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26.02.2013
Portraitfoto von Angela Dorn vor grauem Hintergrund.

Angela Dorn: Regierungserklärung der Umweltministerin

Herr Präsident, vielen Dank! Herr Rock, einen besseren Beweis hat es eigentlich nicht bedurft als diese platte Rede: Sie stehen einfach nicht zur Energiewende.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zurufe von der CDU und der FDP)

Frau Puttrich, ich gebe zu, spätestens seit heute habe ich eine gewisse Bewunderung für Sie. Es gibt eigentlich wenige Politikerinnen, die so strahlend, die so selbstbewusst etwas verkaufen können, was gar nicht existiert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Ein Zweites. Ich kenne eigentlich nur Bundeskanzlerin Merkel, die es so wunderbar schaffen kann, so zu tun, als ob sie nichts, aber auch gar nichts mit der schwarz-gelben Koalition zu tun hätte.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Frau Puttrich, das macht eine geschickte Politikerin aus. Aber das macht noch lange keine gute Energiepolitik in Hessen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Frau Puttrich, wo ist sie denn? Wo ist denn diese Energiewende eigentlich? Wo ist denn der Komplettumbau der Energieversorgung, von der Sie gesagt haben, dass wir gerade mittendrin sind? Sie versagen doch vollkommen beim Aufbau einer regenerativen Energiewirtschaft.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Meinen Sie wirklich, die Leute draußen würden sagen, wow, nach Fukushima wäre echt etwas passiert? Hier überall brummelt es und brummt es, die Energiewende ist in vollem Gang? Meinen Sie, dass das die Leute da draußen sagen? – Wissen Sie, die einzigen, die hier brummen, sind die Bürgermeister. Die brummen vor Zorn, weil Sie die Gemeinden beim Windkraftausbau behindern.

(Lachen bei der CDU)

Sie behindern sie darin, die Energiewende vor Ort zu gestalten, weil Sie verhindern, dass die Wertschöpfung vor Ort generiert werden kann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Stefan Müller (Heidenrod) (FDP))

Frau Puttrich, wen kritisieren Sie eigentlich in Ihrer Regierungserklärung, wenn Sie sagen, dass man nicht immer nur über den Strompreis reden sollte?

(Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Wer war es denn, der die ganze Zeit nur über die Energiekosten gesprochen hat? – Ja, es ist absolut richtig. Die Stromkosten haben einen viel geringeren Anteil an den gesamten Haushaltskosten als die anderen Bereiche. Ich habe Ihnen hier eine Tabelle mitgebracht.

(Die Rednerin hält eine Grafik hoch.)

Wohnen ist ein ganz großer Block, der Verkehrsbereich ist ein ganz großer Block. Das ist der Strom, und das ist die EEG-Umlage. Diese sind sehr kleine Blöcke. Darum streiten wir gerade. Herr Rock, genau über diesen Punkt streiten wir die ganze Zeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Timon Gremmels (SPD) – Wortmeldung des Abg. René Rock (FDP))

– Ich möchte meine Ausführungen erläutern, bevor es Zwischenfragen gibt.

Vizepräsident Lothar Quanz:

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Frau Dorn?

Angela Dorn:

Nein.

(Zuruf des Abg. René Rock (FDP))

Wer hat denn diese Strompreiskampagne die ganze Zeit hochgezogen? Wer wollte denn die erneuerbaren Energien schlechtmachen? – Das waren Ihre schwarz-gelben Kollegen auf Bundesebene, und Sie haben in Hessen alle kräftig mitgemacht. Sie sind doch schuld an dem Thema.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Frau Puttrich, für wen reden Sie eigentlich, wenn Sie fordern, dass man die CO2-Zertifikate verknappen sollte? – Das stimmt, das ist absolut notwendig. Das ist notwendig, damit wir beim Thema Energieeffizienz vorankommen, damit es mehr Möglichkeiten für Einnahmen gibt, um gerade die energetische Sanierung zu finanzieren. Aber wer hat es denn in der EU verhindert? – Das war doch Ihre schwarz-gelbe Koalition auf Bundesebene. Was sind denn das für Krokodilstränen?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Frau Puttrich, ich muss schon feststellen, etwas hat geholfen. Es hat geholfen, dass Sie sich gerade mit unserer grünen Wirtschaftsministerin aus Rheinland-Pfalz, Eveline Lemke, treffen, um über die EEG-Änderung zu verhandeln. Sie vertreten nun nicht mehr diesen ganzen Wahnsinn von Altmaier und Rösler, der die erneuerbaren Energien in die Knie zwingen würde.

(Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Aber, Frau Puttrich, was ich bei Ihrer Regierungserklärung noch nicht verstanden habe: Für wen haben Sie hier eigentlich geredet? Reden Sie auch für Ihren Koalitionspartner? – Herr Rock hat gerade das komplette Gegenteil erzählt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Reden Sie auch für Ihren Finanzminister? Reden Sie für die ganze Koalition? Wo ist denn genau der Antrag zu Ihren Änderungen? – Ich glaube, das ist Ihre ganz persönliche Meinung, und Sie verbreiten hier einfach nur Chaos.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Frau Puttrich, eines ist klar: Für die Verbraucherinnen und Verbraucher reden Sie leider nicht. Denn Sie haben nicht gefordert, dass die ganzen massiven Befreiungen der Industrie, die unter Schwarz-Gelb geschehen sind, zurückgenommen werden. Sie wollen weiterhin Klientelgeschenke austragen, auf dem Rücken der Verbraucherinnen und Verbraucher, auf dem Rücken der kleinen und mittleren Unternehmen.

(Zuruf des Abg. René Rock (FDP))

– Herr Rock, wir haben die stromintensive Industrie befreit. Sie haben es genutzt, um einfach mal alle ausufernd zu befreien. Das ist ein großer Unterschied. Das sind keine fairen Strompreise.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Wie schaut es denn in Hessen aus?

(Zurufe von der CDU)

13 Jahre haben Sie hier regiert, müde und erschöpft. Sie haben alle wirtschaftlichen Chancen, die diese Energiewende bietet, einfach davonziehen lassen. Frau Puttrich, Sie haben immer noch nicht verstanden, was für ein wichtiger Wirtschaftsfaktor die Energiewende in Hessen ist. Sie haben einmal über wirtschaftliche Chancen gesprochen; das war beim Thema Umwelttechnologie und Energietechnologie. Aber was Sie noch nicht verstanden haben, ist: Die Energiewende zieht vor Ort doch viel mehr Effekte nach sich. Hier geht es wirklich um kommunale Wertschöpfung, um 40.000 Arbeitsplätze bis 2030. Wir haben Arbeitsplätze vom Handwerker bis zum Ingenieur. Schauen Sie doch nach Nordhessen, Sie können es doch erleben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Puttrich, was haben Sie denn getan, statt über diese Chancen zu reden? – Sie haben gewarnt, dass der Wirtschaftsstandort durch die Energiewende nicht gefährdet werden dürfe. Genau das Gegenteil ist doch der Fall. Durch die Energiewende können wir genau unseren Wirtschaftsstandort in Hessen dauerhaft stärken.

Ein vernichtenderes Zeugnis als das, das Sie gerade wieder ausgestellt bekommen haben, gibt es wahrscheinlich kaum. Hessen ist beim Ausbau der erneuerbaren Energien schon wieder das letzte aller Flächenländer. Dann beschweren Sie sich immer: Diese Studie ist doch unfair; die bezieht gar nicht ein, was für Anstrengungen wir mit dem Energiegipfel unternommen haben; wir haben doch so viel getan. – Jetzt schauen wir doch einmal genau in die Studie. Wenn man schaut, wie sehr sich die Bundesländer für die Energiewende angestrengt haben – auch da gibt es ein Ranking –, stellt man fest, da sind Sie ganz am Ende.

