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05.02.2014
Portraitfoto von Angela Dorn vor grauem Hintergrund.

Angela Dorn: Möglichen Schaden aus Stilllegung des Kernkraftwerks Biblis vom Land Hessen abwenden

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe jetzt eine Menge Vorwürfe an Frau Ministerin Puttrich gehört. Am Anfang müssen wir eines festhalten:

(Zuruf der Abg. Sabine Waschke (SPD))

Es gab einen einzigen Aspekt, den das Land Hessen anders als alle anderen Bundesländer gemacht hat, und das war der Verzicht auf die Anhörung. Dieser Aspekt ist völlig unerheblich für die Frage von Schadenersatzklagen.

(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

– Natürlich. Das ist ein Nebenaspekt dieser Debatte.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zurufe von der SPD und den LINKEN)

Aber es ist leicht, immer auf die anderen zu schauen. Wie sehen denn Ihre Rollen aus? Ganz spannend finde ich das gerade bei der FDP. Als ehemalige Regierungsfraktion waren Sie an allem beteiligt, haben es genau mitbekommen. Nach Fukushima und vor allem nach der Kommunalwahl – das hat Sie ja ordentlich getroffen – konnten Sie gar nicht schnell genug aussteigen. Herr Hielscher war der Erste, der an die Presse gegangen ist.

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Herr Rentsch hat gesagt: Wir müssen jetzt ganz schnell abschalten. – Ihre Krokodilstränen verstehe ich kein bisschen. Sie hätten die Möglichkeit gehabt, über alle Vorgänge Bescheid zu wissen. Jetzt sind Sie die Ersten, die hier alles reduzieren, obwohl Sie damals mit an der Entscheidung beteiligt waren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Zur Rolle der LINKEN würde ich auch gerne noch etwas sagen: Frau Kollegin Wissler ist immer gut im Austeilen, sie ist auch besonders schlagfertig. Sie haben ein paar schöne Zitate für die Medien gehabt, Frau Wissler. Aber gerade die Linksfraktion müsste sich bei der Frage eines sicheren Atomausstiegs zurückhalten. Ich darf daran erinnern, wie oft wir GRÜNEN und auch die SPD für den Atomkonsens kritisiert worden sind. Das war ein sehr rechtssicherer Ausstieg.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

– Das Verfahren hätten wir beibehalten sollen, das war ein rechtssicherer Ausstieg. Sie haben immer gesagt, das dauere zu lange, das sei ja ein Deal mit den Atomkonzernen.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

– Frau Wissler, genau das ist der Unterschied zwischen Regierung und Fundamentalopposition. Man muss auch mal schwierige Entscheidungen treffen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Sie können hier nicht so tun, als ob Sie den rechtssicheren Atomausstieg gefordert hätten. Bei Ihren Vorschlägen wäre es zu horrenden Schadenersatzforderungen gekommen, Frau Wissler. Insofern können Sie sicherlich nicht Frau Puttrich oder andere Menschen kritisieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Genau um den Punkt geht es: Wenn man Verantwortung übernimmt, muss man das auch für schwierige Punkte tun. Sie können mir glauben, es gibt schönere Dinge, als am Anfang einer Regierungszeit mit verlorenen Gerichtsprozessen der Vorgängerregierung umzugehen.

(Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Aber wir haben einen sehr konstruktiven Weg mit der CDU gefunden. Wir wollen die beste Lösung für das Land suchen. Wir wollen finanziellen Schaden vom Land abwenden. Das ist entscheidend. Dazu gehört es auch, dass man Verantwortung übernimmt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Ich möchte es einmal andersherum sagen. Wir wären sicherlich nicht in diese Konstellation eingetreten, wenn Biblis heute noch am Netz wäre. Auch das gehört zur Wahrheit. Es war eine Grundlage für uns, in die Regierungskonstellation mit der CDU einzutreten, dass Biblis nicht mehr am Netz ist. Es war die richtige Entscheidung, aus der Atomkraft auszusteigen. Dafür haben wir immer gekämpft.

Wir haben uns gemeinsam vorgenommen, in das Zeitalter der erneuerbaren Energien aufzubrechen. Sicherlich werden wir uns dabei jetzt nicht von den Problemen des alten Zeitalters aufhalten lassen. Wir werden da vorangehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Meine Damen und Herren, ich will einmal daran erinnern, worum es in dieser Debatte eigentlich geht. Dazu möchte ich RWE zitieren. Am 19. März 2011, als Biblis stillgelegt wurde, gab es eine Presseerklärung zur Sicherheitsüberprüfung, und darin heißt es:

Es ist wichtig, zu prüfen, ob sich aus den Erkenntnissen im Zusammenhang mit dem Unglück in Japan auch weitere Hinweise zu Verbesserungen des sehr hohen Sicherheitsniveaus der eigenen Anlagen ergeben. RWE Power wird daher die angestoßenen Sicherheitsüberprüfungen aktiv unterstützen.

Das war am 19. März 2011. Wenige Tage später, im April, hat RWE dann die Klage eingereicht. So viel zur „aktiven Unterstützung“.

Meine Damen und Herren, gerade auf der Seite der SPD hat mir das gefehlt, ein bisschen auch bei der LINKEN, aber die haben es zumindest noch anders betrachtet: Der Hauptappell müsste doch an RWE gehen. Das sind doch die eigentlichen Hauptadressaten dieser Debatte.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Herr Kollege Gremmels, wir sollten hier alle einig sein. Es ist das Wichtigste, jeden Schaden vom Land abzuwenden.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Es ist höchst fraglich, ob RWE wirklich ein bedeutender Schaden entstanden ist.

