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03.03.2011

Frank Kaufmann: Winterschädenprogramm

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte eigentlich bis zu dem Augenblick, an dem Herr Kollege Müller hier vorgetragen hat, den Eindruck, insbesondere auch aus Gesprächen mit dem Kollegen Milde, Sie hätten Ihren Fehler längst bemerkt, Sie sehen sich nur nicht in der Lage, ob zu stolz, zu stur oder zu politisch betrachtet, ihn zuzugeben und zu korrigieren. Nach den Worten des Kollegen Müller glaube ich eher, Sie haben es nicht verstanden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Herr Kollege Müller, Sie haben eben hier wörtlich gesagt, es sei auch richtig, dass die Stadt Kassel weniger bekomme als der Werra-Meißner-Kreis. Jetzt schauen wir, bitte schön, in den Gesetzentwurf, Drucks.18/3761. Danach bekommen die Stadt Kassel 1.302.000 Euro und der Werra-Meißner-Kreis 375.000 Euro. Das ist irgendwie das Gegenteil von dem, was Sie gesagt haben. Daraus schließe ich, Sie haben es nicht verstanden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Stefan Müller (Heidenrod) (FDP): Herr Kaufmann, das ist so einfach und simpel!)

Dass Sie es nicht verstanden haben, kann man auch Ihrer so famosen Presseerklärung von gestern, vom 2. März, entnehmen. Da hat er im üblichen Tenor wieder einmal geschrieben:

Es ist nicht verwunderlich, dass die GRÜNEN aus rein ideologischen Gründen gegen die Sanierung der Straßen sind.

Halleluja, kann ich da nur sagen, verehrter Kollege Müller. – Dann erklärt er die mehrheitliche Zustimmung.

Nun kann es so sein, dass wir auf verschiedenen Veranstaltungen waren. Aber ich gehe davon aus, dass der Korrespondent der dpa auf der richtigen Veranstaltung war. In der dpa-Meldung von gestern steht:

Der Hessische Landkreistag sprach sich … entschieden dagegen aus.

Darüber sind wir uns noch einig. Dann steht hier:

Die Städte

– damit ist der Städtetag gemeint –

spendeten nur verhaltenen Beifall für das Programm, sagte Jürgen Dieter … Denn das Land habe den Kommunen zuvor gut 340 Millionen aus dem Finanzausgleich entzogen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und der LINKEN)

Das ist eine dramatische Zustimmung. Dann geht es weiter:

Der Direktor des Städte- und Gemeindebunds, Karl-Christian Schelzke, nannte es positiv, dass die Kommunen Schäden nun rasch beseitigen könnten. Leise Kritik äußerte er an dem geplanten Verteilungsschlüssel …

Ich stelle fest: Einer ist entschieden dagegen, und zwei sagen mindestens ambivalent: halbe-halbe. Das ist für mich entgegen Ihrer Presseerklärung noch keine Mehrheit dafür, verehrter Herr Kollege Müller.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Aber mit den Presseerklärungen ist es so wie immer. Auch der Kollege Milde, gemeinsam mit dem Kollegen Caspar, kann nicht richtig rechnen. Sie erklären zwar in Ihrer Presseerklärung von gestern – das ist alles noch druckfrisch –, Freibier für alle sei die Forderung insbesondere von uns, was natürlich totaler Unfug ist. Dann rechnen Sie vor, dass im Kommunalen Finanzausgleich 2011 mit diesem Programm 270 Millionen € mehr als im Jahr 2010 zur Verfügung stehen.