(Zuruf des Abg. René Rock (FDP))

Wissen Sie, was? – Wenn Sie beim Profifußball wären, würde man von einem Abstiegsplatz sprechen,

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

und alle würden nach einem Trainerwechsel rufen.

(Zurufe der Abg. Timon Gremmels (SPD) und Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

– Das tun wir gern, wir können gern die ganze Mannschaft auswechseln.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Meine Damen und Herren, das eine Problem der Energiewende ist, dass Sie die ganzen letzten Jahre die Energiewende torpediert haben. Das andere Problem ist, Sie haben es einfach noch nicht erkannt und werden weiterhin die Energiewende völlig an die Wand fahren.

Frau Ministerin, Sie haben ganz geschickt versucht, es zu verstecken – darin sind Sie wirklich gut –, und haben gesagt: Wir haben doch die erneuerbaren Energien in den letzten zehn Jahren verdreifacht. – Verdreifachen ist auch nicht schwer, wenn man fast nichts zu bieten hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wie hoch ist denn der Anteil von Windstrom an unserem hessischen Gesamtstromverbrauch? – Jämmerliche 3 Prozent. Was kann denn Rheinland-Pfalz bieten, das wirklich vergleichbar mit uns ist? – 10 Prozent. In Ostdeutschland sind wir bei 50 Prozent, und Hessen bietet 3 Prozent. Das ist einfach armselig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Peter Stephan (CDU))

Herr Rock, was tun Sie eigentlich, um unabhängig von fossilen Energien zu werden? – Sie haben das Fracking-Thema angesprochen, aber nicht wirklich gesagt, was Sie da eigentlich wollen. Was tun Sie eigentlich, damit wir in Hessen kein Fracking machen müssen, damit wir unabhängig von fossilen Energien werden? – Ich kann Ihnen einmal zeigen, wie sich die Preise der fossilen Energien entwickelt haben.

(Die Rednerin hält eine Grafik hoch.)

Das ist die Entwicklung der Preise vom Jahr 2002 bis 2012. Darin stecken die größten Erhöhungen der Strompreise und nicht in erneuerbaren Energien. Ihre Strompreislüge ist einfach nur erbärmlich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Wir könnten der Welt beweisen, dass ein Industrieland wie Deutschland wirtschaftlich stark sein kann und den Klimaschutz einhalten kann, wenn wir vorangehen. Aber Sie lassen diese Chance seit Fukushima völlig verstreichen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Stefan Müller (Heidenrod) (FDP))

Sie haben nichts aufzubieten, was der Erwähnung wert wäre. Frau Puttrich, Sie sagen selbst, Sie haben keinen Masterplan. Aber wir als GRÜNE haben einen Masterplan; denn wir können Energiewende.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir können Energiewende und setzen uns ganz bewusst nicht ein Ziel 2050, das unendlich weit entfernt ist. Wir setzen uns ein Ziel 2030. Bis 2030 wollen wir 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien haben. Wenn Sie immer nur über 2050 reden und keine Zwischenschritte vornehmen, keine Umsetzungsschritte definieren, dann ist das natürlich sehr bequem für Sie. Denn dann müssen Sie heute nicht anfangen und können sich einen schlanken Fuß auf Kosten der nächsten Generation machen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Wir sagen ganz klar, wir wollen in allen drei Bereichen vorankommen, beim Strom, beim Verkehr und bei Wärme. Wir wollen für alles ganz klare Etappen. Wir haben in den letzten Jahren schon unendlich viele Vorschläge gemacht – Sie haben alle abgelehnt.

(Zuruf des Abg. René Rock (FDP))

Was kam dann? – Ein Gesetz als Antwort auf den Hessischen Energiegipfel. Das war nicht mehr als ein klappriges Gerüst, das zusammenfällt, sobald man es belastet. Dieses Gerüst hat seitdem keinen Backstein, keinen Pfeiler, keine Stütze gesehen. Sie haben das Gerüst sogar selbst eingerissen.

