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20.11.2012
Portraitfoto von Angela Dorn vor grauem Hintergrund.

Angela Dorn: Hessisches Energiezukunftsgesetz

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Das ist also der Gesetzentwurf, den Sie uns nach Fukushima und nach dem Energiegipfel vorlegen. Man könnte ihn als einen „Grobentwurf“ bezeichnen, als einen Entwurf, mit dem man zu den Experten geht und fragt: Schaut einmal, wir haben das vorbereitet. Was haltet ihr davon?

Wirklich schockiert mich aber, dass Sie einen einzigen Änderungsantrag – einen Miniänderungsantrag zu einem Seitenaspekt – eingebracht haben. Das soll jetzt ihr Energiegesetz sein?

(Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Da Sie fraktionsübergreifend Ziele festgesetzt haben, hätte ich mir zumindest gewünscht, dass Sie die Expertenmeinungen – von denen es in der Anhörung reichlich gab – nicht einfach in den Wind schlagen. Meine Damen und Herren, Ihr Energiegipfel verkommt zu einer einzigen Inszenierung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ich gestehe Ihnen durchaus zu, dass das für Sie eine Errungenschaft ist. Aus der Atompolitik auszusteigen und ein paar zusätzliche Flächen für Windkraftanlagen auszuweisen: Ja, das ist eine Errungenschaft für Sie. Aber was für Sie vielleicht ein großer Schritt ist, ist für die Energiewende gerade einmal so viel wie das Kriechen eines Babys. Das Baby hat jetzt also kriechen gelernt. Vom Laufen sind wir aber noch weit entfernt. Aber selbst dieser Vergleich hinkt; denn wenn Sie einmal ein Baby beim Kriechen beobachten – das kann ich gerade sehr gut –, stellen Sie fest, es macht das mit Freude und will vorwärtskommen. Was machen Sie? Sie sind erschöpft und verbraucht. Sie wollen überhaupt nicht mehr vorankommen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ich befürchte, Sie werden, was die Energiewende angeht, in dieser Legislaturperiode noch nicht einmal krabbeln.

(Zuruf des Abg. Peter Stephan (CDU))

– Ich rede zur Sache. Ich würde mit Ihnen nämlich gern einmal über die echten Herausforderungen dieser Energiewende reden. Wann sprechen wir über die Transformation des Strommarktes? Wann sprechen wir über Kapazitätsmärkte? Ich habe mich darüber gefreut, dass Block 6 des Kohlekraftwerks Staudinger nicht gebaut wird; aber ich habe mich nicht darüber gefreut, dass es beim Block 4 keine Möglichkeiten gibt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir brauchen endlich Anreize dafür, dass Gaskraftwerke gebaut werden, die flexibel sind und, im Gegensatz zu Kohlekraftwerken, schnell hochgefahren werden können, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint. Wir brauchen ein Lastmanagement. Die Industrie steht bereit. Sie als die angeblichen Vertreter der Industrie und der Wirtschaft haben diesen Punkt immer noch nicht verstanden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Peter Stephan (CDU))

Aber über solche zukünftigen Herausforderungen reden wir im Landtag nicht; wir bleiben nämlich bei den Grundfragen stecken. Sie sind leider noch wichtig. Es geht immer noch z. B. um die energetische Sanierung und um die Ausweisung von Flächen für Windkraftanlagen. Diese Punkte sind leider noch wichtig. Dabei hätten wir längst so weit sein können. Wir, die GRÜNEN und die SPD, haben so viele Gesetzentwürfe im Landtag vorgelegt. Wenn Sie ihnen zugestimmt hätten, wären wir längst weiter.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Es wäre schön, wenn wir mit Ihren Vorschlägen wenigsten so weit wären wie mit unseren Gesetzesinitiativen. Aber was machen Sie? Sie setzen ein Ziel: das Jahr 2050. Das ist ein Zeitpunkt, den die meisten hier wahrscheinlich nicht mehr erleben werden. Das ist bequem; denn es heißt, Sie müssen nicht wirklich heute schon damit beginnen. Außerdem sind die Maßnahmen, die Sie beschreiben, noch so unkonkret und so schwach, dass wir das Ziel, nämlich eine 100-prozentige Versorgung aus erneuerbaren Energien im Jahr 2050, auf diese Weise nicht erreichen werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Peter Stephan (CDU))

– Möglichst 100 Prozent. Das ist egal; denn im Jahr 2050 werden wir weder auf 100 Prozent noch auf „möglichst 100 Prozent“ kommen, wenn wir so voranschreiten wie Sie, Herr Stephan.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Peter Stephan (CDU))

Sie haben mit diesem Entwurf für ein Energiezukunftsgesetz die Chance verpasst, die Energiewende in die Hände der Bürger zu legen. Wo soll die Beteiligung wirklich stattfinden? Wo soll wirklich ein Profit erzielt werden? Vor Ort: in den Kommunen und bei den Bürgerinnen und Bürgern.

Ich möchte vier Punkte nennen, an denen Sie es versäumen, einen eindeutigen Schritt zu machen. Um dieses Ziel zu erreichen, brauchen wir nämlich klare Zwischenschritte bis zum Jahr 2050. Sogar die Bundesregierung legt in ihrem Energiekonzept Zwischenschritte fest; aber Sie sind dazu nicht in der Lage.

