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23.06.2016
Portraitfoto von Angela Dorn vor grauem Hintergrund.

Angela Dorn – Erneuerbare Energien weiter ausbauen und Einbeziehung Hessens in ein Netzausbaugebiet verhindern

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Die FDP will einmal wieder die Energiewende in Verruf bringen. Lieber Herr Kollege Rock, dabei ist die Energiewende der Garant für eine saubere und sichere Energieversorgung, für die Unabhängigkeit von anderen Ländern und weltweiten Krisen, mittel- und langfristig für günstige Energiepreise, für eine breite regionale Wertschätzung und deshalb für einen andauernden Jobmotor. Lieber Herr Kollege Rock, die Energiewende ist vor allem die einzige Möglichkeit, dem Klimawandel Einhalt zu gebieten.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der SPD – Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken übernimmt den Vorsitz.)
Klar ist es eine große Herausforderung, es ist aber auch eine riesige Chance. Ich möchte mich gar nicht so lange mit der Fraktion der FDP aufhalten, denn deren Position ist hinreichend bekannt. Wichtiger ist, was gerade auf Bundesebene passiert.
Ich würde mir wünschen, auf Bundesebene wieder einmal eine positive Grundeinstellung zu sehen. Leider ist es so, dass Energieminister Gabriel kaum mehr über Chancen der Energiewende redet, er redet vor allem über Kosten. Er versteift sich dabei sogar zur Panikmache. Im Bundestag hat er vor dem großen Risiko der Deindustrialisierung gewarnt.
(Zuruf des Abg. René Rock (FDP) – Weitere Zurufe von der FDP)
Da ruft Herr Rock dazwischen: Da hat er recht. – Dieses Argument kenne ich eigentlich vor allem von den Kollegen der FDP-Fraktion. Ich finde es sehr schade, dass der Bundesenergieminister sich zu dieser Wortwahl hinreißen lässt.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Selbstverständlich spielt die Kosteneffizienz bei der Frage Energiewende eine sehr wichtige Rolle. Das ist für uns als Koalition in Hessen selbstverständlich, gerade bei den Umsetzungen, die wir selbst machen. Ich kann es auch rein ökologisch erklären, dafür braucht man keine ökonomischen Erklärungen. Eines ist klar: Wir wollen weltweit einen Klimawandel erreichen. Wenn wir allein in Deutschland die Energiewende machen würden, wäre das nicht genug. Weltweit müssen uns alle Länder folgen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die Länder werden uns nicht nur dann folgen, wenn wir beweisen können, dass wir es schaffen, sondern vor allem dann, wenn wir beweisen können, dass es ökonomisch ein Erfolg ist. Deswegen ist es unser ureigenstes Interesse, die Kostenbalance im Griff zu halten.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)
Lieber Herr Kollege Rock, wenn Sie sich immer um die energieintensive Industrie sorgen:
(Zuruf des Abg. René Rock (FDP))
– Ich sorge mich auch um die Industrie. Aber um die energieintensive Industrie müssen Sie sich bei den Strompreisen keine Sorgen machen, die sind nämlich ausgenommen. Sie haben die Möglichkeit, an der Börse den Strom zu beziehen. Kollege Rock, an der Börse sinkt der Strompreis. Sie sollten sich lieber um die vielen kleinen und mittleren Unternehmen Gedanken machen, die diese Ausnahmen tragen. Wir sollten Modelle für einen schleichenden und nicht abrupten Übergang entwickeln. Das wäre die wahre Sorge, die man haben müsste, aber nicht immer die gleiche Leier. Die energieintensive Industrie ist richtigerweise ausgenommen. Immer wieder zu sagen, sie hätten zu wenig, ist falsch. Das wird auf dem Rücken der anderen ausgetragen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir haben uns von Beginn an genau überlegt, wie man die erneuerbaren Energien richtig auf den Markt bringen kann, auch mit dem Thema Balance der Kosten. Herr Kollege Rock die Wahrheit ist doch – Sie reden immer von Wettbewerb –, einen echten Wettbewerb gibt auf dem Strommarkt doch gar nicht. Den kann es auch gar nicht geben, weil Kohle und Atom lange subventioniert waren. Das dauert bis heute an. Auf der Stromrechnung erscheinen diese Kosten nicht, aber sie werden trotzdem von den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern bezahlt.
