Inhalt

18.11.2010

Ellen Enslin: Gesetz zur Änderung der Hessischen Gemeindeordnung

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der von den LINKEN vorgelegte Entwurf zur Änderung der Hessischen Gemeindeordnung sollte wohl ein großer Wurf werden. Herausgekommen ist eine unübersichtliche Änderung auf viel Papier, die leider handwerklich schlecht gemacht worden ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Peter Beuth (CDU) – Nancy Faeser (SPD): Allerdings!)

Das beste sind noch die Passagen zur Bürgerbeteiligung. Die haben Sie aus dem Gesetzentwurf der GRÜNEN aus dem Jahr 2008 abgeschrieben, z. B. der Einwohnerantrag oder die Petition auf Gemeindeebene – oder eben das geforderte Wahlrecht ab 16 Jahre. Das hat die damalige rot-grüne Landesregierung in der 14. Wahlperiode auf den Weg gebracht, doch von der neuen schwarz-gelben Regierung wurde das wieder einkassiert.

Liebe Kollegen und Kolleginnen von den LINKEN, wenn Sie schon gendern, dann gendern Sie bitte den Gesetzentwurf richtig durch: männlich und weiblich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hermann Schaus (DIE LINKE): Das wollten wir, aber das ist uns verboten worden!)

– Oh, dann können wir vielleicht noch einmal darüber reden.

Auffällig ist auch, dass die LINKEN jetzt einen neuen Begriff in die Hessische Gemeindeordnung einführen wollen: den Gemeindeangehörigen oder die Gemeindeangehörige. Es erschließt sich uns nicht, warum dieser Begriff eingeführt werden muss. Ich denke, das wird nur zu einer größeren begrifflichen Unübersichtlichkeit führen. Innovativ ist das nicht – da kann ich dem Kollegen Beuth recht geben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Peter Beuth (CDU)) – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ausnahmsweise!)

Bei Ihren Vorschlägen zum Ausländerbeirat bin ich etwas skeptisch. Die durchgeführten Ausländerbeiratswahlen haben mit ihrer extrem geringen Wahlbeteiligung gezeigt, dass es hier Änderungen geben muss. Dies aber allein am fehlenden Rede- und Antragsrecht festzumachen, greift nach unserer Meinung zu kurz.

In meiner Heimatgemeinde Usingen z. B. hat der Ausländerbeirat schon seit sehr langer Zeit ein Rederecht – aber die Wahlbeteiligung betrug dort trotzdem nur knapp über 10 %. Es kann also nicht nur daran gelegen haben. Wir müssen uns also auch andere Möglichkeiten erschließen.

Die bessere Berücksichtigung der Belange von Kindern und Jugendlichen kann durch Kinder- und Jugendbeiräte geschehen. Aber Kollege Siebel hat es aufgezeigt: Es gibt auch noch andere Möglichkeiten, Kinder und Jugendliche beispielsweise durch neue Kommunikationsmittel flexibler und altersgerechter einzubeziehen. Auch das sollten wir sehen.

Ein Beispiel für die ungenaue Arbeit der LINKEN bei der Änderung der Hessischen Gemeindeordnung ist § 8d. Dort wird zum Bürgerbegehren lapidar in Abs. 3 geschrieben: Das Gemeindebegehren muss bei der Gemeinde eingereicht werden. Weder wird eine Frist gefordert, noch müssen Deckungsvorschläge unterbreitet werden.

47 Es wird nicht gesagt, ob das schriftlich, elektronisch oder mündlich erfolgen soll. Ich denke, es ist doch ganz wichtig, wie dies gemacht werden soll. Das kann man doch nicht dem Zufall überlassen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann bitte ich Sie: Nehmen Sie Abs. 13 heraus. Der ist doppelt. Dann wird das wenigstens ein bisschen kürzer.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der CDU)

Es ist leider so. Die Abs. 12 und 13 sind identisch. Es geht noch weiter.

(Zuruf von der LINKEN – Gegenruf von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Glockenzeichen des Präsidenten)

Bisher hat die Gemeindevertretung über die Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens beschlossen. Das soll jetzt der Gemeindevorstand machen. Das sorgt unserer Meinung nach nicht für mehr Transparenz, sondern genau das Gegenteil ist der Fall. Es schwächt auch das Gemeindeparlament.

