Inhalt

01.02.2012

Ellen Ensling: Tätigkeitsbericht des Hessischen Datenschutzbeauftragten

Herr Präsident, mein Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Prof. Ronellenfitsch, lassen Sie mich – ehe ich auf den Bericht des Hessischen Datenschutzbeauftragten eingehe – kurz eine Einschätzung zu den Plänen der EU-Kommission zur Neuordnung des Datenschutzes in Europa geben.

Geschäftsmodellen, die wahllos Daten sammeln und riesige Datenmengen anhäufen, wird mit diesem Entwurf der Kampf angesagt. Er geht in die richtige Richtung. Er ermöglicht endlich, europaweit einheitliche, durchsetzbare Auskunfts- und Korrekturansprüche. Verbraucherinnen und Verbraucher können endlich mit ihrer Einwilligung zur Verarbeitung ihrer persönlichen Daten diese an Bedingungen knüpfen und sie sogar zeitlich befristen. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung.

Außerdem sieht dieser Entwurf endlich eine Sanktionsmöglichkeit gegenüber sogenannten Datenkraken vor. Vor dem Hintergrund, dass Google demnächst alle Daten aus den Accounts seiner Dienste zusammenführen, diese verknüpfen und dann gemeinsam auswerten will, um detaillierte Profile über die Nutzer zu erstellen, erkennen Sie schon die Brisanz und die Aktualität des Themas.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Solche Entwicklungen müssen gestoppt werden.

Diese positiven Neuregelungen auf EU-Ebene begrüßen wird. Wir wollen einen hohen Datenschutzstandard für alle EU-Länder sichern. Dafür gibt es unsere Unterstützung.

Was wir nicht wollen, ist, dass unsere gute, hohe Datenschutzkultur in Hessen durch die EU-Ebene untergraben wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der FDP sowie der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Aber in einem grundrechtssensiblen Bereich gehen uns GRÜNEN die Vorschläge nicht weit genug. Denn es sind nicht nur Unternehmen, die immer wieder durch neue Geschäftsmodelle ihre Profite aus Schutzlücken ziehen wollen, sondern das sind auch Innenminister, die unter anderem überzogene Überwachungsmaßnahmen fordern, die in keinem Verhältnis stehen.

(Zuruf des Ministers Boris Rhein)

Ich erinnere da nur an die anlasslose Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikations- oder Fluggastdaten. Diese Entwicklung muss gestoppt werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Herr Innenminister Boris Rhein, da Sie sich gerade von Ihrer Regierungsbank aus zu Wort melden: In dieser Auseinandersetzug haben Sie sich natürlich wieder in puncto Vorratsdatenspeicherung als Hardliner gezeigt und diese als unverzichtbares Instrument in der Terrorismus- und Extremismusbekämpfung gesehen – und dies, obwohl gerade eine vom Bundesjustizministerium in Auftrag gegebene Studie diese Annahme nicht bestätigt. Es wird darin festgestellt, dass die Vorratsdatenspeicherung keine nennenswerte Auswirkung auf die Aufklärungsquote hat. Stattdessen wird dort sogar davor gewarnt.

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

– Darüber können wir auch streiten. Aber gerade durch die Ansammlung gigantischer Datenbestände werden hier neue Missbrauchsgefahren, etwa durch unberechtigte Zugriffe von innen und außen, geschaffen. Ebenso steigt das Potenzial für die strategische Überwachung größerer Gruppen, etwa in den sozialen Netzwerken.

Herr Kollege Rudolph, wir können darüber diskutieren, wo die Gefahren liegen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie sehen, wir GRÜNE sehen uns in unserer Ablehnung zur anlasslosen Vorratsdatenspeicherung bestätigt.

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Herr Präsident, meine Damen und Herren, Herr Prof. Ronellenfitsch, ich denke, es wird das letzte Mal sein, dass uns ein Bericht des Hessischen Datenschutzbeauftragten in dieser Form vorgelegt wird. Durch die gemeinsame Wiesbadener Erklärung 2010 haben wir nicht nur die Absicht erklärt, sondern wir haben es auch im Juli 2011 geschafft, dass wir endlich eine unabhängige oberste Landesbehörde für den öffentlichen und privaten Datenschutz haben.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Der Bericht, den Sie uns noch einmal vorgelegt haben, gibt uns erneut einen Überblick über die verschiedenen Felder im hessischen Datenschutz.

Sie haben die schwarze Liste für die Lehrer angesprochen. Ich fand es erfreulich, dass Sie aufgezeigt haben, dass der Anlass korrekt war, aber die Umsetzung ausbaufähig gewesen ist und eine Regelung geschaffen worden ist, die mit dem Datenschutzrecht vereinbar ist.

Was ich ganz interessant fand, das ist eine Sache, die uns immer wieder in Ihren Datenschutzberichten beschäftigt. Vom 36. bis zum 38. Datenschutzbericht haben Sie immer wieder auf die mangelnde Löschfunktion im SAP-System hingewiesen; auch im 39. Bericht ist wieder ein Hinweis zu finden. Mittlerweile wissen wir, dass das dauert. Wir müssen feststellen, dass erst im ersten Quartal 2012 mit dem Umsetzungsprojekt begonnen werden kann. Da sehen Sie einmal, in welchen langen Zeiträumen von der Landesregierung gearbeitet wird. Wir sehen aber auf der anderen Seite, wie schnell sich die Bedingungen im Datenschutz ändern und überholt werden. Ich finde, da müssen Sie sich auch ein bisschen anstrengen. Da hätte ich etwas mehr von Ihnen erwartet.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Ronellenfitsch ist auf den privaten Datenschutz eingegangen, dass dieser Bericht ein bisschen dünn ausgefallen ist, und wir in Zukunft einen etwas ausführlicheren Bericht vorfinden werden. Wenn man sich die Zahlen von 2009 auf 2010 anschaut, dann kann man schon feststellen, dass es immerhin eine Steigerung von 926 auf 1328 Überprüfungen gegeben hat. Das ist ein Anstieg von über 40 Prozent. Das zeigt uns, in welche Richtung die Reise geht.

Nicht umsonst erhoffen wir uns durch die Zusammenlegung von öffentlichem und privatem Datenschutz gewisse Synergieeffekte, dass Sie in diesem Bereich zu mehr Überprüfungen kommen, und wir dann natürlich nicht nur Überprüfungen haben werden, sondern die Verstöße auch entsprechend geahndet werden können. Im privaten Datenschutz sind es hauptsächlich die Bereiche Auskunfteien, Adresshandel und Kreditinstitute. Dass lässt vermuten, was in Zukunft noch gearbeitet werden muss.

Sie sind aktuell auf den Zensus 2011 eingegangen. Wir haben uns damals durchaus kritisch zum Zensus geäußert. Ich bin froh, dass Sie das jetzt auch entsprechend überwachen. Ich bin auch froh darüber, dass Sie festgestellt haben, dass die Melderegister in den Kommunen in einem bedenklichen Zustand sind. Dies ist mit Sicherheit auch ein Thema, das uns in dem Bericht 2011 beschäftigen wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Frank Lortz:

Frau Kollegin Enslin, bitte denken Sie an die Redezeit.

Ellen Enslin:

Zum Abschluss möchte ich Ihnen für die gute Zusammenarbeit, für die tatkräftige Unterstützung bei der Zusammenlegung des öffentlichen und privaten Datenschutzes danken und natürlich auch für diesen Bericht. Ich hoffe weiterhin auf eine konstruktive Zusammenarbeit. Wir werden Sie weiterhin unterstützen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Vizepräsident Frank Lortz:

Vielen Dank, Frau Kollegin Enslin.