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08.07.2009

Ellen Enslin zu Finanzen der hessischen Kommunen und zu Konsolidierung der öffentlichen Finanzen

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Konsolidierungsversuche der Landesregierung zum Haushalt beschränkten sich in der Vergangenheit überwiegend darauf, das Tafelsilber des Landes zu verscherbeln, anstatt das strukturelle Defizit von 1,5 Milliarden Euro erfolgreich anzugehen. Dann kamen die Initiativen und die Kommunen dran und spürten schmerzhaft die Einsparversuche. Da war die Landesregierung nicht zimperlich. Auf der einen Seite wurden hochelitäre Rennklubs mit Wohltaten bedacht, die, wie wir wissen, auch nicht geholfen haben, auf der anderen Seite wurden wichtige soziale Infrastrukturen ohne Vorankündigung zerstört.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Frauenhäusern, Schuldnerberatungsstellen und viele Initiativen wurden ohne Rücksicht auf Verluste die dringend notwendigen Zuschüsse gestrichen. *33Leidtragende waren neben den Initiativen auch die Kommunen, die, wenn sie wichtige Projekte nicht sterben lassen wollten, trotz ihrer schon angespannten finanziellen Situation eingesprungen sind.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Schon beim Haushalt 2009 hat der Finanzminister keine Chance ausgelassen, um immer wieder von der Rekordverschuldung in Höhe von rund 3 Milliarden Euro abzulenken und mit dem Finger auf den für Hessen ungerechten Länderfinanzausgleich zu zeigen. Meine Damen und Herren, da macht es sich der Minister ein bisschen zu einfach.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wer hat denn das Land bei den Solidarmodellverhandlungen der Bundesländer vertreten? Das waren doch Sie, Herr Minister Weimar. Natürlich können wir nachvollziehen, dass ein Geberland wie Hessen am Ende im Vergleich nicht schlechter dastehen möchte als vorher.

Zuruf des Abg. Peter Beuth (CDU))

– Herr Kollege Beuth, wir haben heute Morgen eine Diskussion über Stilfragen geführt. Halten Sie sich doch einfach einmal an Ihre Forderungen von heute Morgen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

In diesem Fall liegt es aber eben nicht nur am Länderfinanzausgleich, sondern auch an den Bundesergänzungszuweisungen. Ich kann den Unmut verstehen, wenn durch diese Zuschüsse an bestimmte Länder der Wettbewerb verzerrt wird, weil damit Maßnahmen, z. B. Neuansiedlungsboni, finanziert und damit Unternehmen auch aus Hessen abgeworben werden. Vom Jammern allein ändert sich die Situation aber nicht. Wir vermissen ein aktives und engagiertes Handeln, um diese – in Ihren Augen – Ungerechtigkeiten abzubauen. Wo ist denn da das Reformkonzept aus dem Hause Weimar? Darauf warten wir. Die Kommunen jetzt zusätzlich zur Kasse zu bitten und zudem den KFA ab 2011 um die stattliche Summe von 400 Millionen Euro zu reduzieren, ist schlicht einfallslos und trifft den Kern des Problems nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Es ist kein Wunder, dass die Kommunalen Spitzenverbände aufschreien. Wie wir gehört haben, geht das quer durch alle Parteien. Leider wurde in der Vergangenheit versäumt, die finanzielle Ausstattung der Kommunen endlich auf eine solide Basis zu stellen, die sie unabhängiger von Konjunkturschwankungen machen würde. An eine echte Gemeindefinanzreform hat man sich bislang nicht herangetraut. Stattdessen müssen die Kommunen immer mehr Aufgaben übernehmen, z. B. den gesetzlichen Anspruch für die Betreuung der über Dreijährigen, die etliche Löcher in den kommunalen Haushalten hinterließ. Auch der angestrebte Anspruch für unter Dreijährige wird die Kassen der Kommunen zusätzlich belasten.

Zudem  besteht die Gefahr, dass viele Kommunen die Mittel aus dem Bundesprogramm nicht nutzen können, weil sie sich die Kofinanzierung nicht leisten können. Allerdings müssen wir auch feststellen, dass die Kommunen in der Zeit sprudelnder Einnahmen ihre hohen Schulden nicht entsprechend abbauten – das hat diese Landesregierung auch nicht gemacht –, und natürlich gab es auch Kommunen, die von diesen hohen Einnahmen enorm profitierten. Es ist auch zutreffend, dass die Kommunen in den anderen Bundesländern einen geringeren Zuschuss als hier in Hessen bekommen. All das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Landesregierung gegenüber den Kommunen eine Verantwortung hat. Sie muss sie unterstützen, wichtige Zukunftsaufgaben bewältigen zu können, und darf sie nicht noch zusätzlich belasten.