Erst im letzten Jahr wurde ein weiterer Fehlanreiz von der Bundesregierung gemacht, nämlich Kohlekraft als Reserve vorzuhalten. Der Steuerzahler zahlt dafür mehr als 1 Milliarde €.
Wenn wir einmal ehrlich über Kosten reden,
(Zuruf des Abg. René Rock (FDP))
– Ja, sehr gerne, Herr Kollege Rock – wenn wir die Kosten auf der Stromrechnung transparent darstellen würden, würde nicht nur eine EEG-Umlage dort stehen, so wie wir es mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz gemacht haben, dann brauchten wir auch eine konventionelle Energieumlage. Herr Kollege Rock, die ist nämlich weit höher.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –Zuruf des Abg. René Rock (FDP))
Mit den erneuerbaren Energien sind wir jetzt auf dem Markt angekommen. Das ist aus unserer Sicht auch gut so. Dazu haben wir uns im Koalitionsvertrag auch ganz klar bekannt. Wir brauchen grundlegende Anpassungen im Erneuerbare-Energien-Gesetz. Nur das, was die Bundesregierung jetzt vorgelegt hat, das ist ein Problem. Das gefährdet die Energiewende und die Vielfalt der Akteure in Hessen. Das ist nicht der richtige Wurf, der von der Bundesregierung gekommen ist.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich möchte Herrn Ministerpräsidenten Bouffier ganz herzlich danken. Er hat sich auf der Ministerpräsidentenkonferenz für die hessische Energiewende sehr stark gemacht.
Liebe Kollegen der FDP, zu Ihrem Antrag. Ich glaube, es ist kein Geheimnis, dass GRÜNE und CDU in Nuancen andere Sichtweisen zum Erneuerbare-Energien-Ansatz haben. Eines ist aber klar, wo wir, ohne überhaupt diskutieren zu müssen, zusammenstehen, ist dann, wenn die hessischen Interessen verloren gehen, wenn auf anderer Ebene etwas getan wird, bei dem unsere heimische Wirtschaft Nachteile hat. Da gibt es keinen Diskussionspunkt. Da hat der Ministerpräsident sehr gut für uns gekämpft. Dafür danke ich ihm auch.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Jetzt ist es aber leider so, dass der hessische Einfluss begrenzt ist, der Einfluss der Länder ist begrenzt. Das Gesetz ist nicht zustimmungspflichtig. Es gab viele Bundesratsbeschlüsse, die Hessen vorangebracht oder mitgetragen hat, es gab viele Expertenwarnungen, die Bundesregierung hat aber leider alle ignoriert.
Ich möchte die wesentlichen Kritikpunkte aus unserer Sicht nennen. Das eine ist: Ein EEG müsste sich an den Klimaschutzzielen und an einem Gesamtkonzept orientieren.
(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))
Das ist eigentlich ein einfaches Prinzip, man müsste die Förderung der erneuerbaren Energien so ausgestalten, dass man diese Ziele auch erreicht. Ziele gibt es genug, es gibt verbindliche Klimaziele, gerade nach Paris, es gibt neu gesteckte Ziele der Bundesregierung für Elektromobilität, es gibt ein Klimaschutzkonzept. Doch leider wurde die Ausbauobergrenze viel zu gering angesetzt. So können wir die Ziele nicht erreichen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU und der LINKEN)
Es ist unsinnig, dass man gerade bei den günstigen Energieformen der erneuerbaren Energien einen Deckel einzieht: der Deckel beim Ausbau von Windkraft an Land, der gerade eingeführte Deckel von Fotovoltaik. Das sind die kostengünstigsten Energieformen. Wir brauchen mehr erneuerbare Energien. Wir denken an ein Gesamtkonzept. Der Bereich Strom ist nicht isoliert zu betrachten. Wir reden davon, dass Strom, Wärme und Verkehr ineinanderfließen. Wir brauchen mehr erneuerbare Energien, damit wir diese Marktdurchdringung erreichen.
(Zuruf des Abg. René Rock (FDP))
Wir brauchen ein ganzheitliches Konzept der Energiewende, so gelingt es nicht.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Es gibt noch einen anderen Punkt, bei dem wir uns mit der CDU sehr eingesetzt haben, das ist die Abschaffung der De-minimis-Regelung. Prinzipiell wurde die Förderung im EEG verändert. Vorher gab es die feste Vergütung, die langsam abgeschmolzen ist. Jetzt gibt es das Prinzip der Ausschreibung. Wenn auch die Branche immer wieder Probleme hat und darüber klagt, wir stehen dazu, dass jetzt die Phase der Ausschreibung erreicht ist. Was wir aber nicht wollen, darin sind wir uns einig, ist, dass die Bürgerenergien, die vielen kleinen Akteure, die Energiegenossenschaften, die Stadtwerke unter die Räder kommen. Das ist für uns die regionale Wertschöpfung. Das sind die Akzeptanzträger dieser Energiewende. Diese Projekte sollten von der Ausschreibung ausgenommen werden.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Das haben wir im Jahr 2014 erreicht. Damals gab es einen Kompromiss zwischen den Bundesländern und dem Bund. Dafür hat sich auch Hessen sehr eingesetzt. Wir hatten diese De-minimis-Regelung. Die Bundesregierung kündigt diesen Konsens jetzt auf. Das ist ein riesen Fehler, denn sie bricht damit das Rückgrat der Energiewende auch in Hessen.
