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10.05.2012

Ellen Enslin: Schutzschirm reicht nicht aus – chronische Unterfinanzierung der Kommunen erfordert grundlegende Reform

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben uns schon in der Vergangenheit ausführlich mit dem Schutzschirmgesetz auseinandergesetzt. Es ist erfreulich, dass CDU und FDP unsere Anregungen bezüglich eines Beirats bei der Wirtschafts- und Infrastrukturbank aufgenommen haben und dass eine Abweichung von der vorgegebenen Liste möglich sein wird sowie dass man auch von den vorgegebenen Höchstbeträgen für die Kommunen abweichen möchte.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Das sind Bedenken gewesen, die in der Anhörung geäußert worden sind. Ich denke, das ist zu Recht gewesen. Deshalb freue ich mich, dass Sie diese Anregungen aufgenommen haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Das ist deshalb wichtig, weil in der Anhörung ganz klar wurde, dass die Kommunen und Kreise eben doch sehr unsicher sind, weil sie nicht wissen: Wie sind die Kreditverträge gestaltet, z. B. zu welchen Referenzzinssätzen sollen die Kommunalkredite abgelöst werden? – Deshalb ist es wichtig, dass wir einen Beirat haben; denn dort können die kommunalen Verbände die Interessen der Kommunen bei der Verwaltung und auch bei der Refinanzierung der abzulösenden Kredite direkt vertreten.

Das ist eine klare Verbesserung im Verhältnis zum ursprünglichen Entwurf, und das bietet auch mehr Klarheit. Denn das muss man auch einmal sagen: Wenn man sich den Schriftverkehr zwischen dem Finanzministerium und den betroffenen Schutzschirmkommunen anschaut, stellt man fest, dass es doch etliche Ungenauigkeiten im Gesetzentwurf gegeben hat. Der Minister musste so einiges klarrücken. Deshalb bin ich der Meinung: Die dritte Lesung lohnt sich, denn es ist für die Kommunen eine Verbesserung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Dass CDU und FDP allerdings daran festhalten, die Kommunalaufsicht der Schutzschirmkommunen unter 50.000 Einwohnern an die Regierungspräsidien abzugeben, das lehnen wir ganz klar ab. Das wird zu unvertretbaren Doppelstrukturen führen, und das wird auch noch zusätzlich kosten. Gerade die Kollegen von der FDP halten immer die Verwaltungseffizienz hoch. Verwaltungseffizienz sieht in diesem Fall wirklich ganz anders aus.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Die von Herrn Noll geäußerte Kritik, die Landkreise könnten ihrer Aufgabe bezüglich der Kommunalaufsicht der Schutzschirmkommunen nicht ordnungsgemäß nachkommen, das kann auch nicht so stehen gelassen werden.

(Beifall des Abg. Manfred Görig (SPD))

– Danke schön. – Denn zu Recht wehren sich die Landkreise dagegen. Sie haben durch ihre räumliche und personelle Nähe die Möglichkeit, auf die spezifischen Verhältnisse der Schutzschirmkommunen angemessen einzugehen. Gerade das ist wichtig. Wir haben darum gerungen, dass in den Gesetzestext noch der Zusatz kommt: „individuelle Vereinbarung“, damit gewährleistet bleibt, dass bei allen Auflagen auch die kommunale Selbstverwaltung der Kommunen respektiert bleibt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Manfred Görig (SPD))

Trotz der vorgelegten Änderung bleibt aber auch festzustellen: Der Entschuldungsfonds reicht für die Kommunen nicht aus.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Er darf nicht als Einzelmaßnahme betrachtet werden, auch wenn er da gar nicht so schlecht aussieht, sondern er muss in der Gesamtheit aller Aktivitäten der Landesregierung für die Kommunen gesehen werden. Da ist die Bilanz ernüchternd und enttäuschend.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erinnere nur an das nicht eingehaltene Versprechen gegenüber den Kommunen, z. B. bei der Mindestverordnung oder auch an den unsystematischen KFA-Entzug dieser Landesregierung von mehr als 340 Millionen Euro. All das belastet die Kommunen zusätzlich.

Der Entschuldungsfonds wird an der chronischen Unterfinanzierung der Kommunen nichts Wesentliches ändern. Hier muss das Land endlich seiner Verantwortung nachkommen, im Rahmen seiner Möglichkeiten für alle Kommunen eine auskömmliche Finanzausstattung sicherzustellen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hier brauchen wir endlich eine Verstetigung des Finanzausgleichs zwischen Land und Kommunen. Wir brauchen endlich eine Reform des KFA, der die veränderten Bedingungen, wie den demografischen Wandel und die Sozialstruktur in den Kommunen angemessen berücksichtigt. Deshalb kann ich unsere grüne Forderung an die Landesregierung nur noch einmal bekräftigen: Machen Sie endlich Ihre Hausaufgaben. Den Kommunen läuft die Zeit davon.

Wenn ich hier auf die Regierungsbank schaue, dann bin ich ziemlich enttäuscht.

(Zuruf der Abg. Mürvet Öztürk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Denn ich kann mich gut erinnern, dass der Entschuldungsfonds ein ganz spezielles Projekt des Ministerpräsidenten gewesen ist.

(Zuruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Zurufe von der CDU)

Ich denke, es wäre angemessen gewesen, dass er heute, wenn das hier so gelobt wird, speziell von Ihrer Seite, hier ist und dazu steht. Deshalb kann ich nur noch einmal sagen: Ich würde mich freuen, wenn der Ministerpräsident hier sitzen würde.

(Zurufe von der CDU – Zuruf der Abg. Judith Lannert (CDU))

– Der Ministerpräsident, Entschuldigung.

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU) – Weitere Zurufe von der CDU)

Das wäre schön gewesen. Aber der Finanzminister ist natürlich da. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))