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23.05.2013
Portraitfoto von Angela Dorn vor grauem Hintergrund.

Angela Dorn: „Steinreiches“ Hessen – Rohstoffsicherheit in Hessen nicht gefährden

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Lenders, Ihr Wahlkampfgetöse ist einfach lächerlich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Zum zweiten Mal versuchen Sie jetzt, unsere Abgabe auf Kies und Sand als Thema hochzuziehen. Sie schildern dieselben abgedroschenen Bedrohungsszenarien: Wir GRÜNE würden ganze Wirtschaftszweige zerstören.

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

– Herr Irmer, ich komme gleich auf diesen Punkt zu sprechen. Sie brauchen sich nicht immer gleich aufzuregen, wenn ich am Rednerpult stehe.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Arbeitsplätze würden durch die Umsetzung unserer Ideen verloren gehen. Herr Irmer, informieren Sie sich doch in Bundesländern, in denen unter anderem auch die CDU an der Regierung beteiligt ist: in den ostdeutschen Bundesländern.

(Zurufe von der CDU)

Dort wird eben diese Kiesabgabe erhoben. Übrigens wird sie auch in Niedersachsen und in Schleswig-Holstein schon seit Jahren erhoben, allerdings auf Kiese auf Sande aus dem Meer. Dort gibt es keinen Aufschrei aus der Wirtschaft. Das ist auch kein Wunder. Schauen Sie sich einmal die Summen an – Herr Lenders ein bisschen Information würde Ihnen manchmal guttun –, die bei dieser Kiesabgabe herauskommen. Wir reden in Thüringen – unser Nachbarland, von der Geografie her ähnlich strukturiert wie Hessen – von 1,5 bis 2 Millionen Euro jährlich.

(Zuruf des Justizministers Jörg-Uwe Hahn)

– Das ist ja gar nichts, genau. Herr Hahn, das ist absolut richtig. Das ist kaum etwas.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Justizminister Jörg-Uwe Hahn)

– Wenn Sie Zwischenrufe machen, während ich rede, glaube ich – –

Vizepräsident Heinrich Heidel:

Wir haben uns darauf geeinigt, dass von der Regierungsbank aus keine Diskussionen geführt werden.

Angela Dorn:

Herr Hahn redet mit sich selbst; das ist eine neue Information.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Das Aufkommen aus dieser Abgabe wird vielleicht gerade dazu reichen, dass wir die Umweltschäden beseitigen können, die dadurch entstehen. Wer, bitte, soll sonst für die Umweltschäden zahlen? Haben Sie eine Antwort darauf? Sollen, so, wie es im Moment ist, die Steuerzahler dafür zahlen? Das ist Ihre Antwort.

Sie ziehen hier das Argument hoch, die Bauwirtschaft würde durch unsere Ideen zerstört. Das ist lächerlich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Es ist immer der gleiche pawlowsche Reflex, den Sie haben. Sie hören das Wort „Abgabe“ und denken: Das ist wunderbar. Damit ziehen wir jetzt in den Wahlkampf; die Abgabe wird unser Wahlkampfschlager. – Schauen wir uns doch an, wie es bisher immer war: Wir hatten die Ökosteuer auf Benzin, und wir hatten die Lkw-Maut.

Gerade die Lkw-Maut halte ich für ein wunderbares Beispiel; denn dabei hat Hessen aus grüner Sicht eine richtig rühmliche Rolle gespielt. 1999 hat Rot-Grün im Bundestag die Lkw-Maut beschlossen. Natürlich gab es in den Reihen von CDU und FDP einen unglaublichen Aufschrei; Ein ganzer Gewerbezweig und Tausende Arbeitsplätze stünden auf dem Spiel, die Margen würden gegen null gehen, und alle Preise würden auf die Transportkosten aufgeschlagen werden. Das ist genau das, was Sie uns vorwerfen.

Nur hat der CDU die Lkw-Maut so gut gefallen, dass sie sie 2008 um bis zu 90 Prozent erhöht hat.

(Demonstrativer Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die ganz spannende Frage ist, wer eigentlich im Bundesrat die entscheidende Stimme gegeben hat, sodass es zu diesem Ergebnis gekommen ist. Das war Hessen.

