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22.05.2013
Portraitfoto von Angela Dorn vor grauem Hintergrund.

Angela Dorn: Schwarz-Gelb kann und will Energiewende nicht

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ministerpräsident Bouffier ist mit einem sehr großen Versprechen gestartet, nämlich mit dem Versprechen einer konsensorientierten Politik. Eigentlich sollte sich gerade ein Ministerpräsident bemühen, sein Wort zu halten. Leider passiert immer wieder das Gegenteil. Er bricht sein Wort. Die einzige Notlösung ist wohl das Zukunftsministerium; darüber reden wir aber später.

Die Strategie war damals durchaus Erfolg versprechend. Wer sollte nach Roland Koch kommen, dem Leuchtturm der CDU? Damals hat sich die Hardliner-CDU gedacht: Na ja, ein Konsensvater, das wäre etwas Schönes. – Natürlich gab es damals aber auch einige Fragen Ungläubiger.

Ich zitiere aus der FAZ vom Mai 2011. Bouffier sagte damals:

Ich bin nun einmal überzeugt davon, dass die Menschen Orientierung wollen und keine Politik nach dem Motto „Heute so, morgen so“. Als einer, der sehr lange in Verantwortung steht, nehme ich für mich immer noch in Anspruch, dass ich der Sache dienen will.

Messen wir einmal den Ministerpräsidenten an diesem wirklich sehr hohen Anspruch. Ein ganz wichtiger Bestandteil der Konsenspolitik war der Energiegipfel. Was ist davon übrig geblieben? Fangen wir beim Herzstück an: Windkraft und Landesentwicklungsplan. Das ist deshalb das Herzstück, weil da das Land Hessen alleine vorangehen kann, von niemandem abhängig ist. Wir haben vereinbart, 2 Prozent der Landesfläche sollen für die Windenergieerzeugung reserviert werden. Jetzt liegt der Landesentwicklungsplan vor. Er enthält so viele Hürden und Fallstricke, ist von so viel Unvermögen geprägt, dass wir das 2-Prozent-Ziel nicht erreichen werden. Was soll man aber denn von einem Wirtschaftsminister erwarten, der in Wiesbaden einer Partei vorsteht, die gegen Windkraft ist?

(Widerspruch bei der CDU und der FDP)

– Das ist absolut die Wahrheit. Das haben wir Ihnen schon bewiesen. Die FDP zieht gegen die Windkraft zu Felde. Sie strengt Bürgerbegehren gegen Windkraftanlagen an.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU und der FDP)

Ich habe Ihnen ein Bild des Plakats vor Augen gehalten, das den Bürgerinnen und Bürgern brennende Windräder zeigt. Das tun Sie, um Angst vor Windkraftanlagen zu schüren. So ist unser Wirtschaftsminister, und das ist die Energiewende, die Sie machen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

So wichtig wie der Ausbau der erneuerbaren Energien sind Energieeinsparungen und die Erhöhung der Energieeffizienz, gerade im Bereich der Wärmeerzeugung.

Sie haben mit Ihrem Antrag ein Thema aufgerufen, das wir schon behandelt haben. Auch wir hätten gerne, dass es im Bundesrat bezüglich der steuerlichen Absetzbarkeit energetischer Sanierungsmaßnahmen weitergeht. Da sind wir auf Ihrer Seite. Es reicht aber nicht aus, dass Ihre einzige Antwort auf die Frage, wie kommen wir bei der energetischen Sanierung voran, ein Fingerzeig auf den Bundesrat ist. Es gehören nämlich mehr als zwei Leute dazu, im Bundesrat eine Einigung zu erzielen. Wo ist ihr Beitrag hierzu? – Ich sehe ihn nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

Zweitens gibt es eigene Kompetenzen des Landes. Natürlich können Sie in diesem Bereich vorangehen. Was fordern Sie aber immer wieder? Sie fordern Beratungskonzepte, wie wir sie in den Achtzigerjahren gefordert haben. Frau Puttrich, heutzutage geht es aber nicht um mehr Beratung, sondern darum, dass die Leute wissen, wohin sie sich wenden sollen. Wo gibt es qualifizierte Energieberater, wo gibt es Handwerker, die sich wirklich mit energetischer Sanierung auskennen? Dabei müssten Sie den Leuten helfen. Es hilft auch nicht, mit bunten Bussen durch die Gegend zu fahren und bunte Bildchen zu stellen. Nein, wir brauchen Programme, die wirklich schnell wirken.