Den Kommunen wieder mehr Freiheiten bei der Erlassung ihrer Bausatzungen zu geben findet grundsätzlich unsere Zustimmung. Unser Vorschlag zur Hessischen Bauordnung liegt Ihnen ja vor. Da gehen wir sogar über das hinaus, was die LINKE gefordert hat. Liebe Kollegen und Kolleginnen von der LINKEN, dass Sie gern und viel Steuergeld ausgeben wollen wissen wir. Aber Ihr Vorschlag, z. B. Fraktionsgelder ohne Nachweis gewähren zu wollen, findet nicht unsere Zustimmung. Da es sich um Steuergelder handelt, muss hier auch weiterhin eine Kontrolle sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der FDP)

Es ist richtig: Die Kommunen haben zu kämpfen, die ihnen übertragenen Leistungen zu erfüllen. Hier die Einnahmen der Kommunen zu verstetigen, muss eine gemeinsame Aufgabe sein. Dazu gehört der von uns geforderte Schutzwall für die Kommunen bei der Schuldenbremse, aber auch endlich eine Reform des KFA und eine aufgabengerechte Finanzausstattung von Bund und Land für die übertragenen Leistungen. Die Vorstellungen der LINKEN zu den kommunalen Finanzen sind allerdings sehr abenteuerlich und einfach nicht verantwortungsvoll.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da Sie die Schuldenbremse grundsätzlich ablehnen und munter weiter staatliche Schulden machen wollen, verwundert es uns nicht, dass in § 92 der Haushaltsausgleich der Kommunen auf „angemessene Zeit“ vertagt werden soll. Sie nehmen Abstand von der Forderung, dass kommunale Haushalte grundsätzlich ausgeglichen sein sollten. Das stellt eine solide Haushaltspolitik auf den Kopf.

(Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Diese Vorstellungen kennen wir schon aus der Diskussion um die Schuldenbremse: Sich auf den mühsamen und unbequemen Weg zu begeben, durch Einnahmeerhöhung, Effizienzsteigerung und Einsparungen eine Haushaltskonsolidierung zu erreichen – dies als „grünen Offenbarungseid“ abzutun, zeigt doch nur, in welcher Traumwelt Sie leben.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Wie sollen die Kommunen denn die Einnahmen erhöhen?)

Auch bei den Vorschlägen zur vorläufigen Haushaltsführung sträuben sich einem die Nackenhaare. Der Haushalt ist die finanzielle Grundlage für die Politik in der Kommune. Deshalb sollte er form- und fristgerecht eingebracht werden. Wenn dies nicht gelingt, dann greifen die Auflagen der vorläufigen Haushaltsführung. Hier die notwendigen Vorgaben aufzuweichen, wie Sie vorschlagen, stärkt nicht die Kommunen, sondern es schwächt sie. Denn dadurch werden ungehemmter Ausgabenfreudigkeit Tür und Tor geöffnet, und eine notwendige Haushaltskonsolidierung wird verschleppt.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Haben Sie den gleichen Gesetzentwurf gelesen wie ich? Das kann ich mir nicht vorstellen!)

– Doch, genau wie Sie.

Der Vorschlag der LINKEN, die Leistungsfähigkeit der Kommunen im Vergleich zu ihrer wirtschaftlichen Betätigung unberücksichtigt zu lassen, ist haushaltspolitisch grob fahrlässig. Eine wirtschaftliche Betätigung birgt immer auch ein Risiko. Deshalb muss auch die Leistungsfähigkeit der Kommune dazu im Verhältnis gesehen werden. Alles andere ist unverantwortlich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zum Schluss möchte ich auf Ihren § 3 eingehen. Dort haben sie zu Recht die Konnexität zusätzlich angemahnt. Wenn es aber um die Bezifferung der Kosten geht, die diese HGO-Änderung für die Kommunen bedeuten würden, dann stehlen Sie sich aus der Verantwortung und kneifen bei der Angabe der entstehenden Kosten. Ich denke, dann müssen Sie sie auch hineinschreiben. Denn es werden nicht unerhebliche Kosten für den Landeshaushalt dadurch entstehen. Es sei denn, Sie wollen die Kommunen auf den Kosten sitzen lassen. Aber ich denke, das ist nicht Ihre Intention.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Frank Lortz:

Frau Kollegin Enslin, Sie sind so lieb und denken an mich und die Redezeit.

Ellen Enslin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Das wird eine muntere Debatte werden, und wir freuen uns schon darauf. – Danke schön.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Frank Lortz:

Vielen Dank, Frau Kollegin Enslin.