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24.06.2015

Eva Goldbach: Kommunalfinanzen bleiben im Aufwärtstrend – Neuordnung des Kommunalen Finanzausgleichs auf der Zielgeraden

Sehr geehrte Frau Vorsitzende, verehrte Kollegen, liebe Frauen! Vor genau einer Woche hatten wir hier im Plenarsaal die Anhörung zum KFA-Gesetzentwurf. Ich fand, die Stellungnahmen waren hochinteressant und insgesamt auch sehr ausgewogen in der Beurteilung. Als ich dann aber die Pressemitteilung der SPD gelesen habe, habe ich gedacht: Liebe Genossinnen und Genossen, Sie waren wohl auf einer anderen Veranstaltung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zurufe von der SPD)

Ihre Pressemitteilung ist der vorläufige Höhepunkt einer Serie von SPD-Veröffentlichungen zur Reform des KFA, die sich in Unsachlichkeit und Ignoranz nicht mehr unterbieten lassen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zurufe von der SPD)

Man muss sich das einmal klarmachen. Wir arbeiten hier an der größten Gesetzesinitiative in der ganzen Legislaturperiode,

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

und wir reden heute im Plenum zum fünften Mal über den KFA.

(Unruhe)

Zum fünften Mal bleiben Sie eine sachliche Kritik und vor allem eigene konstruktive Vorschläge schuldig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Sie schreiben in Ihrem Antrag, die Landesregierung sei verantwortlich für die aktuelle Erhöhung von – jetzt muss man genau zuhören –: kommunalen „Steuern, Gebühren und Abgaben“. So etwas Ähnliches hat auch Herr Schäfer vom Städte- und Gemeindebund gesagt.

Aber wenn man genau hinguckt, ist das schwierig. Denn es gibt Gebühren, es gibt Beiträge, und es gibt kommunale Steuern. „Abgaben“ ist ein Sammelbegriff. Das heißt, Sie führen immer die einzelnen Einnahmen auf und dahinter den Sammelbegriff. Das Ganze vermischen Sie zu einem bunten Salat und sagen dann, wir würden dafür sorgen, dass irgendwie alles erhöht werde.

Herr Schäfer vom Städte- und Gemeindebund hat auf Nachfrage zugegeben: Eine Erhöhung ergibt sich bei den Kommunen bei den Hebesätzen der Realsteuern. Dann hat er gesagt: Gebühren sind und waren schon immer kostendeckend zu erheben. – Also hören Sie auf, dieses Märchen zu erzählen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf des Abg. Torsten Warnecke (SPD) – Weitere Zurufe von der SPD)

Zu den Investitionen. Sie schreiben, dass die hessischen Gemeinden, Landkreise und Städte Investitionen kürzen müssten. Erst einmal müssten Sie genau sagen, was „Investitionen kürzen“ heißt. Man plant Investitionen, man führt sie durch. Was Kommunen üblicherweise nicht machen, ist, Investitionen anzufangen und hinterher zu kürzen. Da bitte ich um eine genaue Begriffsbestimmung, was Sie eigentlich meinen.

(Zuruf von der SPD)

Es ist richtig, dass wir auf allen staatlichen Ebenen einen Investitionsstau haben. Da müssen wir fragen, wie es finanziert werden soll, dass wir wieder mehr investieren. Wir haben, und das ist eben so, auf allen Ebenen versprochen und vereinbart, dass wir generationengerechte Haushalte verabschieden wollen.

Herr van Ooyen, da sind wir anderer Meinung als Sie: Wir wollen unseren Kindern nicht Berge von Schulden hinterlassen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Diese Verpflichtung gilt für den Bund ebenso wie für Länder und Gemeinden.

(Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Schauen wir uns doch einmal an, was in Hessen seit 2009 passiert ist. Da hat der Bund ein Investitionsprogramm aufgelegt, das das Land Hessen noch einmal durch eigene Mittel aufgestockt hat. Das hat unsere Kommunen ein ganzes Stück weitergebracht. Ich war damals noch in der Kommunalverwaltung tätig, und wir haben diese Investitionsmittel für sehr sinnvolle Maßnahmen verwendet. Das hat uns also – wie gesagt – ein gutes Stück weitergebracht, und das war bundesweit einmalig.

