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15.12.2010

Frank Kaufmann: Weiterbau der A 49

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir merken es der Debatte an: Die A 49 ist in der Tat so etwas wie das Schicksalsthema der hessischen Verkehrspolitik, mindestens der letzten 20 Jahre, wenn nicht noch länger, und der heutige Antrag der Koalition beweist dies nachdrücklich. Da der Kollege Caspar so nett das Zitat angesprochen hat, möchte ich die Gelegenheit wahrnehmen, jetzt noch einmal das Originalzitat aus der Koalitionsvereinbarung kundzugeben. Damals wurde vereinbart, ich zitiere:

Das Land verhandelt mit dem Bund über einen qualifizierten Abschluss der Autobahn bei Bischhausen und eine Lösung der Verkehrsprobleme zwischen Borken und der A 5. Es wird anstelle der Autobahn eine zweispurige Bundesstraße mit Anbindung an die BAB 5 … erarbeitet.

Soweit der Koalitionstext. Daraus wird deutlich: Die politische Position der GRÜNEN war in der Tat – das ist auch schon unterstrichen worden – von Anfang an die, dass wir diese Autobahn nicht nur für falsch, sondern obendrein für die Region für schädlich halten und deshalb erreichen wollten, dass sie nicht weitergebaut wird.

(Zuruf des Abg. Wolfgang Greilich (FDP))

Meine Damen und Herren, die heutige Darstellung der Kollegen, die da inhaltlich anderer Meinung sind, beweist doch eins: Für ein Vierteljahrhundert lang waren wir ziemlich erfolgreich, weil – es ist schon mehrfach betont worden – an dieser Strecke kein einziger Meter Autobahn neu gebaut worden ist.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich wissen auch wir, dass aufgrund der Einordnung dieser Autobahnstrecke in den sogenannten vordringlichen Bedarf ein gesetzlicher Planungsauftrag besteht, dem das Land nachkommen muss. Deshalb hatten wir im Herbst vor zwei Jahren auch eine Vereinbarung mit der SPD getroffen, die damals übrigens, darauf darf ich den verehrten Herrn Kollegen Frankenberger auch hinweisen, von Ihrem Parteitag mit großer Mehrheit für gut geheißen wurde.

(Zuruf des Abg. Ulrich Caspar (CDU))

Diese Vereinbarung lautete – ich zitiere –:

Die Planung der A 49 Neuental – Gemünden (Felda) wird zeitnah abgeschlossen. Damit nicht erneut zusätzliche Belastungen der Ortslagen durch den Durchgangsverkehr, der bereits die Teilstücke nutzt, entstehen, ist vor einem Weiterbau die gesamte Strecke planfestzustellen und die Finanzierung durch den Bund sicherzustellen.

(Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Meine Damen und Herren, das ist doch eine sehr vernünftige Regelung, darauf komme ich noch einmal. – Heute besprechen wir leider einen Antrag von Fraktionen – die CDU war durchgängig dabei, die FDP zu ihrem Leidwesen nicht immer –, die trotz zwölfjähriger Regierungszeit – gemeinsam oder teilweise einzeln – in Sachen A 49 überhaupt nichts hinbekommen haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sagte es schon, dass kein einziger Meter neuer Autobahn gebaut worden ist, allerhöchstens etliche Meter beschriebenen Papiers.

(Zuruf des Abg. Mario Döweling (FDP))

Sie haben in der Vergangenheit immer wieder versucht, den Autobahnbau durchzusetzen. Ich sage noch einmal frank und frei: Sie haben es glücklicherweise nicht geschafft.

Meine Damen und Herren, es ist sehr beliebt – auch Herr Kollege Caspar hat es wieder mal versucht – : Wenn Sie dafür den Naturschutz verantwortlich machen, so möchte ich Sie doch gern daran erinnern, dass bei der Planung dieser Autobahn, bei der VKE 20, letztendlich die Kammmolche im Herrenwald die Verursacher dessen waren, dass die Baukosten um 40 Millionen € geringer ausfallen werden als ursprünglich geplant. Das ist die Wahrheit, Herr Kollege.

(Beifall von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir GRÜNE streiten übrigens sehr gerne darüber, dass der Region der Autobahnbau nichts bringt, sondern ihr lediglich negative Folgen beschert.

Das behaupten meine Vorredner alle ganz anders. Aber insbesondere die Antragsteller – das ist in den Reden gerade wiederholt worden – sprechen den Punkt selbst an. Ich darf aus dem vorliegenden Antrag zitieren: Dem Schwerverkehr

bietet die A 49 zudem eine steigungsärmere Alternative zur A 5/A 7, …

(Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Meine Damen und Herren, das ist richtig. Aber das heißt doch nichts anderes, als dass CDU und FDP in ihrem Antrag darüber jubeln, dass der europäische Fernlastverkehr unterwegs zwischen Puttgarden und Genua künftig durch das Schwalmtal donnert. Das ist doch nur eine Position der Uneinsichtigkeit von CDU und FDP.

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Das kann doch nur reine Ideologie sein, Herr Dr. Wagner. Den Straßenbau unbedingt und immer wieder als Grundlage wirtschaftlicher Prosperität zu bezeichnen, ist schlicht falsch.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Es ist hoch bedauerlich, dass das von Ihnen immer noch weiter geglaubt wird, obwohl mittlerweile eine Reihe von wissenschaftlichen Untersuchungen auf dem Tisch liegt, die das genaue Gegenteil nachweisen.

