Inhalt

01.03.2011

Frank Kaufmann: Winterschädenprogramm

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir als Opposition wissen nicht, was die letzten, geheim gehaltenen Wahlumfragen der Landesregierung den Koalitionsfraktionen für Hiobsbotschaften beschert haben,

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

aber es müssen verheerende Werte gewesen sein, die diese heftige Panik erzeugt haben.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Denn anders als mit Panik und völlig unüberlegtem Aktionismus ist der heute vom Kollegen Caspar eingebrachte Gesetzentwurf, den die Landesregierung erarbeitet und öffentlich auch schon vorgestellt hat und der heute von der CDU und der FDP eingebracht worden ist, nicht zu erklären. Herr Kollege Caspar, in Ihren Worten: „Man muss helfen, wenn Not am Mann ist“, haben Sie unfreiwillig entlarvt, was der wahre Grund für diesen Gesetzentwurf ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Offensichtlich glaubt man im Regierungslager, mit Väterchen Frost einen geeigneten Wahlhelfer ausgesucht zu haben.

(Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren von der Koalition, hätten Sie doch lieber Baron Dr. von und zu Münchhausen genommen; der ist in seinem Mogeln nämlich viel authentischer als der Genosse Frost.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Lebhafte Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren, was Sie uns in den letzten Tagen und auch hier und heute erzählt haben, ist bestenfalls als Legende zu qualifizieren. Jedenfalls ist es das Gegenteil der Wahrheit. Ihnen geht es nämlich überhaupt nicht um die Schlaglöcher in den Straßen. Die sind nur ein Vorwand.

(Lebhafte Zurufe von der CDU)

Sie wollen den Wählern, verehrte Kollegin Lannert, die ihr Weltbild am liebsten durch einen festen Blick auf den Drehzahlmesser definieren, ein Urnenhupferl zur Wahl kredenzen,

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zurufe von der CDU)

damit sie in gut drei Wochen ihre Kreuze an den richtigen Stellen machen. Sie hoffen dabei offensichtlich, dass niemand merkt, dass Sie bei dieser Gelegenheit vor allem den Gemeinden, deren Finanzkraft nicht auskömmlich ist, Finanzmittel entziehen.

(Dr. Walter Arnold (CDU): Bitte keine Büttenrede! – Weitere Zurufe von der CDU)

Nimm es den Armen und gib es den Reichen – das ist das Credo des finanzwirtschaftlichen Teils dieses Gesetzentwurfs.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Herr Kollege Milde, weil Sie mich so fragend anschauen:

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Rechnen Sie es doch einmal nach. Nehmen wir den Fall der Heimatstadt unseres ehemaligen Ministerpräsidenten, das arge Not leidende Eschborn, das seine Schlaglöcher im Zweifelsfall aus der Portokasse längst mit goldenen Inlays geflickt hat.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Mit der Zuweisung nach Ihrem famosen Gesetz würde die Zuwendung aus dem Kommunalen Finanzausgleich für die Stadt Eschborn im Jahre 2011 nahezu verdoppelt, ohne dass sie im kommenden Jahr mit irgendwelchen Einbußen rechnen müsste. So etwas nennt man ein echtes Schnäppchen für Eschborn.

Wir vergleichen ja immer die Städte und Gemeinden rechts und links von Frankfurt. Die Stadt Offenbach müsste durch dieses Schlaglochgesetz unter sonst gleichen Bedingungen im kommenden Jahr einen Verlust von rund 1,2 Millionen Euro bilanzieren. Dafür, dass sie im Jahr 2011 – nach den Vorstellungen der Koalition – eine zweckgebundene Summe im Höhe von 765.300 Euro erhält, verliert sie nämlich im nächsten Jahr insgesamt 1,9 Millionen Euro aus dem Kommunalen Finanzausgleich. Für andere Kommunen gilt das in ähnlicher Weise. Der Kämmerer der Stadt Kassel hat bereits öffentlich gemacht, dass ihn das Schlaglochsuchgesetz rund 400.000 Euro netto kostet. Meine Damen und Herren von der Koalition, hören Sie deshalb auf, von den Schlaglöchern in den Straßen zu reden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Der Kollege Schmitt hat schon darauf hingewiesen: Hören Sie lieber auf, Löcher in die kommunalen Finanzen zu schlagen.