Ich habe mich gefreut, dass Kollege Rock heute Morgen in der Diskussion um den Reichtums- und Armutsbericht noch einmal darauf hingewiesen hat, wie wichtig die Kommunen sind. Deshalb bitte ich Sie, denken Sie auch bei dem geplanten Abzug der Mittel aus dem KFA daran.

Die Zinslast für kommunale Investitionen im Rahmen von Bundes- und Landesprogrammen in Höhe von 1,7 Milliarden Euro soll aus dem KFA-Topf beglichen werden, sodass hierdurch ein zusätzlicher Mittelabzug entstehen wird. Gerade ärmere Kommunen, die die Konjunkturprogramme nicht voll ausschöpfen können, haben hier das Nachsehen. Es wird aber noch schlimmer kommen. Nach der aktuellen Steuerschätzung ist mit 8,7 Milliarden Euro Steuermindereinnahmen für den kommunalen Gesamthaushalt zu rechnen. Für 2010 geht die Prognose sogar von 10,7 Milliarden Euro Steuermindereinnahmen aus. Diese Einnahmeverluste sind zum Teil auf die Wirtschaftskrise zurückzuführen. Sie sind auch auf Steuerrechtsänderungen zurückzuführen, die die Kommunen zusätzlich belasten. Für die hessischen Kommunen bedeutet das geringere Zuweisungen aus dem kommunalen Finanzausgleich für das Jahr 2009 in Höhe von ca. 115 Millionen Euro und für 2010 in Höhe von 350 Millionen Euro Für 2011 ist sogar mit einem Minus von 400 Millionen Euro zu rechnen – und dann kommen Sie noch mit Ihren Kürzungen in Höhe von rund 400 Millionen Euro.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

All das sollen die Kommunen auffangen – plus der wahrscheinlich massiv steigenden sozialen Lasten aufgrund der Wirtschaftskrise. Das können Sie so nicht schaffen.

Wenn die 400 Millionen Euro ab 2011 gestrichen werden, besteht die Gefahr, dass die Kommunen dann auf zusätzliche Investitionen verzichten müssen und die öffentliche Nachfrage einbricht. Dann verpufft der gewollte Effekt Ihres Konjunkturprogramms, das Sie heute Morgen so hochgejubelt haben.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Keine Frage, wir müssen an die Reform des Kommunalen Finanzausgleichs heran.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Er muss wieder seine Hauptfunktionen erfüllen und den Grundsatz der aufgabenbezogenen Finanzierung für alle Kommunen verwirklichen. Kommunen, die überörtliche Aufgaben erfüllen, müssen bei gleicher Finanzkraft entsprechend höhere Zuweisungen erhalten.

Der neu strukturierte KFA muss den demografischen Wandel adäquat berücksichtigen, einen modernen Sozialstrukturausgleich beinhalten und die Kulturfinanzierung neu regeln. Er muss die Kommunen mit besonders hoher Finanzkraft stärker heranziehen, und er muss – das ist besonders wichtig – für finanzschwache Kommunen größere Anreize bieten, sich um eigene Einnahmen zu bemühen.

(Leif Blum (FDP): Da bin ich mal gespannt, wie die Frankfurter das finden!)

Bis heute ist die Landesregierung ein Reformkonzept dazu schuldig geblieben. Dem KFA einfach 400 Millionen € zu entziehen ist ein billiges Abwälzen auf die Kommunen. Ein unsystematischer, singulärer Eingriff hilft hier auch nicht weiter.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es muss mit den Kommunen endlich einen breiten Diskussionsprozess geben. Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, die dringend notwendige KFA-Reform einzuleiten.

Die SPD hat recht, wenn sie erklärt, dass das pauschale Streichen von 400 Millionen Euro kein vernünftiger Umgang mit den Kommunen ist.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Wir alle sind aber auch in der Pflicht, zu sagen, wie der KFA zukunftsfähig gestaltet werden kann. Hierzu machen wir in unserem Änderungsantrag einen Vorschlag und bitten Sie um Ihre Zustimmung. Es freut uns, dass die SPD unsere Vorschläge übernimmt.

Zum CDU/FDP-Antrag kann ich nur sagen: Er ist widersprüchlich. Wir haben einfach einen besseren Vorschlag gemacht. – Danke schön.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)