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Das ist höchst fraglich, denn der eine Block war nicht in Betrieb. Im Übrigen hat es Herr Schmitt damals, in der allerersten Landtagsdebatte dazu, auch so ausgedrückt: dass er daran nicht glaubt. Ich weiß gar nicht, warum Sie da jetzt plötzlich widersprechen. Auch er hat gesagt, dass der eine Block gar nicht in Betrieb war. Es wurde die Möglichkeit nicht genutzt, das Atomkraftwerk nach der Klage wieder hochzufahren. Genau das waren die Äußerungen von Herrn Schmitt, und genau darum geht es. Es geht darum, jetzt Schaden vom Land abzuwenden. Meine Damen und Herren, zuerst soll bitte RWE beweisen, ob ihnen überhaupt ein Schaden entstanden ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Jetzt komme ich zur Frage der Verantwortung für den verlorenen Gerichtsprozess. In den letzten Tagen frage ich mich immer: Was wäre eigentlich gewesen, wenn die Landesregierung nicht auf die schriftliche Anhörung verzichtet hätte und alle Stilllegungsverfügungen also absolut identisch gewesen wären? Was hätten Sie als Opposition dann eigentlich gemacht? Würden wir uns jetzt hier gemeinsam über RWE ärgern – dass sie gerade jetzt in Hessen klagen und einen Musterprozess für die großen Klagen beginnen? Wären wir eigentlich einig, wenn es in den Stilllegungsverfügungen gleichlautende Wortlaute gäbe, dass der Bund dafür verantwortlich ist? Würden wir hier überhaupt eine solche Debatte führen, oder wäre das Thema dann schon zu Ende?

(Zurufe der Abg. Timon Gremmels (SPD) und Janine Wissler (DIE LINKE))

Frau Wissler, das ist gar keine so theoretische Frage. Denn dieser Aspekt, den Sie hier hochziehen – der Verzicht auf die Anhörung –, ist in dieser Debatte ein absoluter Nebenaspekt. Er hat für die Schadenersatzklage keinerlei juristische Bedeutung.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Es war ein formaler Fehler. Ja, das ist ärgerlich.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

– Ja, aber er ist für alles Weitere völlig unerheblich.

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Sie stilisieren hier einen Nebenaspekt dieses Verfahrens hoch. Der hat für alle weiteren Verfahren keinerlei Relevanz.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Herr Rudolph, bedeutend für die Frage des Schadenersatzes sind nämlich die materiellen Fehler. Da hat Herr Schmitt immer wieder alles durcheinandergebracht. Es geht darum, wie diese Stilllegung inhaltlich begründet wurde, der materielle Teil. Nach Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs sind dort materielle Fehler gemacht worden.

Diese inhaltliche Begründung aber stammt vom Bund. Die ist in allen Bundesländern haargenau identisch. Es war auch genau so geplant. Es sollte vonseiten des Bundes eine Prüfung vorgegeben werden, die alle Bundesländer machen sollten. Der Bund wollte diese Prüfungen bewerten. Er hat also alle Verfahren zusammengezogen. Deswegen war das ein einheitlicher Verwaltungsvollzug.

Herr Schmitt, das ist genau der Unterschied. Der Bund trägt die Verantwortung für den materiellen Teil, den entscheidenden Teil. Denn er hat es allen Bundesländern so vorgegeben. Ich frage mich, warum Sie hier eigentlich nicht an unserer Seite stehen und sagen, dass es nicht die Verantwortung des Landes ist, sondern die Verantwortung des Bundes.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Wir erwarten, dass der Bund endlich die Verantwortung dafür übernimmt. Wenn er den Bundesländern das gleiche Schreiben einheitlich vorgibt, dann soll er dafür auch endlich Verantwortung übernehmen und sich nicht mehr herausziehen.

Da würde ich sehr gerne auch einmal die SPD-Kollegen fragen: Sie sind jetzt an der Bundesregierung beteiligt – wie gehen Sie jetzt auf Ihre Bundesgenossen zu? Das finde ich schon interessant. Gehen Sie auf die zu und sagen ihnen, sie sollen sich für das Land Hessen einsetzen?

(Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Wir wollen, dass auch der Bund Verantwortung für das übernimmt, was er da geschrieben hat.

(Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Die Frage ist schlicht: Wer hat diese Verfügung vorgegeben? Wer hat den materiellen Teil vorgegeben? – Das war der Bund.

Sie versuchen sich, hier auf die formalen Aspekte zurückzuziehen. Entscheidend ist aber das Materielle. Das aber kommt vom Bund. Dort sind Sie jetzt mit in der Verantwortung. Hier würde ich mir wünschen, dass Sie entsprechend Einfluss nehmen. Es geht hier darum, Schaden vom Land Hessen abzuwenden.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Meine Damen und Herren, in diesem Verfahren sind insgesamt Fehler gemacht worden. Der weit unbedeutendere Teil davon wurde vom Land Hessen gemacht, der weitaus bedeutendere Teil – gerade im Zusammenhang mit möglichen Schadenersatzklagen – kommt vom Bund. Deswegen gibt es jetzt zwei Schritte: Zuerst muss RWE beweisen, dass ihm wirklich ein maßgeblicher Schaden entstanden ist. Das bezweifle ich sehr. – Das andere ist, dass der Bund endlich seine Verantwortung wahrnehmen muss, anstatt immer nur auf andere zu deuten. Das ist der entscheidende Schritt, um jetzt wirklich gemeinsam Verantwortung für das Land zu übernehmen.

Alle hier können sich überlegen, auf welcher Seite sie stehen wollen.

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Ich würde mich freuen, wenn wir an dieser Stelle klar wären und sagen würden: Der Schaden muss vom Land abgewendet werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

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