Warum ist es beispielsweise so, dass der Schornsteinfeger jedes Jahr ins Haus kommt, die Abgaswerte der Heizung misst, dem Kunden aber nie sagt, wie hoch der Energieverbrauch der Heizung eigentlich ist. Warum machen Sie kein Programm dazu? Der Schornsteinfeger könnte doch der Experte sein, der sagt: „Ihre Heizung verbraucht viel Energie, aber so und so können Sie viel sparen.“ Genau das wäre möglich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Sie haben keine kreativen Ideen. Mich wundert es nicht, dass Sie so wenig Kreativität haben, wenn ich daran denke, dass mir der stellvertretende Ministerpräsident Hahn bei einer Rede entgegengerufen hat: „Wir werden nie zur Energiewende stehen“. Daher wundert mich bei dieser Landesregierung nichts mehr.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU) – Weitere Zurufe von der CDU)

– Sie können das ja im Protokoll nachlesen. – Wir haben uns auf dem Energiegipfel auch noch auf etwas anderes geeinigt. Wir haben uns darauf geeignet, die Energiewende solle so dezentral wie möglich und so zentral wie nötig ausgestaltet werden. Davon ist heute nichts mehr zu spüren. Sie setzen weiterhin auf die klimaschädliche Kohle. Sie setzen mehr auf Offshore-Windkraft statt auf Windparks hier vor Ort. Das begünstigt die großen Akteure. Wir wollen die Energiewende aber in die Hände der Bürger, in die Hände der Kommunen legen. Sie torpedieren die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen. Sie sind immer noch viel zu tief in Ihre alten Seilschaften verstrickt. Wir hingegen wollen die Energiewende in die Hände der Bürger legen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Was ist vom hessischen Energiegipfel übrig geblieben? Herr Bouffier wollte einen großen Konsens herstellen. Danach kamen andere Schlagzeilen. Er hat gesagt, erneuerbare Energien seien Wildwuchs. Er hat gesagt, die Strompreise würden durch die erneuerbaren Energien unbezahlbar. Er hat vor wenigen Tagen gesagt, nach der Wahl könne man überlegen, welche Potentiale Fracking noch berge. Bouffier ist leider das geblieben, was er schon immer war, nämlich ein Verhinderer der Energiewende.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU – Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

– Wissen Sie, was nicht mehr lächerlich, sondern nur noch verantwortungslos ist? Ihr Handeln, gerade bei der offenen Suche nach einem sicheren Endlager. Das ist die Frage, die im Moment im Raum steht und zu der Sie endlich einmal Position – und zwar die richtige Position – beziehen müssten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

Doch das Handeln von Herrn Bouffier und Frau Puttrich stellt wirklich alles in den Schatten. Eigentlich hat er sich einmal vorgestellt, er wird Staatsmann. Gerade aber hat er sich für billigen Wahlkampfpopulismus entschieden. Was passiert gerade?

(Zuruf von der CDU)

Wir stehen vor einem historischen Kompromiss. Dieser Kompromiss hängt – unter anderem dank Ihnen – an einem seidenen Faden. Es ist das Wesen eines Kompromisses – ich glaube, das wissen wir alle hier –, dass jeder seinen Beitrag dazu leisten muss. Häufig ist es nicht leicht, einen Teil beizutragen.

