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17.09.2009

Frank Kaufmann zum Thema: Die Marktwirtschaft braucht einen sozialen und ökologischen Rahmen

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Drei Anträge stehen zur Debatte. Die CDU hat ihren zum Setzpunkt gemacht. Insbesondere nach der Rede des Kollegen Dr. Arnold fragt man sich, warum. Sie haben uns den Versuch einer historischen Stunde in sozialer Marktwirtschaft abgeliefert, zehn Tage vor der Bundestagswahl, und haben in diesem Zusammenhang auch noch die Bundestagswahl von 1949 ausdrücklich erwähnt, Herr Dr. Arnold. Hatten Sie nicht im Auge, wie die damals ausgegangen ist?

(Zuruf des Abg. Dr. Walter Arnold (CDU))

Mit 31 Prozent für die CDU ist das ein Wahlergebnis, das man in zehn Tagen durchaus auch akzeptieren könnte, nur als Hinweis.

(Zuruf des Abg. Volker Hoff (CDU))

– Die GRÜNEN gab es, wie Sie wissen, damals noch nicht. Insoweit konnten wir daran auch nicht teilnehmen.

(Zuruf des Abg. Leif Blum (FDP))

Meine Damen und Herren, was soll dieser Antrag, insbesondere dieser Setzpunkt? Das habe ich mich gefragt. Heute habe ich die Zeitung aufgeschlagen. Im „Wiesbadener Kurier“ steht auf der ersten Seite – das haben Sie bestimmt auch alle gesehen –: „Rumoren in Union und SPD“, mit der Unterzeile: „CSU fordert mehr wirtschaftliches Profil“. Von wem? Von der CDU.

Was wir gerade erlebt haben, war eine Darstellung des wirtschaftlichen Profils der CDU, vorgetragen von Herrn Dr. Arnold und bezogen auf eine Vergangenheit, die rund 60 Jahr zurückliegt. Wir können also feststellen – –

(Zuruf des Abg. Dr. Walter Arnold (CDU))

– Wenn das, was Sie vorgetragen haben, ein Vortrag in einem VWL-Proseminar wäre, Herr Dr. Arnold, dann hätten Sie dafür keinen Schein bekommen. Das ist sicher.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Es ist ja relativ einfach. Wir haben seit einigen Jahren die Initiative Neue soziale Marktwirtschaft, die den GRÜNEN weniger nahe steht als z. B. Ihnen. Da heißt es ausdrücklich – das haben Sie völlig übersehen –:

Die soziale Marktwirtschaft ist kein abgeschlossenes, sondern ein offenes System. Sie kann und muss bei neuen Wertvorstellungen und Erkenntnissen überprüft und verbessert werden.

– Der Kollege Milde zuckt mit den Schultern. Warum schreiben Sie denn dann einen Antrag wie den, den Sie uns vorgelegt haben, wenn das, was ich gerade zitiert habe, Ihrer Meinung nach richtig ist? In Ihrem Antrag bejubeln Sie nämlich die soziale Marktwirtschaft als das Modell, dem weltweit alle folgen sollten. Sie vergessen dabei, über die Weiterentwicklung nachzudenken oder überhaupt nur einen Satz dazu anzumerken.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bedauerlicherweise sind Sie in der Vergangenheit festgenagelt. Die SPD-Fraktion hat einen Gegenantrag gestellt. Wir haben die Darlegung des Kollegen Frankenberger gerade gehört. Der Gegenantrag ist nicht in der Vergangenheit verankert, Herr Kollege Frankenberger, aber er schafft es gerade so in die Gegenwart. Sie nehmen die aktuellen Probleme durchaus auf und beschreiben sie, aber auch Ihrem Antrag fehlt jeder Aspekt der Zukunftsentwicklung. Insoweit ist das kein Ausdruck dessen, was die SPD im derzeitigen Wahlkampf versucht, nämlich sich gerade auf dem Feld der Ökologie einen grünen Anstrich zu geben. Dazu muss ich anmerken: Die Mischung der Farben Rot und Grün ergibt ein sehr scheußliches Bild, insofern sollte man bei reinem Grün bleiben.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Aber dass die soziale Marktwirtschaft ökologisch weiterentwickelt werden muss, wenn sie uns erstens aus der Krise herausführen und zweitens nachhaltig erfolgreich sein will, wird bei der SPD genauso wenig erwähnt wie bei der CDU.

Herr Dr. Arnold, bei der CDU gibt es doch auch Leute wie Geißler oder Töpfer, die schon vor Jahren – um nicht zu sagen, vor Jahrzehnten – weiter gedacht haben, als Sie es heute hier bei Ihrem aktuellen Setzpunkt tun, zu dem Sie vortragen, wie toll die soziale Marktwirtschaft ist. Deswegen kann man nur sagen: Das, was Sie hier in knapper Zeit vor der Wahl, zu tun versucht haben, ist eigentlich ein Armutszeugnis. Da es ein gemeinsamer Antrag der CDU und der FDP ist, habe ich ein bisschen den Eindruck, er enthält den kleinsten gemeinsamen Nenner, auf den Sie sich einigen konnten, nämlich das Motto: Gucken wir nach hinten, da war doch alles so schön. – Das passt ein Stück weit zu dem aktuellen Wohlfühlwahlkampf, in dem man sich möglichst wenig angreift.

