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06.10.2011

Ellen Enslin: Kommunen in Not

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In den Kommunen erleben Bürgerinnen und Bürger staatliches Handeln und demokratische Mitbestimmung direkt und unmittelbar. Hier werden elementare Leistungen der Daseinsvorsorge für die Bürgerinnen und Bürger erbracht, von der Kinderbetreuung bis hin zur Förderung und zur Beratung in schwierigen Lebenssituationen. In den Kommunen sitzen die ersten Ansprechpartner für die Bürgerinnen und Bürger. Daneben müssen sich die Kommunen auf den demografischen Wandel einstellen und wichtige Integrationsarbeit leisten. Dies müssen sie unter erschwerten Bedingungen leisten, denn die finanzielle Situation der Kommunen in Hessen hat sich dramatisch zugespitzt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dafür brauchen die Kommunen eine angemessene Finanzausstattung.

Kollege Schmitt hat es angesprochen. Die hessischen Kommunen haben einen Anteil von 34 Prozent am gesamtdeutschen Finanzierungsdefizit der Kommunen. Nach der Steuerschätzung im Mai dieses Jahres müssen die Kommunen auch weiterhin mit einem viel geringeren Einkommensteueraufkommen rechnen. So haben sie im Jahr 2011 erhebliche Fehlbeträge zu erwarten. Hinzu kommen natürlich noch die 4,9 Milliarden Euro an Kassenkrediten, die sie vor sich herschieben.

An dieser Entwicklung trägt auch die Landesregierung ihren Anteil – nicht nur, das wäre zu einfach, aber eben auch wesentlich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Torsten Warnecke (SPD) und Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Dazu gehören Ihre Aktivitäten im Bundesrat, wo durch die entsprechenden Steuererleichterungen den Kommunen z. B. die notwendigen Steuereinnahmen dauerhaft verloren gehen.

Was aber besonders ärgerlich ist: Diese Landesregierung wird ihrer Verantwortung gegenüber den Kommunen nicht gerecht. Statt konstruktive Lösungsvorschläge zu bringen, werden die berechtigten Klagen der Kommunen als „gefühlte Situation“ oder „psychologisches Moment“ abgetan.

Bei den Finanzen der Landkreise sieht es nicht besser aus. Für das Jahr 2011 hat kein Landkreis einen ausgeglichenen Haushalt vorgelegt.

(Günter Rudolph (SPD): Außer dem Hochtaunuskreis – dort wohnen die meisten Millionäre! – Gegenruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Die Antwort auf unsere Anfrage, welche Auflagen für eine Haushaltsgenehmigung erfüllt werden müssen, liest sich wie eine Giftliste für die kommunale Selbstverantwortung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun will die Landesregierung endlich einen Vorschlag zur Reform des KFA machen. Wir GRÜNE sind gespannt. Unser Konzept zur Reform des KFA wird von den Kommunen schon reichlich diskutiert, wie wir aus den Rückmeldungen, die uns erlangt haben, feststellen können. Kein Wunder, dass das Verhältnis zwischen der kommunalen Familie und dem Land auf einem Tiefpunkt angekommen ist. So viele Klagen gegen eine Landesregierung gab es noch nie, und zwar in doppeltem Sinne.

Ich erinnere nur noch einmal daran: die Demonstration der Bürgermeister im November 2010, es wird gegen die Mindestverordnung der Personalausstattung in den Kitas geklagt, die Konnexitätskommission wird angerufen. Es gibt eine Klage gegen die Kompensationsumlage. Es wird Klagen der drei Landkreise, Bergstraße, Waldeck-Frankenberg und Werra-Meißner für eine angemessene Finanzausstattung geben.

(Zuruf des Abg. Peter Stephan (CDU))

– Ein Landkreis überlegt ja noch, damit soll doch entsprechend Druck aufgebaut werden. Sie können jetzt nicht sagen, dass man mit den Landkreisen Hand in Hand geht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Große Kommunen mussten eine Pressekonferenz geben, um noch einmal deutlich zu machen, wie ihre Finanzausstattung aussieht. Beim Haushalt 2012 hat diese Landesregierung dann noch eins drauf gelegt. Neben den 350 Millionen € Entzug aus dem KFA, müssen die Kommunen zusätzlich noch 20 Millionen € beim ÖPNV verschmerzen.

(Zuruf des Abg. Alexander Bauer (CDU))

Damit das alles nicht ganz so schlimm aussieht, werden die Einnahmen der Kommunen schöngerechnet, indem man die Wirtschaftsentwicklung ganz positiv sieht. Meine Damen und Herren, kommunale Selbstverwaltung braucht eine angemessene Finanzausstattung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Alexander Bauer (CDU))

Selbstverständlich müssen auch die Kommunen ihren Beitrag dazu leisten, da vermisse ich zielführende Vorschläge. Zu sagen: Wir haben alle Einsparpotenziale ausgeschöpft – greift da zu kurz. Auch die Kommunen müssen ihrer Verantwortung entsprechend gerecht werden. Hier müssen Kommunen und Land, jeder an seiner Position, konstruktiv arbeiten. Bisher liegt von dieser Landesregierung kein Vorschlag vor, den Kommunen schnell und unbürokratisch zu helfen. Der mit viel Eigenlob angekündigte Entschuldungsfonds wird den Kommunen erst 2013 finanzielle Entlastung bringen. Kein anderes Bundesland macht ein solches Angebot – war von Finanzminister Schäfer zu hören.

Vizepräsident Frank Lortz:

Frau Kollegin Enslin, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ellen Enslin:

Hessen ist dabei nicht Vorreiter. Wen wundert es: Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sind dort schon weiter. Ich kann Ihnen nur empfehlen, gehen Sie einmal nach Rheinland-Pfalz und gucken Sie, wie die Kollegen das da machen.

(Zuruf des Abg. Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Holger Bellino (CDU))

Der hessische Vorschlag, 3 Millionen Euro über 30 Jahre zu verteilen, bringt für die Kommunen nur einen geringen Entlastungseffekt.

(Zuruf des Abg. Peter Stephan (CDU))

Ich kann nur sagen, wenn sie es über zehn Jahre machen, schaffen Sie gerade einmal, die 350 Millionen Euro, die Sie jährlich den Kommunen entziehen, so auszugleichen.

Vizepräsident Frank Lortz:

Frau Kollegin Enslin, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ellen Enslin:

Nehmen Sie unsere Vorschläge auf. Nehmen Sie die Notsignale der Kommunen ernst. Handeln Sie entsprechend schnell und wirksam. Wir brauchen keine Sonntagsreden für die Kommunen, sondern aktive Hilfe. – Danke schön.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Vizepräsident Frank Lortz:

Vielen Dank, Frau Kollegin.