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26.01.2010

Ellen Enslin zu: Regierungserklärung des hessischen Ministers der Finanzen betreffend „Gute Zahlen – Gute Jobs, das Hessische Sonderinvestitionsprogramm wirkt“

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sie konnten gerade eine wundersame Wandlung des Finanzministers miterleben: vom „Ritter der traurigen Gestalt“, wie er des Öfteren in der Presse genannt worden ist, hin zum Held der mittelständischen Unternehmen und Kommunen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Kein Wunder, Milliardenverschuldung oder Untersuchungsausschuss sind alles andere als erquicklich. Erfolgsmeldungen zu präsentieren, ist da schon erfreulicher.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Herr Minister, wir gönnen Ihnen das von ganzem Herzen; denn der Mensch braucht auch seine Erfolgserlebnisse. Aber haben Sie da nicht ein bisschen übertrieben?

Nach den Lobeshymnen vom Finanzminister ist es an der Zeit, die rosarote Brille abzunehmen und mit klarem Blick zu schauen, inwieweit das Investitionsprogramm des Landes Hessen sein Ziel erreicht hat

(Zuruf der Abg. Judith Lannert (CDU))

und welche Nebenwirkungen es gehabt hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dass die Zinszahlungen des Landes vollständig über den KFA abgerechnet werden und auch die Kommunen an der Tilgung beteiligt sind, zeigt einen erheblichen Schönheitsfehler und dass auch die Kommunen einen Teil des Programms mittragen.

Zu Beginn des vergangenen Jahres drohten die Auswirkungen der Finanzkrise die Realwirtschaft zu erreichen, und die schlimmsten Befürchtungen – ein massiver Wirtschaftsrückgang stand im Raum – machten die Runde. Die Politik musste handeln. Neben Bankenrettungsschirm, der Vertrauen schaffen und ein Zusammenbrechen weiterer Banken nach Lehman Brothers verhindern sollte, wurde auf Bundesebene ein Konjunkturprogramm aufgelegt.

(Zurufe der Abg. Dr. Walter Arnold (CDU) und Judith Lannert (CDU))

– Entschuldigung. – So sollte der private Nachfrageeinbruch über zusätzliche staatliche Nachfrage ausgeglichen werden. Ein schlechter Versuch war die Abwrackprämie von 5 Milliarden Euro. Sie löste einen wahren Boom aus und bescherte der Automobilindustrie einen Umsatzzuwachs, der für viele Käufer sogar lange Lieferzeiten bedeutete. Aber es fehlte bei diesem enormen Markteingriff die ökologische Lenkungsfunktion völlig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Ministesr Karlheinz Weimar)

Vor dem Hintergrund der Klimakatastrophe war das verantwortungslos. Es kam dann nicht ganz so schlimm, weil etliche Käufer den Verbrauch stärker im Blick hatten. Aber hier wäre viel mehr möglich gewesen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dass der notwendige Abbau der Überkapazitäten in der Automobilindustrie durch diese Maßnahme nicht beschleunigt wurde, versteht sich von selbst. Es gab dabei auch einen weiteren Verlierer: das Handwerk. Gerade die kleinen freien Werkstätten, die das Salz in der Wettbewerbssuppe sind, haben dies zu spüren bekommen, ist doch auf lange Sicht ein Teil ihres Betätigungsfeldes weggebrochen. Das Gleiche gilt auch für Gebrauchtwarenhändler.

Zusätzlich zum Konjunkturprogramm hat das Land dann sein hessisches Sonderinvestitionsprogramm mit einem Volumen von 1,7 Millionen Euro aufgelegt. Da wurde richtig geklotzt.

(Zuruf des Abg. Dr. Walter Arnold (CDU))

– Milliarden, Entschuldigung. – Das übertraf alle Länderinitiativen bei Weitem. Mit enormen Summen sollte der hessischen Bauwirtschaft tatkräftig unter die Arme gegriffen werden, damit die prognostizierten Umsatzrückgänge ausgeglichen werden konnten. Das stand im Vordergrund.

Natürlich werden bei 1,7 Milliarden Euro Volumen Begehrlichkeiten geweckt, und die Gefahr der Korruption steigt. Unsere berechtigte Forderung nach mehr Transparenz und Offenheit in der Vergabe wurde leider nicht aufgenommen. Dass die Hessische Landesregierung dem Korruptionsschutz nur eine untergeordnete Rolle zuwies, haben wir zu Recht kritisiert.