Die Mittel aus dem neuen Bundesprogramm, das jetzt kommt, dem Kommunalinvestitionsförderungsgesetz, die 317 Millionen Euro, die wird das Land Hessen auch an die Kommunen weiterleiten, vollständig weiterleiten, damit sie weiter investieren können.

Dazu kommen die Investitionsmittel, die im Rahmen des KFA jährlich an die Kommunen gezahlt werden. Das waren zuletzt 500 Millionen Euro.

(Zuruf des Abg. Ernst-Ewald Roth (SPD))

Und Sie behaupten einfach, das Land sei für Investitionskürzungen verantwortlich.

Sie wollen – ha, der Vorschlag war gut vorhin –,

(Lachen bei der SPD)

Sie sagen „mehr Empathie“, Sie wollen den Kommunen mehr Empathie entgegenbringen. Also statt Investitionsmittel lieber Gefühlsduselei. – Bitte, wenn das Ihre Art ist, damit umzugehen, sehr schön.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Lachen bei der SPD)

Und Sie betreiben unheimlich gern Vergangenheitsbewältigung.

Richtig, im alten Finanzausgleichsgesetz wurden 2011 die Zuweisungen an die Kommunen um 344 Millionen Euro gekürzt, und richtig ist auch,

(Unruhe – Glockenzeichen der Präsidentin)

dass wir GRÜNEN immer eine bessere Ausstattung der gefordert Kommunen haben. – Es ist schön, dass Sie jetzt auch alle zuhören. Danke sehr.

Genau das tun wir jetzt. Wir arbeiten zusammen mit der Landesregierung an einem zukunftsfähigen KFA.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Zuruf von der SPD)

Sie dagegen beklagen, dass mit dem Finanzausgleichsgesetz eine weitere Verschlechterung ab 2017 einträte. – Also, das hätte ich dann doch gern noch einmal dezidiert von Ihnen vorgerechnet bekommen, denn in den letzten Jahren ist der KFA um mehr als 1 Milliarde Euro gewachsen. In 2016 wird er die Rekordsumme – Herr Schork hat es schon erwähnt – von 4,37 Milliarden Euro erreichen. Das, was Sie da rechnen, hat mit Mathematik überhaupt nichts zu tun.

(Zuruf des Abg. Torsten Warnecke (SPD))

Das ist vielleicht Jonglage. Sie rechnen immer nur mit den 344 Millionen Euro. Ich empfehle Ihnen, erweitern Sie doch einmal das Rechnen bis in den Zahlenraum von Milliarden. Dann kommen Sie vielleicht hin.

Dieser Systemwechsel beinhaltet eine Änderung, die für die Kommunen Verlässlichkeit und Stabilität bietet – das ist ein ganz wesentlicher Punkt in dieser Reform –,

(Zuruf von der SPD)

dass nämlich das Land Hessen den Kommunen immer den Bedarf finanzieren wird – egal, wie die Einnahmesituation des Landes ist.

(Widerspruch bei der SPD)

In der Vergangenheit war es so, dass sich die konjunkturellen Einnahmeschwankungen auf Land und Kommunen ausgewirkt haben, was zu schwankenden Einnahmen geführt hat. In Zukunft werden die Kommunen immer eine gleichmäßige Finanzierung ihrer Bedarfe erhalten. Und das ist eine ganz wesentliche Verbesserung in diesem Gesetz.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Und, liebe Genossinnen und Genossen,

(Zuruf des Abg. Gerhard Merz (SPD) – Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

ich kann es Ihnen nicht ersparen, noch einmal auf das Thema Einnahmeverantwortung zurückzukommen. Schauen wir doch einmal, was der Bund, in dem die SPD ja nachweislich mitregiert, so macht.

(Zuruf von der LINKEN)

Sie hatten ja vor der Bundestagswahl gefordert, die staatlichen Einnahmen müssten erhöht werden, nämlich durch Steuererhöhungen. Ich glaube, bis zum Regierungswechsel 2017 können wir damit nicht mehr rechnen.

