrich!

Jürgen Frömmrich:

Ich komme zum Schluss. – Herr Kollege Schork: Nicht nur reden, sondern handeln. Dafür sind Sie zuständig, in Berlin stellen Sie die Regierung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Lothar Quanz:

Danke, Herr Frömmrich

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