Damit das, was Sie vorhaben, nicht geschieht, haben wir GRÜNEN einen Änderungsantrag zum Gesetzentwurf vorgelegt. Damit wird tatsächlich zusätzliches Geld zur Schließung von Schlaglöchern sowohl in den Landesstraßen als auch bei den Kommunen bereitgestellt – bei den Kommunen dadurch, dass wir ihnen mit unserem Vorschlag tatsächlich mehr Geld und nicht nur einen Vorschuss auf Geld geben, das ihnen sowieso bereits gehört.

Über die Dreistigkeit, mit der Sie Ihren Gesetzentwurf formuliert haben, kann man wirklich nur den Kopf schütteln. Sie verkünden – wir haben es ja erlebt – mit großem Getöse, dass sich Hessen keine Schlaglöcher leisten könne und die Formel gelte: Das Abwarten erhöht die Kosten. – Sie planen an tatsächlichen Reparaturkosten rund 200 Euro je Straßenmeter ein und geben den Kommunen pauschal 2 Euro je Straßenmeter. Und dann wollen Sie auch noch ernst genommen werden.

Das Fazit lautet: Sie preisen eine Mogelpackung an und schlagen mächtig Schaum. Verehrte Damen und Herren von der Koalition, mit Schaum kann aber niemand Schlaglöcher reparieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Wir GRÜNEN wollen demgegenüber den hessischen Gemeinden, Städten und Kreisen tatsächlich wirksame Unterstützung geben, um mit den Folgen des Winters gut fertig zu werden. Wir wollen ihnen zusätzliches Geld geben, das auch nicht wieder einkassiert wird. Wir wollen die mit dem Finanzausgleichänderungsgesetz 2011 verbundenen Abzüge bei der Finanzierung der Kommunen aus Staatshaushaltsmitteln, nämlich aus der durch die Steuermehreinnahmen gut gefüllten Rücklage, wieder ausgleichen, zumindest soweit der im Haushalt veranschlagte Vorschuss dazu nicht ausreicht. Dabei geht es nach unseren Rechnungen um 194 Millionen Euro zugunsten der Gemeinden, Städte und Kreise in Hessen. Wir wollen nämlich nicht, dass ein weiterer Vorschuss gezahlt wird und die kommunalen Kassen im kommenden Jahr damit ein zweites Mal belastet werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, schauen Sie sich Ihren Gesetzentwurf einmal genauer an. Wir wollen die Kommunen auch nicht mit zusätzlicher Bürokratie überziehen. Die Koalition fordert nämlich besondere Verwendungsnachweise für die Schlaglochmittel, sogar mit der Extra-Vorschrift, was geschieht, wenn das nicht erfüllt wird. Dann wird den Kommunen das Geld nämlich wieder abgezogen. Das heißt, man greift ihnen in die Tasche, um ihnen ihr eigenes Geld wieder wegzunehmen. Meine Damen und Herren, das halten wir für falsch. Eine solche Regelung wollen wir nicht,

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

denn wir wollen – im Gegensatz zu Ihnen – die Kommunen nicht an die Kandare nehmen. Wir wollen der kommunalen Selbstverwaltung vertrauen. Wir sind an dieser Stelle für Vertrauen und gegen Bürokratie – leider im Gegensatz zur Mehrheit in diesem Hause.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Dass ausgerechnet Sie jetzt glauben, mit zusätzlicher Bürokratie erfolgreich Wahlkampf führen zu können, ist schon eine bemerkenswerte Stilblüte. Aber: Trost ist noch möglich. Noch hat die Mehrheit in diesem Hause die Chance, ihren Irrweg Weg zu verlassen und aus dem Entwurf ein vernünftiges Gesetz zu machen. Morgen, bei der Anhörung, und danach bei der Beratung in den Ausschüssen werden wir das erleben. Wir sind sehr gespannt, ob Sie über Nacht einmal nachrechnen, was Sie eigentlich für einen Blödsinn vorhaben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)