Meine Damen und Herren, um es noch einmal deutlich zu machen: Auf die soziale Marktwirtschaft gibt es kein Copyright und erst recht keine Interpretationsherrschaft. Wir alle sind aufgerufen, an der Weiterentwicklung teilzunehmen, auch diejenigen, die sich in der Verantwortung für dieses Land befinden. Der der Marktwirtschaft von den genannten Personen damals beigefügte Aspekt des Sozialen ist ja völlig richtig – was Sie erzählt haben, war ja nicht falsch, Herr Dr. Arnold, aber es war, wie gesagt, damals – und muss auch weiterhin im Auge behalten werden. Das reicht aber nicht aus, wie wir aktuell an vielen Dingen sehen. Wir würden doch auch unter der sozialen Marktwirtschaft weltweit in einer ökologischen Katastrophe und damit am Ende auch in einer ökonomischen Katastrophe landen, wenn man nicht den Aspekt der ökologischen Verantwortung schrittweise mit hineinnimmt. Das haben doch auch Sie ein Stück weit schon getan. Aber warum fehlt das in Ihrem Antrag völlig? Das ist doch die Frage. Anscheinend gab es dabei keine Einigung mit der FDP.

Meine Damen und Herren, merken Sie sich Folgendes. Sie brauchen nicht zu versuchen, hier den wenigen Freunden von den LINKEN auf die Füße zu treten. Die größte Gefahr für die Marktwirtschaft geht längst nicht mehr vom Roten Platz in Moskau, sondern von der Wall Street in New York aus. Das haben wir aktuell feststellen können. Deswegen bringt uns die Beschwörung, die der Kollege Dr. Arnold hier wieder vorgenommen hat, in der Sache überhaupt nicht weiter.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Ich will die Zeit nutzen, Ihnen ein paar Hinweise zu geben, welcher Weg der richtige ist. Es ist wie bei der Ampel: Wenn man davor steht, muss man warten, bis es grün wird, dann geht es weiter. Das gilt sogar für Sie, Herr Dr. Wagner.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Die Märkte gehen mit Knappheiten oft nicht wirklich rational um. Deswegen muss man auch in diesen Bereich reingreifen. Beispiel: Das Erneuerbare-Energien-Gesetz, das von Rot-Grün auf Initiative der GRÜNEN geschaffen wurde, ist ein Schritt zu einer ökologischen Weiterentwicklung. Das wird von anderen zwar bekämpft, und es wird immer wieder versucht, es madig zu machen, aber es ist ein eindeutiger Erfolg.

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Ein ökologischer und nachhaltiger Politikansatz bedeutet, man denkt ein Stückchen weiter. Man verharrt nicht im heutigen Wohlfühlen – dazu neigen die Freunde von der Sozialdemokratie –, und man ist erst recht nicht dabei, nach dem Motto zu verfahren wie die CDU: Schauen wir nach hinten, da war es doch so schön, da wollen wir wieder hin. – Genau das bringt uns nicht voran, und das bringt auch die Marktwirtschaft nicht voran.

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Insofern wollen wir zu einer ökologischen Weiterentwicklung kommen. – Herr Kollege Dr. Wagner, Sie brauchen keine Sorge zu haben. Mir ist kein Fünfjahresplan, weder der KPdSU noch der SED, noch von sonst jemandem bekannt, der je irgendeine positive ökologische Entwicklung beinhaltete. Das heißt, der planwirtschaftliche Ansatz zeigt von vornherein, dass das nicht klappt.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Insofern haben wir überhaupt keine Affinität zu den LINKEN. Deshalb trifft mich Ihr Vorwurf auch gar nicht.

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

– Herr Dr. Wagner, wer an welchen Stellen in dieser Republik mit den LINKEN koaliert, da sollten Sie einmal nachzählen. Sie kommen auf sehr viel mehr gemeinsame Punkte mit der CDU, als es mit den GRÜNEN je geben könnte.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich habe ein bisschen wenig über die FDP geredet. Das lohnt sich in dem Zusammenhang nicht, obwohl die FDP die soziale Marktwirtschaft eigentlich immer für sich reklamiert. Meine Herren von der FDP, das ist aber in dieser Frag wie bei vielen anderen Fragen: Das, was Sie hier sagen, ist das Gegenteil von dem, was Sie mitmachen, wenn es ernst wird. Eine dieser Fragen – ich erinnere daran, es ist schon länger her, auch damals hatten wir eine schwarz-gelbe Koalition hier in Hessen – war die Höchster Porzellanmanufaktur, ein Lieblingsthema von mir, denn da ging es um einen Eingriff, der das Gegenteil dessen war, was ein Marktwirtschaftler akzeptiert. Der damalige und heutige Wirtschaftsminister Posch hat das damals durchaus so formuliert. Die FDP hat aber mitgemacht, weil am Ende der Ministersessel wichtiger war als die Grundhaltung.

(Lachen bei der FDP)

Genauso ist es – wir werden darüber heute noch diskutieren – aktuell bei Opel. Das Schwankespiel, das Sie hier aufführen, zeigt am Ende nur, dass bei der sozialen Marktwirtschaft auf eine politische Gruppierung auf jeden Fall überhaupt kein Verlass ist, nämlich die FDP in diesem Haus und bundesweit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir wirklich eine nachhaltige Entwicklung zum Positiven haben wollen, dann gilt das, was die GRÜNEN relativ bescheiden plakatieren – Sie sehen nur relativ wenige Plakate, wir sparen da ein bisschen an der Verschandelung der Umwelt –: Aus der Krise hilft nur grün, weil nur die ökologische Weiterentwicklung sowohl der Marktwirtschaft als auch unseres Systems im Hinblick auf die Nachhaltigkeit uns wirklich positiv weiterbringen wird. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Sarah Sorge:

Vielen Dank, Herr Kollege Kaufmann.