Schauen wir uns doch die Windenergie an. Wirtschaftsminister Rentsch hat einen Verhinderungserlass geschickt, den Landesentwicklungsplan. Das Umweltministerium wollte sich nicht lumpen lassen und hat noch eines obendrauf gesetzt: Dann kam der Naturschutzerlass. Mit diesen beiden Erlassen haben Sie künstlich und mutwillig die Standorte für Windenergie – –

(Lebhafte Zurufe von der CDU – Glockenzeichen des Präsidenten)

– Im Gegensatz zu Ihnen haben wir eine Lösung für Naturschutz und Windkraft. Sie haben keine Lösung, Sie wollen Windkraft verhindern. Wir haben eine Idee, wie wir genau das kombinieren können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die 2 Prozent werden Sie so nicht erreichen. Das ist übrigens nicht nur unsere Meinung, das ist auch die Meinung Ihrer Kollegen. Fragen Sie doch einmal Ihre Kollegen von CDU und – –

(Zurufe der Abg. Peter Stephan und Kurt Wiegel (CDU))

– Jetzt beruhigen Sie sich einmal. Sie kommen doch aus Mittelhessen. Fragen Sie doch einmal Ihre Kollegen in der Regionalversammlung, was genau da beschlossen worden ist. Die Regionalversammlung Mittelhessen – –

(Lebhafte Zurufe von der CDU)

Vizepräsident Lothar Quanz:

Ich darf um etwas mehr Ruhe bitten, damit man die Rednerin besser hören und verstehen kann. – Frau Dorn, bitte schön.

Angela Dorn:

Ich verstehe, dass es Ihnen wehtut, dass Sie kritisiert werden. Aber lassen Sie mich doch wenigstens einmal ausreden.

Die Regionalversammlung Mittelhessen – ich zitiere –

kritisiert die Vorgaben des Landes Hessen, die zu einer erheblichen Einschränkung in der Planung führt, deren Ziele damit gefährdet und Investitionen in Windkraft zu verhindern droht.

Da haben Ihre Kollegen mit zugestimmt. Das ist doch die Wahrheit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Für den Naturschutz muss es gewisse Gebiete geben, bei denen es einen kompletten Ausschluss gibt. Aber es gibt einen ganz großen Bereich Graufläche, bei dem man individuell je nach dem Ort gucken kann, ob es da wirklich Probleme hinsichtlich des Naturschutzes gibt.

Weil es ziemlich bequem ist, sagen Sie: Wir schließen einfach alles aus. – Das ist der falsche Weg.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie behindern die Nutzung der Windkraft vor Ort. Sie legen den Genossenschaften und den Kommunen Steine in den Weg. Sie bevorzugen Windkraftparks auf dem Meer.

Wer profitiert davon? Wer profitiert von Ihrer Politik? – Das sind die großen Unternehmen und nicht die Bürgerinnen und die Bürger. Sie machen weiterhin Energiepolitik für die großen Konzerne. Wir wollen eine Energiewende in Bürgerhänden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Timon Gremmels (SPD))

In ganz vielen Sonntagsreden betonen Sie die Themen Energieeinsparung und Energieeffizienz. Man könnte all das unterschreiben, was Sie da sagen. Frau Puttrich, was machen Sie aber wirklich ganz konkret in diesem Bereich? Vor allem lenken Sie erst einmal ab.

Ja, wir sind da einer Meinung: Die Blockade im Bundesrat hinsichtlich der energetischen Sanierung muss gelöst werden. Dazu gehören aber immer zwei Seiten.

Frau Puttrich, eines lassen wir Ihnen bei diesem Thema nicht durchgehen. Sie nennen das immer, wenn es um die energetische Sanierung geht. Sie verstecken sich mit diesem Angriff doch nur vor Ihrer eigenen Untätigkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was haben Sie denn genannt? – Sie haben das Förderprogrämmchen zum Austausch alter Heizungspumpen genannt. Ja, das ist ein sinnvoller Beitrag. Das ist keine Frage.