(Zuruf der Abg. Judith Lannert (CDU))

Dass die Vergabegrenzen generös erhöht wurden und teilweise sogar noch über die der Bundesregierung hinaus ausgedehnt wurden, birgt eine enorme Gefahr. Als gebranntes Kind aus dem Hochtaunuskreis, den die Auswirkungen einer der größten Korruptionsaffären mit erschütterten, weiß ich genau, welche Gefahren hier lauern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Kontrolle und Transparenz sind das A und O zur Vorbeugung. Dieser Ansatz wurde zugunsten der unbürokratischen Abwicklung vernachlässigt.

(Zuruf des Abg. Dr. Walter Arnold (CDU))

Ebenso wurde versäumt, dieses Programm zielgerichtet auf notwendige Zukunftsinvestitionen auszurichten. Schnell sollte es umgesetzt werden, damit es sofort seine Wirkung entfalten kann. Wir GRÜNE haben mit unseren konstruktiven Vorschlägen versucht, es auf die richtige Schiene zu bringen.

Schiene ist ein gutes Stichwort; denn für die Schiene, sprich: ÖPNV, gab es aus diesem Programm nichts.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hier hat die Landesregierung die Chance vertan, den dringend notwendigen Richtungswechsel in der Verkehrspolitik einzuleiten. Die einseitige Entscheidung, 200 Millionen € in den Straßenbau zu investieren, aber keinen Euro für den notwendigen Ausbau des ÖPNV oder aber die Breitbandversorgung im ländlichen Raum einzusetzen, zeigt, dass wieder in die alte Denkweise verfallen wurde.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Torsten Warnecke (SPD) – Zuruf der Abg. Judith Lannert (CDU))

Wenn man sieht, dass es aus dem Konjunkturprogramm II des Bundes im Bereich Breitbandversorgung überhaupt keinen Mittelabfluss gab, dann sollte uns das zu denken geben. Statt der Kreiselflut in Hessen, bei der einem ganz schön schwindelig werden konnte, wären neue barrierefreie Busse und Bahnen oder Bahnhöfe, die eine einladende Visitenkarte für die Orte geworden wären, ein echtes Sommermärchen gewesen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels sind diese zukunftsweisenden Maßnahmen bei Bussen und Bahnen oder schnelle Datenautobahnen für eine immer älter werdende Gesellschaft wichtiger denn je; denn nicht nur die Jungen und die Wirtschaft, sondern auch die Älteren nutzen immer mehr die Möglichkeiten des Internets für ein selbstständiges Leben. Hier hat die Landesregierung klar versagt.

Natürlich haben wir die Sanierung der maroden Schul- und Hochschulgebäude begrüßt. Dass hier schnell gehandelt werden musste, um durch energetische Sanierung zukünftige Kosten zu reduzieren und auch das Klima zu schonen, ist doch keine Frage. Aber es darf auch nicht vergessen werden, dass hier jahrzehntelangen Versäumnissen abgeholfen wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Außerdem mutet es schon etwas befremdlich an, dass es eine Wirtschaftskrise braucht, damit hier dringend notwendige Investitionen in Schulen getätigt werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir es wirklich ernst meinen, dass Kinder und ihre Ausbildung in unserer Wissensgesellschaft für die Zukunft unserer Gesellschaft unentbehrlich sind, dürfen wir es nie wieder so weit kommen lassen. Es sollte auch nicht vergessen werden: Wir haben leider immer noch Schulgebäude, bei denen wir uns schämen sollten, dass Kinder in diesen Räumen unterrichtet werden. Diese oberste Priorität darf sich nicht nur in Lippenbekenntnissen, sondern muss sich auch in aktivem politischem Handeln widerspiegeln. Dafür tragen wir alle die Verantwortung.

Dass in die energetische Sanierung des kommunalen Wohnungsbaus und in Nahwärmenetze keine Mittel geflossen sind, das ist ein ausgesprochener Schwachpunkt. Diese ökologischen, sozialen und auch wirtschaftlich sinnvollen Maßnahmen hätten einen wichtigen Effekt auf die Konjunktur erzielen können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bei aller Notwendigkeit des Programms muss auch festgestellt werden, dass den kommunalen Investitionen keine klare Richtung vorgegeben wurde. Vom Katastrophenschutz über Sportstätten und Bürgerhäuser bis hin zum Kindergarten – die Skala war breit. Das bedauern wird ausdrücklich, birgt es doch die Gefahr, dass auch überflüssige Prestigeprojekte umgesetzt werden, die mehr Folgekosten als Folgenutzen bringen und die Haushalte dauerhaft Jahr für Jahr belasten.

