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18.12.2014
Portraitfoto von Angela Dorn vor grauem Hintergrund.

Angela Dorn: Errichtung und Betrieb von Windenergieanlagen in Hessen

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Rentsch, zum Stichwort Glaubwürdigkeit: Die Person, die bei diesem Thema am Allerunglaubwürdigsten ist, sind wohl Sie. Sie haben den Landesentwicklungsplan höchstpersönlich unterschrieben. Sie haben die Windenergienutzung auf den Weg gebracht. Jetzt protestieren Sie gegen die Windkraftnutzung. Sie sind bei diesem Thema unglaubwürdig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ich möchte zu Beginn meiner Rede Ministerpräsident Bouffier zitieren, der, als er alle Fraktionen zum Energiegipfel eingeladen hat, am 5. April 2011 sagte:

Der Gipfel ist Auftakt intensiver Beratungen. Wenn sich die Energieversorgung schneller in Richtung erneuerbare Energien bewegen soll, müssen wir unter anderem über Energietransport und Energiespeicherung reden. Es wird nicht gehen, dass wir gegen alles sind, aber es muss der Versuch unternommen werden, zu schauen, ob wir gemeinsam für bestimmte Dinge sind.

Wir GRÜNEN haben nach dieser Einladung diskutiert – aber nicht lange, weil wir wussten: So schrecklich das Ereignis von Fukushima auch war, jetzt war ein Fenster für die Energiewende offen, das danach wahrscheinlich nicht mehr offen sein würde. Deshalb gab es im November 2011 eine Einigung, und bis auf die Fraktion DIE LINKE haben alle Fraktionen unterschrieben. Es ist kein Geheimnis, dass wir GRÜNE uns damals mehr hätten vorstellen können, z. B. die Energiewende noch schneller voranzubringen. Uns war eine fraktionsübergreifende, gesellschaftsübergreifende Einigung aber mehr wert. Die Energiewende kam nämlich gerade durch die Kluft zwischen den politischen Lagern nicht voran. Uns war die Energiewende wichtiger, als nach außen zu zeigen, dass man es immer noch etwas besser machen kann. Das unterschied uns damals von den LINKEN.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Herr Kollege Rock, wir maßen und wir messen dem Vertrag, der zwischen den Fraktionen und zwischen den gesellschaftlichen Gruppen ausgehandelt wurde, ein sehr hohes Gewicht bei. Das war ein politischer Erfolg und auch ein ganz persönlicher Erfolg von Ministerpräsident Bouffier. Ich gebe zu, dass es mir damals als Abgeordnete der Opposition nicht unbedingt gefallen hat, dass es ein persönlicher Erfolg war. Es ist in der Tat so: Das Abschalten von Biblis und der Energiegipfel bilden einen politischen Wendepunkt in der hessischen Geschichte.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Sehr geehrter Herr Kollege Rentsch, für mich sind die Unterschriften unter diesem Vertrag viel wert, denn hier geht es um Vertragstreue und um Glaubwürdigkeit – zwei Werte, die in der Politik sehr, sehr wichtig sind.

(Zuruf der Abg. Nicola Beer (FDP))

Sie, liebe Kollegen der FDP, haben mit dem Näherkommen der Landtagswahl diese Vertragstreue immer mehr aufgeweicht. Inzwischen haben Sie mit dem Vertrag komplett gebrochen. Das haben wir bei diesem Haushaltsentwurf gesehen. Ihre Kürzungsanträge richten sich auf das beim Energiegipfel Vereinbarte – aus einem einzigen Grund: um Proteststimmen zu bekommen. Meine Damen und Herren von der FDP, ich frage Sie: Sind Ihnen die Werte Vertragstreue und Glaubwürdigkeit eigentlich noch wichtig? Wollen Sie Ihr Netz nur für Protestwähler auswerfen, um wenigstens noch ein paar Stimmen zu bekommen? Wie kann man mit dem historischen Erbe einer Partei so umgehen?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie führen jetzt einen Feldzug gegen die Energiewende, insbesondere gegen Windenergieanlagen, und zwar nur deswegen, weil der Protest dort im Moment am stärksten ist. Ich will ganz klar sagen: Diesen Protest muss man wirklich nicht überdramatisieren. Ich möchte einmal die Emnid-Umfrage aus dem Jahre 2013 in Erinnerung rufen: 93 Prozent der Bevölkerung halten einen verstärkten Ausbau der erneuerbaren Energien für wichtig oder für äußerst wichtig; 59 Prozent sind speziell mit Windkraftanlagen in ihrer Nachbarschaft einverstanden; wenn dort schon Windräder stehen, steigt dieser Anteil auf 70 Prozent. Es gab im Vogelsberg eine Umfrage, die dieses Ergebnis örtlich noch einmal bestätigt hat. Aber Ihnen als FDP reichen wenige Proteste, um Stimmung vor Ort zu machen – nur um behaupten zu können, wir agierten gegen den Willen der Bevölkerung. Das tun wir eben genau nicht.