Herr Kollege Milde, das ist leider falsch, weil Sie da die Mogelpackung wieder neu verkaufen wollen. Denn wenn man beim Kommunalen Finanzausgleich z. B. eine Kompensationsumlage aus der linken Tasche herausnimmt und in die rechte Tasche hineinsteckt, dann ist in der Hose immer noch genauso viel. Es ist nur die Frage, in welcher Tasche es sich befindet.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Zu sagen, mit dreimal hin und her – das kann man ein paarmal machen – werde das Volumen des Kommunalen Finanzausgleichs immer größer, ist ein Taschenspielertrick, den Ihnen niemand abnehmen wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Schauen wir uns doch die Daten an. Da ich vorgestern beschimpft worden bin, ich würde nur aufs Rhein-Main-Gebiet schauen, sage ich Ihnen, Herr Kollege Müller: Auch die Gemeinde Niestetal bekommt aus dem Schlaglochprogramm 75 % gegenüber dem normalen Kommunalen Finanzausgleich. Der Spitzenreiter ist die in Ihrem Landkreis so beliebte Gemeinde Kiedrich, ein wunderschöner Ort, der im Schlaglochprogramm 220 % der Summe der Kommunalen Finanzausgleichsmittel bekommt und – Donnerwetter, kann ich da nur sagen – nicht einen Cent davon zurückzahlen muss.

(Zuruf des Abg. Stefan Müller (Heidenrod) (FDP))

Jetzt gucken wir uns die Verlierer an, weil die auch eine Rolle spielen. Der Kreis Waldeck-Frankenberg, auch im hohen Norden: minus 200.000 Euro, der Odenwaldkreis, jetzt im Süden, minus 400.000 Euro. Ein besonderer Verlierer ist der Main-Kinzig-Kreis. Herr Kollege Noll möchte dort Landrat werden. Ich sehe ihn leider nicht, er scheint noch auf Wahlkampf zu sein. Ich hatte gedacht, er dürfte heute vorher die Hand dafür heben, dass mit diesem famosen Gesetz dem Main-Kinzig-Kreis unter dem Strich 2 Millionen Euro weniger zufließen, als wenn das Programm nicht gemacht würde.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Stefan Müller (Heidenrod) (FDP): Es geht um die Straßen!)

Meine Damen und Herren, Direktor Kaiser hat uns vorgetragen, dass bei den Landkreisen durch Ihr Gesetz ein Abzug von 20 Millionen Euro entsteht. Mein Kollege und Vorsitzender Tarek Al-Wazir hat gestern Morgen bei der Debatte über die kommunale Situation insgesamt schon deutlich den Zickzackkurs der Landesregierung kritisiert, dem von Ihnen widersprochen wurde. – Einen besseren Beweis für den Zickzackkurs als dieses Gesetz gibt es nicht. Sie – ich meine die Mehrheit dieses Hauses – haben mit dem Finanzausgleichsänderungsgesetz 2011, was noch nicht so lange her ist, da es hier am 15. Dezember verabschiedet wurde, den Kreisen in Hessen durch die Kompensationsumlage 24,2 Millionen Euro zusätzlich gegeben. Noch nicht ein Vierteljahr später wird den Kreisen mit dem heute zu verabschiedenden Gesetz die Summe von 20 Millionen Euro weggenommen. Wer kann dies überhaupt noch erklären? Doch nur jemand, der nicht so recht durchschaut.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Stefan Müller (Heidenrod) (FDP))

Meine Damen und Herren, wir haben gesehen, es ist alles bestens vorbereitet. Die kommunalen Vertreter der CDU sind schon auf dem Quivive. In der Stadt Oestrich-Winkel wurde bereits im Februar ein Antrag eingebracht – mittlerweile ist er auch beschlossen –, ein Jubelantrag, der an vielen anderen Stellen auch noch gebracht werden soll. Ich darf zitieren:

Das Sonderprogramm der CDU-geführten Landeregierung beugt den Folgewirkungen vor und versetzt die Stadt [Name bitte einsetzen] Oestrich-Winkel in die Lage, ihre Infrastruktur aufrechtzuerhalten.

(Zuruf des Abg. Stefan Müller (Heidenrod) (FDP))

Meine Damen und Herren, die GRÜNEN arbeiten immer serviceorientiert. Deswegen schlage ich Ihnen zum Abschluss vor, folgende Presseerklärung nach Verabschiedung des Gesetzes in alle Himmelsrichtungen zu verbreiten.