Vergleichen wir einmal die Zahlen. Wir reden von einem Betrag von 1,5 bis 2 Millionen Euro in Thüringen. Was bekommt Hessen aus der Lkw-Maut? Das Geld wird hier ähnlich eingesetzt, z. B. um Schäden zu beseitigen. Auf den Autobahnen ist das sehr sinnvoll; denn das kostet eine Menge. Das sind mehrere 100 Millionen Euro. Sie haben sich dafür eingesetzt, dass die Lkw-Maut erhöht wird..

(Zuruf von der CDU)

– Natürlich ist das vergleichbar. Sie meinen, dass man mit einer Abgabe in Höhe von 1,5 bis 2 Millionen Euro, die gerade dazu dienen können, Umweltschäden auszugleichen – –

(Zuruf von der CDU)

– In NRW werden 5 Millionen Euro erwartet, und NRW hat mehr Auskiesung durch den ganzen Rheingrabens – –

(Zurufe von der CDU und der FDP)

– Ich täusche die Leute überhaupt nicht. Sie täuschen die Leute mit dem, was Sie hier gerade machen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zurufe von der CDU und der FDP)

Wissen Sie, was? Wir schreiben hier Konzepte, wir entwickeln Ideen für dieses Land, und Sie machen Wahlkampfgetöse. Sie müssen hier regieren, nicht wir.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen und demonstrativer Beifall bei der CDU und der FDP)

Ist es mein Wirtschaftsminister, der hier regieren muss? Der ist von der FDP. Wir werden schon dafür sorgen, dass da bald ein anderer sitzt. Meine Güte.

(Zuruf von der CDU – Weitere Zurufe von der CDU)

Was Sie hier machen, ist reines Wahlkampfgetöse. Ihr Problem ist, Sie haben hier einen Antrag vorgelegt, in dem keine einzige Idee dazu steht, wie Sie die Ressourceneffizienz eigentlich voranbringen wollen. Sie reden davon, die Rohstoffsicherheit für Hessen zu verbessern. Wo, bitte, ist denn Ihre Idee?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Ministerpräsident selbst hat Anfang dieser Woche sehr deutlich gemacht, ihm ist um die Zukunft dieses Landes bange. Er meint jetzt, es wäre am besten, ein Zukunftsministerium zu gründen. Er hat also eingestanden, dass das Kabinett in seiner jetzigen Aufstellung nicht fähig ist, diese Aufgaben zu bewältigen. Darin können wir ihm völlig zustimmen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Ganz wesentlich für die Infrastruktur und die Aufgaben der Zukunft ist gerade das Wirtschaftsministerium.

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Anscheinend hat sich Bouffier gedacht, gerade die Zukunftsaufgaben seien bei Minister Rentsch in keinen guten Händen.

Auch da geben wir Ihnen recht. Ein Wirtschaftsminister, der immer nur nach dem Dogma verfährt: „Der Markt wird es schon leisten, wir müssen nirgendwo nachhelfen, wir müssen nirgendwo schauen, wie wir die Rohstoffsicherheit wirklich voranbringen können“, der wird dieses Land nicht in die Zukunft führen. Wir geben Herrn Ministerpräsidenten Bouffier hier ausdrücklich recht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe der Abg. Clemens Reif (CDU) und Stefan Müller (Heidenrod) (FDP))

Sie haben sich einen kleinen Punkt aus unserem Konzept zum Thema Ressourceneffizienz herausgeholt. Sie selbst haben keinerlei Idee.

(Zuruf des Abg. Stefan Müller (Heidenrod) (FDP))

– 1,5 bis 2 Millionen Euro beträgt unsere Abgabe. Das wird gerade reichen, um für die Umweltschäden zu entschädigen. Aber wir haben noch viel mehr Ideen, im Gegensatz zu Ihnen.