(Peter Stephan (CDU): Sie verhindern in Berlin etwas Gescheites!)

Daraus wird aber keine Energiewende. Herr Stephan, Sie zeigen keinerlei Mut für konsequente Schritte. Warum schreiben wir in Hessen eigentlich vor, welche Farbe der Gartenzaun und welche Form die Dachziegel haben muss, aber wenn es um den Klimaschutz geht, dann ist alles ganz plötzlich großer Zwang?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir setzen auf eine kluge Kombination. Wir glauben, das Wichtigste ist das Fördern. Es geht aber auch darum, die Hauseigentümer für den Klimaschutz in die Pflicht zu nehmen. Das würde uns wirklich weiterbringen.

Frau Puttrich, Sie haben über Beratung geredet. Ja, die Beratung ist wichtig. Wir fordern sie seit den Achtzigerjahren. Seitdem hat sich aber einiges getan. Wir haben mittlerweile nicht zu wenig Beratung, sondern wir haben Beratung wie Sand am Meer.

Das Problem besteht doch jetzt darin, dass die Verbraucher gar nicht mehr wissen, wohin sie sich wenden sollen. Welcher der Energieberater und welcher der Handwerker ist denn für eine energetische Sanierung richtig qualifiziert? – Genau da brauchen wir eine Offensive für die Verbraucher. Sie sind auch die Verbraucherschutzministerin. Warum haben Sie sich diesen riesigen Bereich nie angesehen und da etwas getan?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Puttrich, da Hessen beim Ausbau der Nutzung der erneuerbaren Energien so weit hinten liegt, könnte es wenigsten zum Energieeffizienzland Nummer eins werden. Aber da haben Sie andere Länder wie Baden-Württemberg längst bei Weitem überholt. Es gibt eben auch Bundesländer, in denen mehr gemacht wird, als einfach nur Sonntagsreden zu halten.

Jetzt möchte ich auf den Aufbau einer regenerativen Energiewirtschaft zu sprechen kommen. Das ist eine große Herausforderung. Das haben Sie alles richtig beschrieben. Sie haben auch viele Forschungsprogramme aufgelegt, die wir durchaus positiv finden.

Frau Puttrich, angesichts all dieser Aspekte frage ich mich: Gibt es da eigentlich ein System? Wohin wollen Sie eigentlich? – Ich glaube, Sie haben keinerlei Ahnung, wohin Sie wollen. Deswegen herrscht bei dem ganzen Thema ein einziges Chaos.

(Zuruf des Abg. Kurt Wiegel (CDU))

– Ja, wir haben eine Idee. Ich kann einmal mit dem Netzausbau anfangen. Da sind wir uns eigentlich einig. Sie sollten nicht dauernd dazwischenrufen. Wir brauchen für den Ausbau der Nutzung der erneuerbaren Energien den Netzausbau.

Jetzt geht es um die spannende Frage: Welches Netz brauchen wir da? – Im Moment können alle Bundesländer anmelden, in welchem Umfang sie die Nutzung der erneuerbaren Energien ausbauen wollen. Dementsprechend wird das Netz dann angepasst werden.

Jetzt tun Sie gerade so, als ob Sie eigentlich mehr machen wollten, aber die rot-grün geführten anderen Bundesländer würden so egoistisch sein – Sie haben gesagt: föderal egoistisch –, und würden so viel von diesem Strom liefern, deswegen könnten Sie nicht mehr erbringen. Frau Puttrich, wir haben nicht 25 Prozent zu viel an der Nutzung der erneuerbaren Energien in Deutschland. Wir haben da 75 Prozent zu wenig. Wir haben in Hessen noch ganz schön viele Möglichkeiten, unseren Beitrag zu leisten.