(Zurufe von der FDP)

Ein Bürgerentscheid ist ein Bürgerentscheid. Wenn die Bürgerinnen und Bürger von Oestrich-Winkel mehrheitlich entschieden haben, dass sie keine städtischen Flächen für die Nutzung der Windenergie hergeben wollen, dann gilt das Ergebnis dieses Bürgerentscheids.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU und der SPD)

Das ist eine Selbstverständlichkeit. Ich sage ganz deutlich aber auch: Das war bisher der einzige Bürgerentscheid in Hessen, der so ausging. Herr Rentsch, Sie haben es gerade ausgeführt: Zwei Bürgerentscheide, in Hünfeld und in Heidenrod, gingen eindeutig positiv für die Windkraftnutzung aus; in Bad Arolsen und in Braunfels haben sich einfach zu wenige Menschen beteiligt, das Quorum wurde nicht erreicht.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

– Vor Ort waren man zwar tendenziell dagegen, aber wenn zu wenige Menschen bei einem Bürgerentscheid ihre Stimme abgeben, dann zeigt das, dass das vor Ort wohl nicht das Riesenthema war.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren von der FDP, all das zeigt doch: Die große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger wollen die Energiewende, und sie wollen auch die Windkraftnutzung. Es gibt natürlich auch die Haltung „not in my backyard“; das wissen wir alle. Das sagt aber eine Minderheit.

Meine Damen und Herren, in Hessen findet die Energiewende statt. Sie findet mit den Bürgerinnen und Bürgern und für die Bürgerinnen und Bürger statt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Sie braucht natürlich unser Engagement – zu zeigen, warum Windräder für den Klimaschutz und für den Ausbau der erneuerbaren Energien wichtig sind.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

– Herr Kollege Rentsch, hätten Sie sich einmal dafür eingesetzt, dass der Emissionshandel anders funktioniert. Ihre Partei war im Bundestag doch eine der Kräfte, die dieses System so schrecklich gemacht haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Ministers Tarek Al-Wazir)

Wenn ein schwaches Lüftchen aufkommt, dann werden wir sicherlich nicht ängstlich den Kopf einziehen. Wir als Koalition und die, die für den Energiegipfel noch stehen, haben ein sehr gutes Konzept im Rücken. Für das kann man werben, und das ist auch gut so.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, das das Werben um Akzeptanz ist eigentlich nur ein ganz kleiner Teil der Energiepolitik. Die Energiewende ist ein Systemwechsel mit einem kompletten Umdenken, nicht nur im Strom-, im Wärme- und im Verkehrsbereich. Genau aus diesem Grund wollen wir als Koalition die Ergebnisse des Energiegipfels verstetigen. Wir wollen auch den Bereich Verkehr hinzunehmen. Das hat Kollege Schäfer-Gümbel schon gesagt, und das ist auch Inhalt unseres Koalitionsvertrages. Auf diesen Weg machen wir uns.

Ich möchte die Herausforderungen am Beispiel Strom darstellen. Ein Problem ist die Volatilität der Energie. Wie kann man schnell und flexibel Energie dazuschalten, wenn gerade eine Spitzenlast gedeckt werden muss? Wie kann man den verbrauchsstarken Süden versorgen? – Über Lastmanagement und über Netzausbau.

Genau an diesen Punkten arbeiten wir – auch an der Integration der dezentralen Energie, damit die Wertschöpfung vor Ort passiert. Genau um solche Themen kümmern wir uns gerade. Herr Kollege Rock, wir hängen nicht mehr an diesen Scheinproblemen, wie die FDP das tut, sondern wir kümmern uns um die Energiewende hier im Land.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. René Rock (FDP))

Wir kümmern uns um ein weiteres ganz wichtiges Thema. Es gilt nämlich, hier einen Beweis zu erbringen: dass Deutschland als wirtschaftsstarkes Land durch die Energiewende nicht nur wirtschaftsstark bleibt, sondern sich auch ein Alleinstellungsmerkmal auf den Exportmärkten erarbeitet. Um das zu erreichen, muss man die Energiewende zum einen sehr gut umsetzen

(Zuruf des Abg. René Rock (FDP))

und zum anderen kosteneffizient gestalten. Herr Kollege Rock, genau darum kümmern wir uns. Das ist nämlich der Schlüssel zum Erfolg. So wird die Energiewende zum Exportschlager. Ich bin dankbar, dass die Koalition diese Aufgabe als prioritär betrachtet.

Ich freue mich immer wieder, dass es Unterstützung durch die SPD und in Teilen durch die LINKE gibt. Eines ist schließlich klar: Die Energiewende braucht vor allem eine ruhige Hand, Entschlossenheit, Weitblick, Geduld und den Dialog mit allen Beteiligten. Ich bin mir sehr sicher, dass wir mit Ministerpräsident Bouffier, mit Tarek Al-Wazir als Energieminister und mit Priska Hinz als Umweltministerin drei Personen an der Spitze haben, die die dafür erforderlichen Fähigkeiten besitzen. Als Koalition werden wir sie auf genau diesem Weg unterstützen, und ich bin froh, dass wir da so erfolgreich vorangehen. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Vizepräsident Wolfgang Greilich:

Vielen Dank, Frau Kollegin Dorn.

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