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13.03.2014
Portraitfoto von Tarek Al-Wazir vor grauem Hintergrund

Tarek Al-Wazir: Neu- und Ausbau der Stromnetze

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Parlament ist natürlich frei, über die Art und Weise der Anhörung in eigener Vollkommenheit und Herrlichkeit zu entscheiden. Ich kann Ihnen nur aus Sicht der Landesregierung sagen: Ich würde es begrüßen, wenn der Wirtschaftsausschuss in größtmöglicher Einigkeit über diese Anhörung beschließt. Denn bei der Planung von Infrastrukturprojekten ist die Landesregierung für Transparenz und Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger.

Heute Morgen haben wir in der Aktuellen Stunde über den Jahrestag drei Jahre Fukushima und über die Energiewende geredet. Das ist eine der konkreten Auswirkungen der Energiewende: In welcher Weise werden die Netze ausgebaut? Aus meiner Sicht ist das ein zentrales Ergebnis des Energiegipfels.

Ich will noch etwas hinzufügen. Frau Kollegin Wissler hat angesprochen, dass es gewisse Zweifel an der Notwendigkeit dieses Netzausbaus gibt. Ich sage ausdrücklich: Es und wird in Zukunft weiterhin möglich sein müssen, größere und bedeutende Infrastrukturvorhaben zu realisieren. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Bürgerinnen und Bürger dabei mitgenommen werden und dass die Notwendigkeit und der gesellschaftliche Nutzen solcher Großprojekte offen dargelegt werden.

(Beifall der Abg. Florian Rentsch und René Rock (FDP))

Deswegen ist es richtig und wichtig, die Bürgerinnen und Bürger frühestmöglich in den Planungsprozess einzubinden.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will an diesem Punkt noch etwas sagen, das mir außerordentlich wichtig ist.

Nachdem die Vorschläge für die neuen Netze öffentlich geworden sind, haben wir eine teilweise heftige öffentliche Debatte, in der gesagt wird, eigentlich seien die unnötig. Ich will ausdrücklich sagen: Natürlich haben wir darauf zu achten, dass in Zukunft Energie mehr dezentral erzeugt wird, dass wir zukünftig deutlich verbrauchsnäher erzeugen. Dazu gehört, dass wir die Energiewende in Hessen nach vorne bringen und auch in Hessen Erzeugungskapazitäten ausbauen. Übrigens gilt das auch für Gaskraftwerke – wir werden uns gegen Ende des Jahres damit beschäftigen, wie wir dafür sorgen können. Die Bundesregierung hat das schon angekündigt, Stichwort Kapazitätsmarkt. Ohne große neue Subventionstatbestände zu schaffen muss trotzdem dafür gesorgt werden, dass investiert wird.

Ich bitte aber, bei diesem Punkt zu sehen, dass wir auch den Netzausbau brauchen werden. Wir werden ihn brauchen, weil wir schon jetzt in Norddeutschland sehr viele Erzeugungskapazitäten bei vergleichsweise wenig Verbrauch haben und wir in Süddeutschland – übrigens politisch gewollt – in Zukunft Jahr für Jahr Erzeugungskapazitäten haben werden, die vom Netz gehen sollen, Stichwort Grafenrheinfeld.

Wir werden in der Anhörung die unterschiedlichen Projekte vertieft betrachten. Wir werden uns die unterschiedlichen Bedarfsprognosen anschauen. Aus hessischer Sicht ist aber Folgendes zu sagen. Sued.Link ist ein Trasse, die von Brunsbüttel, einem abgeschalteten Atomkraftwerk, nach Grafenrheinfeld, einem Ende 2015 zur Abschaltung anstehenden Atomkraftwerk, verlaufen soll. Sie kommt nicht aus den Steinkohlerevieren in NRW oder aus ostdeutschen Braunkohlerevieren, sondern aus Norddeutschland, von wo der durch Offshore- und Binnenwind erzeugte Strom in die Verbrauchszentren im Süden gebracht werden soll.

Ich bitte darum, dass wir diese Anhörung auch dazu nutzen, uns verantwortungsvoll mit der Frage zu beschäftigen: Was ist wirklich nötig? Was brauchen wir? – Wir müssen die Energiewende zu einem Erfolg machen, denn sie ist von historischer Bedeutung und erfordert deswegen unsere gemeinsame Kraftanstrengung. Deshalb bitte ich darum, dass wir uns da wirklich mit der Sache beschäftigen.

Präsident Norbert Kartmann:

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

(Minister Tarek Al-Wazir: Gerne!)

– Herr Schaus.

Hermann Schaus (DIE LINKE):

Vielen Dank. – Herr Minister, bin ich richtig informiert, dass es um die Trasse geht, die nach Bayern führt und die die Bayerische Landesregierung in den letzten Wochen so vehement bekämpft? Trifft das zu? Wenn das zutrifft, würde ich Sie gerne fragen, ob es dann notwendig ist, eine Trasse durch Hessen zu führen, die das Bundesland, das den Strom geliefert bekommen soll, gar nicht haben will.

Tarek Al-Wazir:

Ich versuche, Ihre Frage so sachlich zu beantworten, wie es geht.

Es sind drei große HGÜ-Trassen, also Hochspannungs-Gleichstromtrassen, in der Diskussion. Die eine verläuft von Nordrhein-Westfalen in Richtung Baden-Württemberg. Die zweite Trasse kommt aus Ostdeutschland und verläuft in Richtung Bayern. Beide tangieren Hessen nicht. Die Trasse, über die wir gerade reden, ist Sued.Link. Sued.Link verläuft von Norddeutschland – einer der Startpunkte soll Brunsbüttel sein – nach Franken, nach Grafenrheinfeld.

In Bayern wird vor allem über die Trasse gestritten, die von Ostdeutschland nach Bayern läuft, nicht über die, die von Norddeutschland nach Franken reichen soll.

Wenn man sich das also genau anschaut, dann stellt man fest, dass sich bisher niemand findet, der mit wirklich guten fachlichen Argumenten die Notwendigkeit des Baus der Sued.Link-Trasse bestreitet. Das werden wir uns aber alle in großer Gemeinsamkeit in der Anhörung zu Gemüte führen.

Herr Schaus, ich will einen letzten Satz dazu sagen. Wir haben kein hessisches Stromnetz. Wir haben eigentlich auch keinen hessischen Strommarkt. Wenn wir alle immer nur das akzeptieren würden, wovon wir selber profitieren, dann wäre eine Stromversorgung nicht mehr möglich.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Wir sind als Bundesland Hessen momentan in der Situation, in die Bayern und Baden-Württemberg in den nächsten Jahren kommen werden, dass wir nämlich sehr viel Energie verbrauchen und sehr wenig Energie selbst erzeugen. Wir sind momentan wahrscheinlich das Land mit dem höchsten Stromimport in der Bundesrepublik Deutschland, wenn man es so darstellen will. Staudinger ist größtenteils abgeschaltet, neue Gaskraftwerke, beispielsweise in Mecklar, sind nicht gebaut worden, Biblis ist abgeschaltet, aber der Stromverbrauch hat sich nicht verändert. Insofern sollten wir die Allerletzten sein, die die Notwendigkeit der Vernetzung infrage stellen. Wenn wir keine Vernetzung in andere Bundesländer hätten, dann hätten wir schon jetzt ein großes Problem.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

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