(Zurufe von der CDU und der FDP)

Wir wollen nämlich die Ressourceneffizienz voranbringen. Mit mehr Ressourceneffizienz in Hessen werden wir den Unternehmen wirklich unter die Arme greifen. Davon haben Sie leider noch nichts verstanden, weil Sie immer noch nicht verstanden haben, was nachhaltige Wirtschaft eigentlich ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Ich weiß nicht, ob Ihnen das bekannt ist: Material und Rohstoffe sind der größte Kostenblock in der verarbeitenden Industrie,

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

lange vor Personal und auch weit vor Energie. Genau in dem Bereich müsste man ansetzen und Unternehmen helfen, damit sie genau da sparsamer werden.

Was ist Ihr Vorschlag? Wir haben in Hessen eine einzige Maßnahme. Das ist das PIUS-Programm. Das bezieht sich aber nur auf den Produktionsprozess. Das heißt, Sie klammern den wesentlichen Bereich, die Rohstoffe, komplett aus. Sie geben Unternehmen in Hessen keinerlei Anreize, keinerlei Ideen, wie sie genau an diesen Bereich herankommen können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben Ideen. Als Opposition haben wir Konzepte entworfen. Wir sagen: Es wäre sehr sinnvoll, eine hessische Effizienzagentur zu gründen, die die regionalen Akteure und die Wissenschaft vernetzt und hier etwas voranbringt.

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

In Nordrhein-Westfalen gibt es genau dieses Modell. Die schaffen das als Land. Herr Irmer, Sie schaffen das leider nicht. – Genau dort wird darauf geschaut, dass die Rohstoffe auch sinnvoll eingesetzt werden. Sie verschlafen dieses Megawirtschafts- und -umweltthema. Es wird Zeit, dass Sie endlich abgelöst werden und die Wirtschaft endlich für die Zukunft aufgestellt wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt noch ein Aspekt zu dem Thema Bauwirtschaft. Nachdem Sie meinen, dass wir die Bauwirtschaft so unglaublich vernachlässigen würden mit unseren Ideen: Haben Sie eigentlich schon mitbekommen, was im Moment der Wachstumsimpuls für die Bauwirtschaft ist? Meinen Sie wirklich, dass Neubauten im Wohnungsmarkt der Wachstumsimpuls für die Bauwirtschaft sind?

Ich zitiere aus der Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaft, die ganz aktuell herausgekommen ist:

Die Maßnahmen zur energetischen Sanierung gewinnen für den Bausektor immer mehr an Bedeutung. Allein im Wohnungsbestand wurden 2010 gut 42 Milliarden Euro in energetische Sanierungsmaßnahmen investiert.

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

– Es ist überhaupt nicht unlogisch. Herr Irmer, könnten Sie mir vielleicht kurz zuhören, dann komme ich auf Sie zurück.

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Dies war deutlich mehr, als beispielsweise im gleichen Jahr in den Wohnungsneubau floss.

42 Milliarden Euro für die energetische Sanierung und 34 Milliarden Euro betrug das Investitionsvolumen in den Neubau im Jahr 2010. Das heißt, wir haben schon jetzt einen deutlichen Effekt, der belegt, dass gerade die energetische Sanierung die Bauwirtschaft voranbringt. Gerade die warten auf klare Signale.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

– Entschuldigung, wenn Sie dem Deutschen Institut für Wirtschaft nicht mehr glauben, wem glauben Sie dann noch?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU) – Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU) – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

– Ich gebe es dem Finanzminister. Der gibt es dann in Ihren Abgeordnetenbrief. Dann glauben Sie es. Ist das okay?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der LINKEN)

Das Problem ist doch, dass Sie die Wahrheit nicht wahrhaben wollen.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Herr Reif, mit Ihren Zwischenrufen zeigen Sie doch, um was es Ihnen geht. Ihnen geht es hier nur um Ideologie.

(Lachen des Abg. Clemens Reif (CDU))

Sie schauen sich noch nicht einmal mehr vernünftige Vorschläge der Opposition an. Sie sagen von vornherein, das sei wirtschaftsfeindlich, anstatt zu überlegen, wie wir mit Ressourceneffizienz mehr Arbeitsplätze schaffen könnten, wie wir unsere Wirtschaft nachhaltig erfolgreich gestalten könnten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben keinerlei Ideen. Sie haben nur die Fähigkeit, zu schimpfen, nichts weiter. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Vizepräsident Heinrich Heidel:

Schönen Dank, Frau Kollegin Dorn.

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