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31.01.2013

Ellen Enslin: Änderung des Friedhofs- und Bestattungsgesetzes

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute beraten wir auch einen Vorschlag der Fraktionen der CDU und der FDP, die Sargpflicht in Hessen zu lockern. Dazu kann ich nur sagen: na endlich.

Die Aufhebung der Sargpflicht ist ein Schritt in Richtung Integration. Herr Kollege Franz hat das schon ausgeführt. Wer hier lebt, soll hier auch sterben und begraben werden dürfen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Menschen mit muslimischem Migrationshintergrund müssen die Gräber ihrer Familienmitglieder in ihrer deutschen Heimat besuchen können. Die Entscheidung für ein Begräbnis hier ist ein entscheidender Schritt zur Identifikation mit der neuen Heimat. Dafür braucht es aber einen rechtlichen Anspruch.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich der Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der FDP als eine nur unzulängliche Lösung. Er bleibt weit hinter den Erwartungen zurück, die von den verschiedenen Experten in der Anhörung des Parlaments zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und der GRÜNEN vorgetragen wurde.

Mitnichten gestattet die vorgeschlagene Regelung der Fraktionen der CDU und der FDP erstmals die Bestattung ohne Sarg, wie es im Begründungstext vollmundig versprochen wird. Das war auch schon vorher möglich. Gemäß § 18 Abs. 2 Hessisches Friedhofs- und Bestattungsgesetz konnte der Gemeindevorstand in der Vergangenheit auch Ausnahmen nach Anhörung machen. Das ist auch geschehen, wie einige Anzuhörende bestätigten. Das geschah aber eben nur in wenigen Einzelfällen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen, das hat Sie dazu verleitet, der Meinung zu sein, eine Änderung des Hessischen Friedhofs- und Bestattungsgesetzes sei gar nicht notwendig. Es ist also erfreulich, dass Sie sich immerhin mit dem Thema noch einmal befasst haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nach langem Nachdenken haben Sie diese kleine Gesetzesänderung vorgelegt. Es wäre aber auch gut gewesen, wenn Sie aus der Anhörung die richtigen Schlüsse gezogen hätten. Denn mit Ihrem Vorschlag wird es keine wesentlichen Verbesserungen geben. Sie wollen die Sargpflicht aus religiösen Gründen nicht grundsätzlich aufheben,

(Zuruf von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

sondern das auch weiterhin in das Ermessen des Gemeindevorstands stellen, obwohl es keinen sachlichen Grund gibt, weiterhin an der Sargpflicht festzuhalten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weltanschauliche Gründe bleiben bei CDU und FDP gänzlich unberücksichtigt, obwohl das nach dem Grundgesetz auch geschützt ist. Das ist ganz und gar nicht zeitgemäß.

Zu einer modernen und weltoffenen Gesellschaft gehört es, die Pluralität und die unterschiedlichen Wünsche der Menschen, unabhängig davon, ob sie religiöser oder weltanschaulicher Natur sind, auch bei der Bestattung zu respektieren. Der vorgelegte Vorschlag der Fraktionen der CDU und der FDP wird dem nicht gerecht. Denn es kann kein rechtlicher Anspruch abgeleitet werden. Aber nur ein Anspruch, also etwas ohne Hürde, würde es den Muslimen erleichtern, sich auch über den Tod hinaus für ihre neue Heimat zu entscheiden.

Ich gebe Ihnen noch einmal zu bedenken: Muslime sind die zweitgrößte Religionsgemeinschaft in Hessen. Da müssen Sie sich doch endlich einmal bewegen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dieter Franz (SPD))

Daneben wollen wir GRÜNE auch, dass die Kommunen die Möglichkeit haben, durch eigene Satzung zu beschließen, dass Grabsteine aus Kinderarbeit auf dem Friedhof nicht mehr verwendet werden dürfen. Herr Kollege Franz hat es schon vorweggenommen: Unser Vorschlag fand in der Anhörung einhellige Zustimmung.

Insgesamt muss ich feststellen: Der Vorschlag der Fraktionen der CDU und der FDP ist unzureichend. Er ist hoffnungslos gestrig und stellt zudem die betroffenen Menschen weiterhin vor die enorme Hürde, in einem Anhörungsverfahren die Ausnahme von der Sargpflicht beantragen und dies mit religiösen Gründen rechtfertigen zu müssen. Dies geschieht in einer sie persönlich sehr belastenden Situation.

Ich kann den Kollegen von den Fraktionen der CDU und der FDP nur sagen: Sie hatten nicht mehr die Kraft, einen modernen und zeitgemäßen Entwurf für ein Bestattungsgesetz vorzulegen, das als Gesetz einen echten Anspruch auf sargfreie Bestattung aus religiösen oder weltanschaulichen Gründen gewähren würde. Da haben die Menschen in Hessen etwas Besseres verdient. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))