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08.12.2009

Ellen Enslin zur Änderung des Hessischen Kommunalwahlgesetzes

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bei einigen Argumenten stimme ich mit dem Herrn Kollegen Bellino überein. Ich denke, es ist unser aller Pflicht, der zunehmenden Politikverdrossenheit in der Bevölkerung und dem damit einhergehenden Rückgang der Wahlbeteiligung etwas entgegenzustellen.

Darüber wurde in diesem Haus schon mehrfach diskutiert. Nun liegen auch von der Koalition einige Vorschläge auf dem Tisch, welche Änderungen am Kommunalwahlgesetz und an anderen Gesetzen vorgenommen werden sollten.

Für einen Teil Ihrer Vorschläge haben wir durchaus Sympathie.

(Zurufe von der CDU)

Wir können verstehen, dass die politischen Entscheidungsprozesse für den Bürger und für die Bürgerin mittlerweile auch auf kommunaler Ebene schwer zu durchschauen sind. Aber ich denke, hier sind die Kommunal- und Stadtparlamente gefordert, den Spielraum, den sie haben, zu nutzen. Natürlich gibt es Kommunen, die den Sachverstand ihrer Bürgerinnen und Bürger nutzen und sie in neuen Beteiligungsformen mit einbinden. Aber es sind noch viel zu wenige.

Hier z. B. durch Bürgeranträge oder durch ein im Gesetz verankertes Fragerecht mehr Transparenz und Bürgernähe zu schaffen wäre eine echte Chance. Wenn man statt zu Bürgerversammlungen zu Einwohnerversammlungen einladen würde, wäre das ebenfalls ein Schritt in die richtige Richtung, unsere ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger stärker einzubeziehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Noch besser wäre es, das kommunale Wahlrecht für Ausländer einzuführen, damit es endlich eine echte Partizipation gibt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Ich denke, damit stehen wir gar nicht allein da; denn die Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte Hessen hat auf ihrer letzten Sitzung genau das gefordert.

Das Gleiche gilt für die Beteiligungsrechte von Jugendlichen. Hier verbindliche Instrumente zu schaffen ist möglich und notwendig, doch leider steht nichts davon in Ihren Vorgaben. Das ist von Ihnen nicht gewünscht. Wenn wir uns vorstellen, dass das Gesetz erst 2011 ausläuft, wünschen wir uns, Sie hätten diese Zeit besser genutzt, um Vorschläge zu machen, die zu mehr echter Beteiligung führen und auch erfolgversprechend sind.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mit den von Ihnen gemachten Vorschlägen sind Sie teilweise noch hinter Ihren früheren Forderungen zurückgeblieben, z. B. bei dem Termin für die zusammengefassten Jahresabschlüsse.

Was die Ein-Personen-Fraktionen betrifft, so findet es unsere volle Sympathie, dass diese endlich gleichberechtigt am parlamentarischen Geschehen teilnehmen können. Sie haben schon angedeutet, wozu dies gerade bei kleineren Parlamenten und bei Verkleinerungen führt. Zum Beispiel muss bei einem Elf-Personen-Parlament der oder die Abgeordnete mindestens 9 % der Wahlberechtigten hinter sich haben – aber dies ohne Fraktionsstatus und von vielen parlamentarischen Rechten ausgeschlossen. Sollte nicht gerade die Aufhebung der Fünfprozentklausel für mehr politische Vielfalt in unseren Parlamenten sorgen? Aber jetzt müssen wir feststellen, dass viele Parlamentarier nicht einmal mehr ein Rederecht in den Ausschüssen haben.

Sie haben angesprochen, dass auf dem Stimmzettel zusätzliche Angaben gewünscht werden. Wir denken, das ist einfach zu viel. Damit sind die Stimmzettel überfrachtet.

(Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich weiß auch nicht, wie das zu mehr Übersicht und Transparenz führen soll.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich weiß auch nicht, was zu der Meinungsänderung innerhalb der CDU-Fraktion geführt hat, wenn es z. B. darum geht, die Berufsbezeichnung mit aufzunehmen. Gerade bei den Angaben zum Alter oder bei der Nennung der Mädchennamen ist man haarscharf an der Grenze, an der das unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten kritisch zu betrachten ist.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU) – Demonstrativer Beifall bei der SPD)

– Geburtsname, Entschuldigung. – Aber ich weiß nicht, welchen zusätzlichen Mehrwert diese Angaben auf dem Stimmzettel den Wählerinnen und Wählern bringen. Ich denke, im Vorfeld, in der Wahlkampagne, haben Sie genügend Möglichkeiten, das nahezubringen. Aber auf einem solchen Zettel muss das wirklich nicht sein. Man muss sich das nur einmal anschauen: Die Stadt Frankfurt verteilt riesige Stimmzettel; darin können Sie mich bald einwickeln. Ich denke, das muss wirklich nicht sein. Das bringt auch nicht mehr Klarheit und Transparenz für die Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ferner haben Sie angesprochen, dass die Einführung des zusammengefassten Jahresabschlusses auf den 31.12.2015 verschoben werden soll. Auch wir sind der Meinung, dass durch die Aufstellung der doppischen Haushalte und die Abwicklung der Konjunkturprogramme die Kommunen eine enorme verwaltungstechnische Aufgabe zu lösen haben.

Präsident Norbert Kartmann:

Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Ellen Enslin:

Sollte die Doppik nicht gerade eingeführt werden, damit wir eine bessere Steuerungs- und Lenkungsmöglichkeit haben und der jährliche Werteverzehr der Vermögensteile aufgezeigt wird? Wenn die Jahresabschlüsse jetzt aber erst wesentlich später vorliegen, kann Fehlentwicklungen nicht mehr rechtzeitig entgegengewirkt werden. Gerade in Krisenzeiten ist es besonders notwendig, einen zeitnahen Überblick zu haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben es schon bemerkt: Wir werden die Anhörung konstruktiv begleiten. Aber wir haben durchaus unsere Kritikpunkte. – Danke schön.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)