(Zuruf des Ministesr Stefan Grüttner)

Nun ist das Programm 2009 erst langsam in Fahrt gekommen. Bis zum Jahr 2009 kämpften die Kommunen noch damit, ausreichenden Sachverstand in der eigenen Verwaltung oder externen Büros zu mobilisieren, um dieses Programm auf den Weg zu bringen. Hinzu kamen die Klagen, dass nicht alle Projekte bedient werden konnten. Nicht wenige Bauunternehmen gerieten an die Grenze ihrer Kapazitäten und konnten nicht alle Nachfragen bedienen.

Es kam zu extremen Engpässen, und das führte zwangsläufig zu der einen oder anderen Preiserhöhung, die nicht einkalkuliert worden war. Ich kann Ihnen aus meinem Kreis durchaus einige Beispiele nennen.

Ich muss Ihnen sagen: Das hat uns schon verwundert. Denn uns wurde immer wieder versichert, dass die notwendigen Kapazitäten vorhanden seien und die anfallenden Aufträge geradezu sehnsüchtigst erwartet würden.

Dass das Ministerium hier auf die Belange der Kommunen eingegangen ist und die Umsetzungsfrist verlängert hat, begrüßen wir. Dass allerdings das Innen- und das Finanzministerium nicht im Team, sondern unabgestimmt für sich gespielt haben, haben wir als eine Schwäche in der Umsetzung gesehen. Ich erinnere nur an die Vorabmeldung des Innenministeriums an die Sportvereine.

Natürlich hat dieses Programm seinen positiven Effekt auf dem Arbeitsmarkt hinterlassen. Aber auch das Instrument der Kurzarbeit wurde von den Unternehmen ausgiebig genutzt, um den Einbruch zu überbrücken. Die Unternehmer nutzten es allerdings zu flexibel, sodass da auch Missbrauch festzustellen war. Hier hätten wir gerne vom Ministerpräsidenten gehört, dass er deutliche Worte gegen die schwarzen Schafe in der Wirtschaft gefunden hätte, statt einseitig die ALG-II-Empfänger zu verunglimpfen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir fragen: Wo war da Ihre Kritik, Herr Minister?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dieses Milliardenprogramm hat aber anscheinend nicht alle Wünsche erfüllen können. Das Baugewerbe insgesamt klagt weiter über dramatische Umsatzeinbrüche im privaten und gewerblichen Bausektor, und auch im Straßenbau liegen für 2010 nur wenige Aufträge vor. Das Baugewerbe fordert schon die nächsten staatlichen Programme.

Hinzu kommt, dass die Baubranche über die mangelnde Zahlungsmoral der öffentlichen Auftraggeber klagt, weil die Schlusszahlungen oft erst zwei Jahre später eintreffen. Dies ist natürlich ein klares Indiz für mancherlei Baumängel, aber auch für die schwache Finanzausstattung der Kommunen, die sich hier einen zinslosen Kredit besorgen.

Vor dieser desaströsen finanziellen Situation dürfen Sie als Landesregierung die Augen nicht verschließen. Anstatt aus eigener Kraft den Landeshaushalt zu sanieren, wollen Sie den Kommunen dringend notwendige Mittel im KFA entziehen, ohne Rücksicht auf die Aufgabenerfüllung. Die Ankündigung der Landesregierung, ab dem kommenden Jahr den Kommunen 400 Millionen Euro im KFA zu entziehen, löste die erste Protestwelle aus. Ohne jegliches Gespür für die prekäre finanzielle Situation der Kommunen haben Sie erst einmal Fronten aufgebaut. Vielen kommunal Verantwortlichen schwante im Laufe des Jahres 2009 langsam, dass das in Berlin beschlossene Bürgerentlastungsgesetz der Großen Koalition Einnahmeverluste nach sich ziehen wird, die nicht zu kompensieren sind. Für die Jahre 2009 bis 2011 bedeutet es Einnahmeverluste von insgesamt 1,16 Milliarden Euro auf der kommunalen Seite – bei zusätzlichen finanziellen Belastungen, z. B. für die Betreuung der unter Dreijährigen. Diese Landesregierung hätte gut daran getan, sich mit den Jubelmeldungen über ihre angebliche Kommunalfreundlichkeit etwas zurückzuhalten. Nach dem politischen Handeln dieser Landesregierung Ende des vergangenen Jahres bleiben diese einem förmlich im Hals stecken.