(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))
– Der Ministerpräsident hat sich für die Energiewende, auch für unseren Punkt, eingesetzt.
(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))
– Sie wissen selbst, dass in der Ministerpräsidentenkonferenz das Prinzip der Einstimmigkeit besteht.
(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))
– Es gilt, dass wir uns eingesetzt haben und eine Menge Anträge im Bundesrat vorgebracht haben. Die Bundesregierung hat alle ignoriert. Die Bundesregierung wollte an diesem Punkt nicht weiter verhandeln. Sie wissen selbst, dass es bei der Ministerpräsidentenkonferenz kein Mehrheitsprinzip sondern das Einstimmigkeitsprinzip gibt.
(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel)
– Ich verstehe, dass es Ihnen Probleme bereitet.
(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))
Der Bundesminister Sigmar Gabriel, Ihr Vorsitzender, hat dieses EEG vorgelegt. Wenn Sie dann immer auf andere zeigen, ist das vielleicht ein bisschen kleinkariert.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Es gibt für Hessen im Erneuerbare-Energien-Gesetz eine doppelte Benachteiligung. Das eine ist das Referenzertragsmodell. Eigentlich müsste die Bundesregierung ein Interesse daran haben, dass Wind relativ gleichmäßig verteilt wird. Wir werden immer Nord-Süd-Gefälle haben, aber relativ gleichmäßig. Es heißt nämlich: Mehr Netzstabilität, geringerer Netzausbaubedarf – das ist auch ein Thema, worüber wir lange geredet haben –, aber unsere Windkraftstandorte werden abgewertet.
(Zuruf des Abg. René Rock (FDP))
Wenn es uns um wirklichen Wettbewerb geht, dann müsste man auch echte gleiche Chancen und Fairness haben. Da müsste man beim Ausschreibungsverfahren auch die gleichen Chancen haben. Das ist leider nicht gegeben.
(Zuruf des Abg. René Rock (FDP))
Herr Kollege Rock, ich habe es Ihnen eben schon einmal erklärt, leider ist das Problem, dass auf dem Energiemarkt kein echter Wettbewerb besteht. Dafür haben wir uns als GRÜNE sehr früh eingesetzt. Ein echter Wettbewerb auf dem Energiemarkt ist von vorneherein nicht gegeben gewesen. Wenn Sie mir mal erklären würden, wie Sie einen echten Wettbewerb auf dem Strommarkt erreichen wollen, darauf wäre ich sehr gespannt.
Ihr Quotenmodell, das Sie uns vorgestellt haben, hat – Ihre Bundestagsfraktion hat damals keinen Hehl daraus gemacht – einzig und allein dazu gedient, die erneuerbaren Energien abzuwürgen. Da habe ich spannende Papiere gelesen.
Wenn Sie hier ehrlich mit uns über die perfekte Förderung der erneuerbaren Energien reden wollen, dann sagen Sie es doch einfach ehrlich: Sie sind für Kohlekraft, Sie sind gegen erneuerbare Energien. – Herr Kollege Rock, damit sind Sie aus der Diskussion schon draußen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken:

Kommen Sie bitte zum Schluss?

Angela Dorn:

 

Ich komme zum Schluss. – Die größte Dreistigkeit ist, dass Netzengpassgebiete plötzlich zu Netzausbaugebieten erklärt werden. Wir haben hier kaum Abregelungen. Es wird gesagt, dass es darum geht, dass die Transportnetze überlastet sind. Wir können unseren dezentralen Strom, den wir hier erzeugen, auch verbrauchen. Wir dürfen nicht in Mitleidenschaft gezogen werden, weil es im Norden Probleme gibt, weil es dort nicht genug Synchronität zwischen Netzausbau und Energieerzeugung gibt. Wir können unseren dezentralen Strom vor Ort verbrauchen, und deswegen ist es ungerecht, dass wir ins Netzausbaugebiet kommen sollen. – Vielen Dank.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
 

Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken:

Danke, Frau Dorn.

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