(Beifall der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wenn wir jetzt nicht sagen, dass wir viel Strom aus erneuerbaren Energien liefern wollen, dann bekommen wir ein Netz, das dementsprechend ausgebaut ist. Was werden wir dann für ein Problem bekommen? – Wir werden von den nördlichen Bundesländern abhängig werden. Wir haben dann nicht die Wertschöpfung vor Ort, die wir haben könnten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel und Timon Gremmels (SPD))

Ich möchte jetzt auf das Thema Gaskraftwerke zu sprechen kommen. Frau Puttrich, auch dazu haben Sie in Ihrer Regierungserklärung Krokodilstränen geweint. Sie haben gesagt, es gebe keine Anreize. Wer ist denn daran schuld, dass es keine Anreize gibt? Das sind Ihre Kollegen auf Bundesebene von Schwarz-Gelb. Außerdem sind es Sie selbst. Wer weigert sich denn, einen Markt für Kapazitäten einzurichten? Sie sagen, das wäre nicht möglich und das wäre alles zu teuer.

Das Gegenteil ist der Fall. Wir brauchen Anreize. Wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint, müssen ganz schnell andere Energiekapazitäten zugeschaltet werden. Das müssen Kapazitäten sein – das haben Sie immer noch nicht verstanden –, die keine Belastung für das Klima darstellen. Vielmehr müssen das emissionsarme Kapazitäten sein. Die bekommt man über Gaskraftwerke und Biogasanlagen.

Die Industrie steht bereit, ein Lastenmanagement zu betreiben. Sie lassen all diese Möglichkeiten vollkommen verstreichen.

Was machen Sie? – Sie verstopfen die Netze mit Kohlestrom. Das ist Ihre einzige Antwort.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Willi van Ooyen und Janine Wissler (DIE LINKE))

Herr Stephan, haben Sie sich eigentlich einmal mit der Abschaltverordnung beschäftigt? Haben Sie einmal gesehen, was Sie da auf Bundesebene machen? – Sie geben den klimaschädlichen Kohlekraftwerken einen Wettbewerbsvorteil. Sie setzen auf das falsche Pferd, nämlich auf die schmutzigen Kohlekraftwerke. Warum ist das so? – Es ist so, weil Sie das bleiben, was Sie schon immer waren, nämlich die Vasallen der großen Energiekonzerne.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel, Timon Gremmels (SPD) und Willi van Ooyen (DIE LINKE) – Widerspruch bei der CDU)

– Sie fühlen sich ganz schön getroffen. – Ihr klappriges Gerüst der Energiewende ist schon längst zusammengebrochen. Bei uns liegen lauter lose Teile. Keiner weiß, wohin damit, welchen Zusammenhang sie haben und wie sie miteinander wirken könnten.

Frau Puttrich, ich komme nun auf Ihren Vorschlag zum Erneuerbare-Energien-Gesetz zu sprechen. Ich nehme mit Interesse zur Kenntnis, dass Sie in den letzten Tagen gemerkt haben, dass Ihre beiden Bundesminister mit ihren Vorschlägen vollkommen über das Ziel hinausgeschossen sind.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Ich sehe aber nicht, was die Meinung der Koalition ist. Ich finde, sie hat eine andere Meinung. In Ihrem Dringlichen Entschließungsantrag steht nichts von Ihren Vorschlägen. Herr Rock hat nichts dazu gesagt.

(Zuruf des Abg. René Rock (FDP))

– Sie haben nichts zu den Vorschlägen der Frau Puttrich in ihrer Regierungserklärung gesagt. Herr Rock, Sie haben nur davon gesprochen, dass wir ein Quotenmodell bräuchten. Das wäre die Abschaffung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes und genau das Gegenteil von dem, was Frau Puttrich erzählt hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben Ihnen einen Antrag mit ganz konkreten Inhalten vorgelegt. Würden unsere Änderungsvorschläge umgesetzt, würde die Nutzung der erneuerbaren Energien ausgebaut werden. Wir würden 4 Milliarden Euro einsparen. Herr Rentsch, das wären 50 Euro für einen vierköpfigen Haushalt. Wo ist eigentlich Ihr Antrag?