Es war nach den Steuerschätzungen im Herbst vorauszusehen, dass die Einnahmen des Bundes, der Ländern und der Kommunen wegbrechen würden. In dieser hochsensiblen Phase hatte diese Landesregierung nicht genügend Mumm, an der Seite der Kommunen zu stehen und den Wahlgeschenken aus Berlin im Bundesrat Paroli zu bieten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und so verteilte kurz vor Weihnachten die schwarz-gelbe Regierung in Berlin noch einmal im Schnelldurchgang ihre steuerpolitischen Geschenke namens Wachstumsbeschleunigungsgesetz – ein bürokratisches Monstrum, das den Mehrwertsteuerdschungel noch undurchdringbarer macht, dafür aber Hoteliers, Unternehmen und Erben reichlich beschenkt. Die Familien sollen zwar durch einen höheren Steuerfreibetrag und ein erhöhtes Kindergeld gefördert werden, allerdings werden Bezieher niedriger Einkommen, die wenig oder gar keine Steuern zahlen, insbesondere Kinder von ALG-II-Beziehern, davon nur wenig profitieren, Besserverdienende dagegen umso mehr.

(Zurufe von der CDU)

Die Präsidentin des Deutschen Städtetages, Petra Roth, und Vertreter kommunaler Spitzenverbände haben schon frühzeitig darauf hingewiesen, dass durch die Wirtschaftskrise und durch Steuererleichterungen die Kommunen allein in diesem Jahr 7,5 Milliarden Euro weniger an Einnahmen haben werden. Im Zeitraum von 2010 bis 2013 muss sogar mit jährlichen Defiziten von 10 Milliarden Euro gerechnet werden. Bei den hessischen Landkreisen ist 2010 mit einem Defizit von 600 Millionen Euro zu rechnen. Es stehen Erhöhungen der Kreisumlage im Raum, die natürlich auch an die Kommunen weitergereicht werden. Wenn das sogenannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz seine volle Kraft entfaltet, dann ist das Einzige, was damit beschleunigt wird, die Verschuldung von Ländern und Kommunen. Bei voller Jahreswirkung bedeutet dies nämlich für das Land Hessen Einnahmeverluste von rund 240 Millionen Euro, und die hessischen Kommunen haben 150 Millionen Euro weniger. Wenn man dann noch daran denkt, dass das eine geringere Finanzausgleichsmasse zur Folge hat, dann kann man sich natürlich vorstellen, dass die hessischen Kommunen noch weniger erhalten. Auch wenn die Kollegen von CDU und FDP nicht müde werden, zu behaupten, dass sich dieses Programm über eine wachsende Wirtschaft selbst finanziere: Das ist eine Milchbubenrechnung, und die Erde ist eine Scheibe.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Dazu kommt, dass solche Mindereinnahmen im Landeshaushalt nicht ohne drastische Auswirkungen aufgefangen werden können, auch wenn Minister Weimar im Ausschuss lapidar meinte, dies durch eine sparsame Haushaltsführung auffangen zu können. Schon beim Haushalt 2010 sah sich diese Landesregierung außerstande, wichtige Projekte, wie die Verteilung von Schulobst an hessischen Schulen, zu finanzieren oder für die notwendige Schulsozialarbeit knapp 300 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Am Ende werden die Kommunen als Letzte in der Reihe wieder die sein, die gebeutelt werden und sich auf „Düstere Zukunft 2“ gefasst machen müssen.