Meine Damen und Herren, da wir GRÜNEN uns im Gegensatz zu anderen Einschätzungen nicht dem Neinsagen, sondern der Vernunft verschrieben haben, glauben wir daran, dass diese Untersuchungs- und Forschungsergebnisse durchaus auch Sie irgendwann einmal überzeugen werden, wenn ich auch einräume, dass die schwarz-gelbe Sekte in ihrem Irrglauben, jeder Straßenbau sei ein Geschenk Gottes, wohl noch heftiges Beharrungsvermögen zeigt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Wolfgang Greilich (FDP))

Jenseits dieses Streits sollte über eines Einigkeit bestehen: Die Region, insbesondere in der Schwalm, hat in den letzten Jahrzehnten deutlich und massiv darunter gelitten, dass ein Autobahnstummel nahezu im Nichts endete. Deswegen war immer die Überlegung, dass man sicherstellen muss, wenn man denn wirklich weiterbaut, dass man das, was jetzt in der Nähe von Borken jahrelang das Problem war, nämlich das abrupte Ende der Autobahn, nicht 25 oder 30 km weiter nach Süden verschiebt und damit neuerlich eine langfristige Belastung produziert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Genau deshalb sollte man, wenn man das Projekt wirklich weiterverfolgen will, bis zum Anschluss an die A 5 durchplanen und es zweitens auch durchfinanzieren, bevor man mit Baumaßnahmen anfängt. Denn die führen zwangsläufig wiederum zu Zwischenlösungen, die erneut zur Belastung von Straßen führen, die dafür nicht geeignet sind.

Meine Damen und Herren, bedauerlicherweise wollen Sie genau das nicht. Die tatsächliche Belastung der Region ist Ihnen offensichtlich egal. Sie agieren nach dem Motto: Hauptsache, wir fangen an, zu buddeln und zu betonieren, egal, wo wir am Ende landen und wie es dann weitergeht.

Das ist zusätzlich zu der Beurteilung des Straßenbauprojektes generell aus unserer Sicht die völlig falsche Politik, weil man damit der Region überhaupt nicht hilft.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, die von Jubelarien triefende Beteuerungen, dass jetzt alles unterbrechungsfrei und rasch abgewickelt wird, sind doch Selbstbetrug. Schauen wir einfach auf die Fakten. Am 3. Juni 2008 – das ist jetzt zweieinhalb Jahre her – antwortete der seinerzeitige hessische Straßenbauengel Aloisius im Plenum auf eine mündliche Frage – ich darf zitieren –:

Für den zweiten Abschnitt zwischen Schwalmstadt und Stadtallendorf – wie Sie wissen, ist der erste Abschnitt bereits planfestgestellt – ist die Erwiderung auf die Stellungnahmen durch die HSVV

– die Hessische Straßen- und Verkehrsverwaltung –

bereits weitgehend abgeschlossen.

Das Regierungspräsidium Kassel strebt an, den Erörterungstermin im September dieses Jahres

– 2008 –

durchzuführen und dann konsequent auf den Planfeststellungsbeschluss hinzuarbeiten.

Ich stelle nach zweieinhalb Jahren konsequenter Hinarbeitung fest: Wo ist denn der Planfeststellungsbeschluss?

Meine Damen und Herren, am 24. September 2009 – das ist gut ein Jahr her, aber auch gut ein Jahr nach Aloisius – betonte der heute immer noch amtierende Minister Posch vor dem Wirtschaft- und Verkehrsausschuss zu den Planungsabschnitten VKE 30 und 40. – es war wieder einmal ein Antrag von Ihnen zum Thema A 49 zu beraten; ich zitiere aus dem Wortprotokoll der öffentlichen Sitzung –:

… sodass wir nach dem jetzigen Stand davon ausgehen, dass die beiden Abschnitte, die dann folgen – die VKE 30 und die VKE 40 – im Jahre 2010, also schon nächstes Jahr,

– es war, wie gesagt, 2009 –

per Planfeststellungsbeschluss abgeschlossen werden können.

Meine Damen und Herren, auch dies war falsch; denn das Jahr 2010 ist so gut wie Vergangenheit, und die Koalition wünscht sich jetzt in ihrem Antrag von der Landesregierung, die Planung der weiteren Abschnitte unvermindert mit dem Ziel fortzusetzen, 2011 die zugehörigen Planfeststellungsbeschlüsse zu erlassen.

Ich stelle also fest: Die bisherigen Ankündigungen zum Weiterbau der A 49 waren alle falsch.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Genau dieses Verfahren, das Sie immer nur ankündigen, können Sie gerne unverändert und unvermindert fortsetzen. Dann können Sie auch hier gerne jährlich wiederkehrende Anträge vorlegen und sich dafür loben, dass der Bau und die Fertigstellung nunmehr unmittelbar bevorstehen.

Vizepräsident Lothar Quanz:

Herr Kaufmann, bitte zum Schluss kommen.

Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Meine Damen und Herren, die VKE 40 ist planungsrechtlich noch lange nicht in trockenen Tüchern, und finanziert ist das Gesamtprojekt ebenfalls noch lange nicht, sodass die Probleme der Überlastung der Ortsdurchfahrten aus Vergangenheit und Gegenwart, die ich angesprochen habe, sich in Zukunft eher verschärft fortsetzen werden. Dies haben zuallererst diejenigen zu verantworten, die heute diesem total unsinnigen Jubelantrag zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der FDP)

Vizepräsident Lothar Quanz:

Vielen Dank, Herr Kaufmann.