Die Strompreislüge ist eine ganz lang angelegte Kampagne gewesen. Sie wurde von Ihnen und gerade auch von der FDP ordentlich unterstützt.

Sie wollen den Menschen Angst machen. Sie wollen Ihnen Angst vor der Nutzung der erneuerbaren Energien machen. Ich erinnere an die Äußerungen des Ministerpräsidenten Bouffier. Im September letzten Jahres hat er noch davon gesprochen, bei der Nutzung der erneuerbaren Energien gebe es einen Wildwuchs und wir müssten aufpassen, dass die Stromrechnungen nicht unbezahlbar würden.

(Zurufe von der FDP und von der CDU)

– „So ist es!“ Ich darf Sie noch einmal an das Bild erinnern, mit dem Sie bei dem Strom gerade übertrieben haben.

(Zuruf des Abg. René Rock (FDP))

– Wenn ich am Ende meiner Rede noch Zeit habe, dürfen Sie gerne fragen.

(Zuruf des Abg. Zuruf von der CDU)

– Es tut mir leid, dass Sie mir nicht zuhören. Wenn Sie die ganze Zeit dazwischenrufen und ich hier nicht weiterkomme, habe ich am Ende auch keine Redezeit mehr.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wissen Sie, Herr Altmaier hat in den letzten Tagen eine schockierende Zahl an die Wand gemalt. Das geschah absichtlich, um den Menschen Angst zu machen. Er sagte, die Energiewende würde 1 Billion Euro kosten.

(Zuruf)

– Ja, es ging um 1 Billion Euro. – Eines haben Sie immer noch nicht verstanden. Das hat Herr Altmaier völlig vernachlässigt. Es geht darum, wie viel Einsparungen wir mit der Energiewende erzielen könnten. Erinnern Sie sich an die Grafik hinsichtlich der Nutzung der fossilen Energien.

Es gibt Schätzungen, denen zufolge wir 10 Billionen Euro bis zum Jahre 2030 einsparen könnten. Diese 1 Billion Euro entbehrt jeder Grundlage. Sogar das Umweltministerium musste ihm in den Rücken fallen, weil es so ein Schwachsinn war, was da verbreitet wurde.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Nun kam immer mehr ans Tageslicht, was diese Ausbaubremse für erneuerbare Energien eigentlich anrichtet.

(Zurufe der Abg. Dr. Rolf Müller (Gelnhausen) (CDU) und Hans-Jürgen Irmer (CDU) – Gegenruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Vizepräsident Lothar Quanz:

Meine Damen und Herren, ich bitte darum, dass Frau Dorn jetzt wieder alleine zu Wort kommt und nicht andere versuchen, sie zu übertönen.

Angela Dorn:

Es tut mir leid, dass Sie bei der Energiewende so kläglich gescheitert sind und dass Sie hier gerade Ihre Regierungserklärung in den Sand gesetzt haben. Aber lassen Sie Ihre Aggressionen nicht an mir aus.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In den letzten Tagen wurde deutlich, was Sie den erneuerbaren Energien antun. Die Münchener Stadtwerke, das größte kommunale Unternehmen in Deutschland, hat wegen Ihrer Pläne seine gesamten Investitionen für erneuerbare Energien auf Eis gelegt. Herr Kollege Gremmels hat das gerade erwähnt. Hessen-Energie hat sich heute zu Wort gemeldet und aufgezeigt, was das für ihre Projekte hier vor Ort, bei uns in Hessen bedeuten würde, was alle nicht mehr laufen würden. Spätestens hier haben auch die Menschen draußen gemerkt, was Sie eigentlich vorhaben. Sie versuchen mit allen Mitteln, die Energiewende zu torpedieren.