– Herr van Ooyen, wir regieren leider in Berlin nicht mit, können also im Moment gar nicht für Steuererhöhungen sorgen.

(Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Die Kommunen dagegen werden ihrer Einnahmeverantwortung gerecht. Wir haben in der Anhörung sogar gehört, dass eine Kommunalvertreterin, eine Bürgermeisterin, gesagt hat, es sei völlig richtig, die Nivellierungssätze anzuheben, und dabei sind wir nur beim tatsächlichen Durchschnittsniveau. Sie sagte aber darüber hinaus, sie könne sich vorstellen, sie sogar noch weiter zu erhöhen, denn es müsse mehr Geld ins System. Sie sei der Meinung, dass die Einnahmeverantwortung der Kommunen hier ganz klar greife und dass das ein richtiger Schritt wäre.

Und was macht das Land Hessen? – Auch das Land Hessen hat eine Einnahmeverantwortung. Wir haben die wahrgenommen. Wir haben nämlich schon zum August 2014 die Grunderwerbsteuer von fünf auf sechs Prozentpunkte erhöht.

(Zuruf der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

– Dagegen gestimmt hat die SPD;

(Zuruf der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

DIE LINKE hat sich enthalten,

(Zuruf der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

und die FDP – das ist auch ein Kracher – wollte sie lieber auf 3,5 Prozentpunkte senken.

Jetzt können wir ja auch einmal sagen, was dabei am Ende denn so herausgekommen ist. Wir können jetzt schon sagen, dass allein die Kommunen von dieser Erhöhung einen Anteil von 24 Millionen Euro erhalten haben.

(Zuruf der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Das ist doch ganz beachtlich, oder?

Und die SPD – ich sage es noch einmal – wollte diese Einnahmeerhöhung nicht, die jetzt den Kommunen zugutekommt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Letzter Punkt, die Bedarfsermittlung. – Sie kritisieren das, wie einige der kommunalen Spitzenverbände auch.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Kommen wir einmal zu den statistischen Daten. Das ist ja einer der Hauptkritikpunkte. Rödl & Partner hatte ja vorgeschlagen, vielleicht die Benchmarks aus den vergleichenden Prüfungen heranzuziehen. Bei der Anhörung haben wir noch einmal bei dem Vertreter dieser Wirtschaftsprüfungsgesellschaft nachgefragt, ob dazu Zahlenmaterial vorliege. Er hat darauf wirklich gesagt: Da haben wir keine valide Datenbasis.

Also Schlussstrich drunter. Schlussfolgerung: Es gibt keine andere Datenbasis, die überhaupt verwendet werden kann. Deswegen ist es richtig, die statistischen Daten zu verwenden.

Im Übrigen hat der Staatsgerichtshof es in seinem Urteil auch ausdrücklich erlaubt, dass statistische Daten verwendet werden können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Dann noch zum Korridorverfahren und zu Ihrem Vergleich von Äpfel mit Birnen: Prof Dr. Kamann hat gesagt,

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

das Korridorverfahren basiere nicht auf der Annahme unwirtschaftlichen Verhaltens, sondern die wirtschaftlichen Ergebnisse der Kommunen würden die Lage des Korridors bestimmen. Da können Sie Ihr kommunalpolitisches Fallobst einfach liegen lassen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vizepräsidentin Heike Habermann:

Kollegin Goldbach, kommen Sie bitte zum Schluss.

(Zuruf der Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Eva Goldbach:

Ja. Danke.

Zum Schluss: Eine so intensive Zusammenarbeit, wie wir sie zwischen den Kommunalen Spitzenverbänden, einzelnen kommunalen Vertretern, der Landesregierung und den Fraktionen, die es denn wollten, erlebt haben, ist einmalig und vorbildlich. Das hat eine tiefe und breite inhaltliche Debatte ermöglicht, wobei die Genossen unter „inhaltlicher Tiefe“ wohl etwas anderes verstehen. Das ist eben der Unterschied zwischen Tiefsee- und Brackwasser. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Stehend demonstrativer Beifall bei der SPD – Die Rednerin verneigt sich im Parlamentsrund. – Zuruf der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Ausfall der Mikrofonanlage – Zurufe von der CDU)