Wir müssen im Jahr 2020 im Vergleich zum Jahr 1990 40 Prozent der CO2-Emissionen einsparen. Dieser Zeitpunkt ist, im Gegensatz zum Jahr 2050, relativ nah. Was haben wir bisher geschafft? 8 Prozent haben wir eingespart. Aber eine Einsparung von 40 Prozent müssen wir bis zum Jahr 2020 erreichen. Wenn wir ehrlich sind, müssen wir zugeben, dass wir aufgrund des internationalen Flugverkehrs sogar eine Steigerung des CO2-Ausstoßes um 3 Prozent zu verzeichnen haben.

So müssen wir in allen drei Bereichen vorankommen: beim Strom, bei der Wärme und beim Verkehr. Aber Sie nennen keine Zwischenschritte. Warum machen Sie das nicht? Sie machen das nicht, weil Sie nicht konsequent vorangehen, sondern sich stattdessen verstecken wollen. Sie machen sich gerade einen schlanken Fuß auf Kosten der nächsten Generationen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Nun kommen wir zum Ausbau der erneuerbaren Energien. Herr Stephan, natürlich hängt das mit dem Landesentwicklungsplan zusammen; denn es wird im Gesetz darauf verwiesen. Das ist auch ein wesentlicher Baustein der Energiewende.

Meine Damen und Herren, wenn Sie immer nur sagen, an welchen Orten Windkraftanlagen nicht gebaut werden können, werden wir nicht vorankommen. Lassen Sie es doch zu, dass man die Probleme vor Ort löst. Sie denken immer nur schwarz-weiß: auf der einen Seite gute Flächen, bei denen es keine Konflikte gibt, auf der anderen Seite schlechte Flächen, bei denen es Konflikte gibt. Warum denken Sie in solchen Schwarz-Weiß-Kategorien? Man kann doch auch Eignungsflächen generieren. Damit zeigt man: Das ist zwar ein super Gebiet, aber es müssen noch Konflikte gelöst werden. – Es wäre so einfach.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Peter Stephan (CDU))

Der nächste große Bereich ist die energetische Sanierung. Wir alle haben uns ein sehr ehrgeiziges Ziel gesetzt: eine jährliche Steigerungsrate von 2,5 bis 3 Prozent bei der energetischen Gebäudesanierung. Sie sagen: Na ja, wir machen ein bisschen Beratung und ein bisschen Förderung, und dann wird schon alles gut gehen. – Es wäre schön, wenn alles so bequem wäre.

(Zuruf des Abg. Peter Stephan (CDU))

– Ich komme auf den Punkt gern zurück. Ich bin wie Sie der Meinung, dass die Blockade im Vermittlungsausschuss endlich beseitigt werden muss.

(Peter Seyffardt (CDU): Das hören wir gern! – Demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Wir GRÜNE haben auf unserem Parteitag deutlich gemacht, wir wollen, dass sich auch das Land Hessen finanziell daran beteiligt. Wir haben hier überhaupt keinen Dissens. Sie brauchen gar nicht dazwischenzurufen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu dem Punkt Beratung. Sie sagen immer, die Beratung müsse ausgebaut werden. Das ist etwas, was wir seit den Achtzigerjahren sagen. Wir sollten dort endlich einmal vorangehen. Das Problem ist, wir haben unglaublich viele Berater – auch angebliche Berater. Wir werden auch seitens des Handwerks beraten. Aber woher weiß der Verbraucher, wer gut ist? Woher weiß der Verbraucher, an wen er sich wenden muss?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir machen einen klaren Vorschlag: Wir brauchen eine Qualifizierung und eine Zertifizierung, sodass der Verbraucher sehen kann: Aha, der ist gut. – Außerdem müssen diese Berater vernetzt werden. Das ist keine kostspielige Angelegenheit; man muss es einfach in die Hand nehmen. Wir brauchen eine Verbraucheroffensive. Frau Ministerin, Sie sind für beides zuständig: Hier wäre ein Punkt, an dem Sie ganz klar vorangehen könnten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun zur Förderung. Herr Stephan, in einem Punkt bin ich mit Ihnen d‘accord. Aber wenn Sie immer nur von Förderung reden, frage ich Sie: Was brauchen wir denn in Hessen? Die Experten haben uns gesagt, wir brauchen in Hessen pro Jahr 450 Millionen Euro, wenn wir bei der Förderung vorangehen wollen. Über diese massiven Summen – auf der Landesebene sowieso nicht, aber auch nicht mithilfe von Bundesmitteln – verfügen wir im Moment einfach nicht.

Deswegen müssen wir endlich konsequent vorangehen. Sie können den Leuten draußen weiterhin vorlügen: „Wir wollen hier keine Verpflichtungen eingehen, wir machen eine nette Beratung, und wir sorgen für eine nette Förderung“; aber das Geld, das Sie anstellen, reicht einfach nicht. Das Problem wird sein, wer darunter leidet, nämlich zum einen der Klimaschutz und zum anderen die Leute, die es sich auf Dauer nicht leisten können, immer mehr für das Heizen auszugeben.

Präsident Norbert Kartmann:

Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Angela Dorn:

Deshalb müssen wir konsequent vorangehen, und deshalb fordere ich ein Erneuerbare-Energien-Gesetz, wie es in Baden-Württemberg vorgesehen ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, es geht um die Energiewende in Hessen. Sie versagen hier leider auf der ganzen Linie.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

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