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15.12.2011

Ellen Enslin: Kommunaler Schutzschirm

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Wagner, wir müssen diesen Schutzschirm für die Kommunen überhaupt nicht kleinreden, aber Sie müssen ihn anscheinend aufblasen und mit – –

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

– Schön wärs, wenn bei den Kommunen so viel in der richtigen Zeit ankommen würde.

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Liebe Kollegen – besonders die Kollegen von CDU und FDP –, schon im September hat der Ministerpräsident vollmundig einen Schutzschirm für die Kommunen angekündigt. Man darf allerdings nicht vergessen, dass es schon in dem Jahr, auch im September 2010, z. B. in Rheinland-Pfalz eine Rahmenvereinbarung zwischen den Kommunalen Spitzenverbänden und der dortigen Landesregierung gab.

(Zuruf von der CDU)

Dann war lange nichts mehr zu hören, aber daran sind wir bei dieser Landesregierung gewöhnt: Es gibt vollmundige Ankündigungen, und dann kommt erst einmal lange nichts.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dabei hat sich die finanzielle Situation der hessischen Kommunen dramatisch zugespitzt. Mittlerweile haben sie einen Anteil von 34 % am gesamtdeutschen Finanzierungsdefizit aller Kommunen, und dabei haben sie noch 4,9 Milliarden Euro Kassenkredite, die sie vor sich herschieben müssen. Bei den Landkreisen sieht es noch schlimmer aus. Daran trägt auch diese Landesregierung ihren Anteil, nicht nur, das wäre zu einfach, aber eben wesentlich. Mit ihren Beschlüssen im Bundesrat hat sie natürlich auch maßgeblich dafür gesorgt, dass den Kommunen notwendige Steuereinnahmen verlorengingen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der Regierungsbank)

Das hat natürlich auch Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen Land und Kommunen, denn das können Sie doch auch nicht wegdiskutieren: So viele Klagen wie bisher gab es gegen das Land Hessen noch nie, ob es die Mindestverordnung bei der Personalausstattung in den Kitas ist oder ob mehrere Landkreise und Kommunen gegen das Land klagen, weil sie der Meinung sind, dass das Land seiner verfassungsmäßigen Verantwortung nicht nachkommt und nicht für eine entsprechende Finanzausstattung der Kommunen und Landkreise sorgt.

In dieser Situation stellen Sie sich hin und wollen Ihren Entschuldungsfonds als großen Wurf feiern lassen, nach dem Motto: Hessen setzt bundesweit Maßstäbe. Bei genauerem Hinschauen entpuppt sich dieser Rettungsschirm allerdings als Mogelpackung. Erst werden den Kommunen jährlich 340 Millionen Euro aus dem KFA entzogen und dann werden ihnen gerade einmal 100 Millionen Euro jährlich zurückgegeben. Ihre hochgerechneten 3 Milliarden Euro ergeben sich dann über 30 Jahre.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Peter Stephan (CDU))

Ein gewisser Fortschritt zu den ersten Überlegungen ist festzustellen, dass das Land nicht mehr den kompletten Fonds für die Tilgung der kommunalen Schulden vorsieht, sondern dass es jetzt auch möglich sein soll, einen kleinen Teil für Zinszahlungen zu nutzen. Dies erhöht die Flexibilität und mindert die Belastungen der betroffenen Kommunen. Aber die dreißigjährige Laufzeit ist weit von den Wünschen der Kommunen entfernt. Andere Länder haben ihre Hilfen auf erheblich kürzere Zeiträume angesetzt. Das bringt den Kommunen nämlich eine schnellere und wirksamere Hilfe.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Ob der Rettungsschirm die kommunalen Finanzen nachträglich verbessert, sei dahingestellt. Oder wie ist die Warnung des Hessischen Städte- und Gemeindebundes zu verstehen, der vor allzu großen Erwartungen warnt? Die Teilentschuldung der besonders stark verschuldeten Kommunen wird nämlich nichts ändern, weil sich dort die Schulden wegen der schlechten Einnahmesituation weiterhin auftürmen werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Dann möchte ich schon noch einmal zu bedenken geben, dass das Land Rheinland-Pfalz, das Sie öfter schelten, den Kommunen bereits für 2012 Hilfe angeboten hat und die Hilfe auch wirken kann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Peter Stephan (CDU): Mit unserem Geld!)

Aber der Rettungsschirm in Hessen kann eben erst 2013 seine Wirkkraft entfalten.

Das bedeutet für die Kommunen, dass sie sich in finanziell harten Zeiten eben noch ein Jahr hinüberretten müssen. Ich kann nur sagen: Wer Erste Hilfe wirksam leisten will, darf sich nicht jahrelang damit beschäftigen, den Notfallkoffer zu packen. Er muss dann auch wirklich Erste Hilfe leisten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Ob es wirklich ein attraktives Angebot für die Kommunen ist, wird sich erst noch herausstellen. Bei den Auflagen ist leider zu befürchten, dass der zusätzliche Nutzen nicht im angemessenen Verhältnis steh, dass die Kommunen einen Teil ihrer Autonomie dafür abgeben. Deshalb sind wir Grünen der Meinung: Dieser Schutzschirm reicht nicht aus, sondern auch der KFA muss zu einem leistungsfähigen Finanzverbund zwischen Land und Kommunen umgestaltet werden, damit die kommunale Selbstverwaltung gestärkt wird und neue Spielräume eröffnet werden. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsident Lothar Quanz:

Danke, Frau Enslin.