Es gibt drei Bundesländer, in denen man die Hände gereicht hat, um diesen Kompromiss zu ermöglichen. In Niedersachsen hat man die Hände gereicht. Dort gibt es, wie Sie alle wissen, aufgrund von Gorleben verbrannte Erde. Aber sie haben dort gesagt: Ja, wir gehen diesen Kompromiss ein; Gorleben soll in die offene Endlagersuche einbezogen werden. – Die anderen beiden Bundesländer sind Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein. Dort hat man gesagt: Ja, wir sind, damit in Gorleben nicht weiter Fakten geschaffen werden, im Gegenzug bereit, die Castoren aufzunehmen, die nicht mehr nach Gorleben kommen sollen. – Das Problem ist aber, dass der Platz dort schlicht nicht ausreicht.

Was machen Sie jetzt? Wie schwierig wäre denn ein hessischer Beitrag? Bei uns geht es nicht um ein potenzielles Endlager, sondern um die Zwischenlagerung von wenigen Castoren. Was machen Sie? Das macht mich einfach fassungslos: Sie prüfen noch nicht einmal die Möglichkeit der Zwischenlagerung dieser Castoren. Die Konsequenz dieses verantwortungslosen Handelns ist, dass der historische Kompromiss dank Ihnen möglicherweise vor dem Aus steht. Das ist schändlich und völlig verantwortungslos.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

– Herr Irmer ich kann Ihnen sehr gut erklären, warum wir immer gegen die Castortransporte waren. Wir waren dagegen, weil Sie die Laufzeitverlängerung durchgesetzt haben und dafür verantwortlich waren, dass immer mehr Müll produziert worden ist und dass in Gorleben ohne Sinn und Verstand Fakten geschaffen worden sind. Deswegen haben wir demonstriert, und das war absolut richtig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Frau Puttrich, dass Sie so kurzfristig denken: Was passiert denn, wenn wir kein sicheres Endlager haben? Was wird dann aus Biblis? Wir sind dafür, dass Biblis ein zeitlich befristetes Zwischenlager ist. Was wird aus Biblis, wenn Sie das Endlager verhindern?

(Zuruf des Abg. Peter Stephan (CDU))

Das bleibt kein Zwischenlager, sondern es wird zu einem Dauerlager. Das ist dann Ihre Verantwortung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

– Da Sie dauernd dazwischenrufen und meinen, das sei alles unglaublich, kann ich einmal Herrn Ministerpräsidenten Bouffier zitieren. Er wollte der Sache dienen und keine Politik nach dem Motto „heute so, morgen so“ machen. Ich erinnere – ich finde es schade, dass er jetzt nicht anwesend ist – an seine Worte vor zweieinhalb Jahren. Am 11. November 2010 sagte Ministerpräsident Bouffier – da fanden gerade die Castortransporte statt –:

Diese Belastung kann das Land Niedersachsen nicht alleine tragen. Solidarität auch unter den Bundesländern bedeutet, dass wir auch unsere Aufgaben erfüllen müssen. Wenn ein Zwischenlager gesucht wird, können wir als Hessen nicht von vornherein sagen: überall, aber nicht bei uns.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der FDP)

Herr Greilich, einen Tag später hat unser Ministerpräsident – eigentlich eher Ihrer; meiner ist er nicht mehr – der Süddeutschen Zeitung gesagt, dass sich kein Bundesland der Endlagersuche verschließen sollte. Ich zitiere:

Er betonte, sollte Gorleben ungeeignet sein, müsse man selbstverständlich nach Ersatzstätten suchen. Es kann wohl nicht sein, dass wir das St.-Florians-Prinzip zur Grundlage unserer Politik machen. Ich sage Ihnen. jetzt, da es darauf ankommt, machen Sie genau das.

Vizepräsident Heinrich Heidel:

Frau Kollegin, Sie müssen zum Ende kommen.

Angela Dorn:

Ich komme zum Ende. – Sie bitten St. Florian, Sie zu verschonen und dafür sprichwörtlich andere Bundesländer anzuzünden. Sie wollen, dass dort die Diskussionen geführt werden, und sich dabei fein heraushalten. Sie dienen nicht der Sache, sondern dem Populismus. Ihre Politik ist genau das: heute so, morgen so. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Heinrich Heidel:

Vielen Dank, Frau Dorn.

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