Anstatt in dieser Krise an der Seite der Kommunen zu stehen und in Berlin gegen das Steuerpaket zu kämpfen, geht der Ministerpräsident auf Tauchstation und überlässt seinem Vize das Feld. Während andere Ministerpräsidenten deutliche Worte gefunden haben, gab Minister Hahn wohlfeile Tipps wie „den Gürtel enger schnallen“ oder „Standards senken“. So sieht nämlich die „Unterstützung“ der Kommunen durch die Landesregierung in Wirklichkeit aus. Nach den im Dezember vorgestellten Berechnungen des Hessischen Städte- und Gemeindebundes müssen sich die Kommunen infolge des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes im Jahr 2010 auf zusätzliche Verluste von 85 Millionen Euro bzw. im Jahr 2011 auf Einnahmeverluste von 150 Millionen Euro einstellen. Nachdem die Kommunen also die Streichlisten aus dem Projekt „Düstere Zukunft“ kaum verkraftet haben, hat diese Landesregierung ihnen damit schon den nächsten Schlag versetzt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Damit gefährdet sie die kommunale Infrastruktur in Hessen. Sie lässt die Kommunen bei ihren verzweifelten Bemühungen im Stich, weil sie in Berlin gegen sie arbeitet.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Wenn die schwarz-gelbe Bundesregierung ihre Drohung – nichts anderes ist das für die Kommunen – wahr macht und noch einmal 24 Milliarden Euro an Steuergeschenken für wenige zulasten vieler auf den Weg bringt, dann wird es im wahrsten Sinne des Wortes schwarz am kommunalen Finanzhimmel.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Vizepräsident Lothar Quanz:

Frau Kollegin Enslin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Milde?

Ellen Enslin:

Nein, danke. – Wer die Haushaltsberatungen in den Kommunen aufmerksam verfolgt, kann feststellen, wie die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister versuchen, ein Mindestmaß an kommunalen Leistungen zu erhalten. Wenn aber selbst Musterschüler wie Eschborn mit Millionendefiziten kalkulieren und für 2011 sogar noch mit Defizitsteigerungen rechnen, dann sieht es in Hessens Kommunen wirklich schlecht aus.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der CDU)

Hinter den Kommunen fährt Finanzminister Weimar und drückt aufs Gaspedal für Investitionen, und vor ihnen sitzt Innenminister Bouffier, der eine Vollbremsung macht und einen strikten Sparkurs fordert. Dazwischen sitzen die Kommunen. Mittlerweile formiert sich der Widerstand unter den Bürgermeistern, quer durch alle Parteien. Dass jetzt CDU-Landtagsabgeordnete die vom Minister versprochenen 240 Millionen Euro als Ersatz für zusätzliche Kosten der vom Land verordneten Aufstockung beim Kindergartenpersonal mit der 400-Millionen-Euro-Entnahme aus dem KFA vermischen wollen, ist doch nur eine billige Verquickung von Bereichen, die nichts miteinander zu tun haben. Das sollten wir vernünftig trennen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Als Fazit zum Sonderinvestitionsprogramm des Landes Hessen lässt sich feststellen: Diese Landesregierung hatte mit dem Sonderinvestitionsprogramm die große Chance, der Konjunktur die notwendigen Impulse zu geben und die Kommunen gleichzeitig in die Lage zu versetzen, dringend notwendige Investitionen vorzunehmen.

(Zuruf des Abg. Dr. Walter Arnold (CDU) – Weitere Zurufe von der CDU)

Und was hat sie daraus gemacht?

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Durch zu wenige Vorgaben wurde die Einleitung des notwendigen Richtungswechsels verpasst. Für Ihre machtpolitischen Vorteile in Berlin wurde die Verschärfung der kommunalen Finanzen in Kauf genommen.

Diese Landesregierung hat somit maßgeblich und bewusst dazu beigetragen, den Kommunen den finanziellen Boden unter den Füßen wegzureißen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Bei einem Programm mit einem Volumen von 1,7 Milliarden Euro, das mit einem Finanzierungszeitraum von 30 Jahren teilweise über die Lebensdauer der Investitionen hinausgeht, ist das nicht nur wenig, es ist ungenügend. Da hätten die hessischen Bürger und die Kommunen, aber auch die Wirtschaft mehr erwarten können. Das ist Ihnen leider nicht gelungen.

Sie sehen also: Wir sind in der Bewertung dieses Investitionsprogramms ein bisschen kritischer als Sie.

(Zuruf des Abg. Dr. Walter Arnold (CDU))

– „Ungerecht“, das ist nun wirklich etwas anderes. Das ist eine realistische, kritische Auseinandersetzung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wenn man bei einem Programm, das nicht vollständig umgesetzt ist und dessen Probleme noch nicht richtig zutage getreten sind, schon nach nicht einmal einem Jahr zu dem Mittel der Regierungserklärung greifen muss, dürfen Sie sich nicht wundern, dass wir das etwas kritischer begleiten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Lothar Quanz:

Vielen Dank, Frau Enslin.