Frau Puttrich, Ihre Kanzlerinnentaktik hier ist ja ganz nett: so zu tun, als ob Sie mit all dem auf Bundesebene nichts zu tun hätten. Was haben Sie in all diesen Abstimmungsgesprächen, die Sie mit Bundesumweltminister Altmaier geführt haben, eigentlich gesagt? Was haben Sie da eigentlich besprochen? Was hat eigentlich Ministerpräsident Bouffier im CDU-Vorstand gesagt? Wie haben Sie denn über das Erneuerbare-Energien-Gesetz geredet? Reden Sie über solche Themen nicht? – Das glaube ich nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich finde es absolut richtig, wenn Sie sagen, bei Bestandsanlagen darf nicht gekürzt werden. Der Staat muss halten, was er versprochen hat, absolut d’accord. Das ist genau das, was auch in unserem Antrag steht.

Genauso, dass die Vergütung von Windkraft durch das Land nicht pauschal gekürzt werden soll: absolut d’accord, denn das würde genau uns treffen, die Windräder im Süden.

Was sagt aber eigentlich der Kollege Rentsch dazu? Das würde mich doch sehr interessieren.

Dann Ihre Forderung, die Mehrwertsteuer auf die EEG-Umlage abzuschaffen. Haben Sie eigentlich einmal mit dem Finanzminister darüber geredet, was das bedeutet? Sagt der Finanzminister „Ja, es ist kein Problem, dass wir allein in Hessen 50 bis 60 Millionen Euro weniger einnehmen“? Ist das alles mit ihm schon längst besprochen? Warum gibt es dann von Ihnen keinen Antrag dazu?

Wenn Sie das machen: Wie wollen Sie dann eigentlich die ganzen energetischen Sanierungen finanzieren?

(Zuruf der Abg. Judith Lannert (CDU))

Wie wollen Sie die einkommensschwachen Haushalte dabei fördern? Ich frage mich: Was haben Sie da eigentlich vor, und was sagt Finanzminister Schäfer angesichts des desaströsen Schuldenstandes dieses Landes dazu?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD) – Zuruf des Abg. Dr. Rolf Müller (Gelnhausen) (CDU))

Es gibt einen anderen Weg: Die Industrieprivilegien endlich abschaffen – denjenigen, die Sie massiv von den Abgaben befreit haben. Wir würden wirklich die stromintensive Industrie entlasten, die im internationalen Wettbewerb steht, der Rest sind reine Klientelgeschenke, die nicht notwendig sind. Das sind Geschenke zulasten der Verbraucherinnen, zulasten der kleinen und mittleren Unternehmen,

(Zuruf der Abg. Judith Lannert (CDU))

übrigens die Mehrzahl der Unternehmen hier in Hessen. Das sind keine fairen Strompreise.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Timon Gremmels (SPD) und Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Frau Puttrich, für wen reden Sie? Reden Sie für sich selbst? Reden Sie für die Arbeitsgruppe der Bundesländer? Reden Sie für Ihren Kollegen Rentsch mit? Reden Sie für Ihren Kollegen Schäfer mit? Reden Sie für Ihre Koalition, die bei ganz wichtigen Passagen Ihrer Rede gar nicht geklatscht hat, sondern nur wir GRÜNEN? Für wen reden Sie? Das Einzige, was ich merke: heute dies, morgen das. Ihre Energiepolitik ist ein einziges Chaos. Sie haben noch nicht verstanden: Eine richtig gute Energiepolitik macht eines aus – Verlässlichkeit. Genau dies aber bieten Sie nicht.

(Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Gute Energiepolitik braucht einen Plan. Genau den bieten Sie nicht. Deswegen: Schwarz-Gelb kann und will diese Energiewende nicht. Wir können die Energiewende. – Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zurufe der Abg. Judith Lannert und Dr. Rolf Müller (Gelnhausen) (CDU))

Vizepräsident Lothar Quanz:

Vielen Dank, Frau Dorn.

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