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Es folgt der Text:

Gegen die Verbohrtheit der bekannt technikfeindlichen GRÜNEN und als erfolgreiche Kampfmaßnahme gegen den Schlaglochsozialismus der vereinigten LINKEN hat der CDU-Abgeordnete … [Name bitte einsetzen] durch nachhaltiges Engagement der Gemeinde oder Stadt [bitte auswählen] … [Name bitte einsetzen] die stattliche Summe von … [Betrag bitte einsetzen] € aus dem Gesetz zur Behebung von Winterschäden an Straßen geschafft. Er wird den Scheck der Landesregierung vorbehaltlich eines entsprechenden Ergebnisses der Kommunalwahl noch im Mai dieses Jahres an den Bürgermeister überreichen. Volker, wir loben dich.

So weit der Vorschlag der Presseerklärung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Demonstrativer Beifall bei der CDU und der FDP)

Jetzt verstehen Sie auch, warum wir den Gesetzentwurf ablehnen.

(Zurufe von der CDU und der FDP – Zuruf des Abg. Stefan Müller (Heidenrod) begibt sich zum Rednerpult.)

Präsident Norbert Kartmann:

Ich habe Ihnen noch nicht das Wort erteilt, Herr Kollege. Ich wollte abwarten, bis die Narretei zu Ende ist. Darauf habe ich einen besondern Anspruch. Deshalb reagiere ich nicht darauf.

Okay, Sie haben das Wort zu einer Kurzintervention.

Stefan Müller (Heidenrod) (FDP):

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der gerade gehaltene Redebeitrag zeigt wieder einmal: Ein Kaufmann rechnet anders.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU)

Was Sie hier dargeboten haben, waren Zahlentricks, die so nicht zu halten sind. Es ist völlig unstreitig, Herr Kaufmann, dass die Landkreise, weil sie weniger Kilometer an Kreisstraßen haben, auch weniger Geld erhalten. Sie haben ausschließlich Landkreise genannt. Sie haben nicht eine Stadt oder Gemeinde genannt, die allesamt – 400 von 426 – davon profitieren, weil sie mehr Geld erhalten, als sie sonst aus dem KFA erhalten würden. Es ist unredlich, wenn Sie sich dann hierhin stellen und solche Zahlen darbieten.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Zu dem, was Sie am Ende gesagt haben, möchte ich nur sagen: Super-Büttenrede am heutigen Altweiberfastnachtsdonnerstag. Ihr lieben Leute, mit dieser Überheblichkeit und Arroganz werden Sie wirklich Mordsstimmen gewinnen. Viel Erfolg dabei.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Norbert Schmitt (SPD): Das sagt ihr von der FDP, mein lieber Schwan! – Zuruf: Narrhallamarsch!)

Präsident Norbert Kartmann:

Zur Antwort, Herr Kaufmann.

Frank-Peter Kaufmann:

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Verehrter Herr Kollege Müller, ich nehme zur Kenntnis, dass alle die arrogant und überheblich sind, die Sie auf Fehler hinweisen. Dann ist Ihnen gegenüber fast die gesamte Welt in diesem Zustand. Das muss so sein. Das nehme ich hin.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Zur Sache: Ich habe die Zahlen aus dem Gesetzentwurf zitiert. Sie könnten mir einen Vorwurf machen, dass ich nicht erwähnt habe, dass Sie dem Werra-Meißner-Kreis bei dem angeführten Beispiel nicht nur die Mittel für die Kreisstraßen, sondern auch die Mittel für die Landesstraßen hinzurechnen wollen. Ich rechne die Mittel jetzt hinzu und komme auf die stolze Summe von insgesamt 1.125.000 €. Der Betrag für die Stadt Kassel – 1.302.000 € – bleibt aber nach wie vor der größere. Rechnen Sie einmal richtig.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)