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16.11.2011

Andreas Jürgens: Einzelplan 05 - Hessisches Ministerium der Justiz, für Integration und Europa

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Einzelplan 05 zeigt bereits in seinem Vorwort einen Justizminister, dessen Glaubwürdigkeitsfaktor bei null angekommen ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erwähne erneut, was ich schon mehrfach zitiert habe. In der Debatte zu den Gerichtsschließungen hat er zu seinem Gesetzentwurf eine noch angeblich einfache Alternative genannt:

Entweder, es gibt weniger Standorte und viele Richter und Folgepersonal, oder es gibt mehr Standorte und erheblich weniger Richter und Folgepersonal.

Herr Justizminister, in der Folgezeit und im Einzelplan 05 machen Sie aber klar, dass Sie damit die Öffentlichkeit und die Justiz schlicht getäuscht haben. Sie wollen nicht entweder oder, Sie wollen sowohl Schließung von Gerichten als auch eine Reduzierung von Personal.

Sie haben angekündigt, bis zum Jahr 2016  350 bis 400 Stellen abzubauen. Erst ringen Sie einzelnen Gerichtsbarkeiten mit dem Versprechen, es werde gerade kein Personal abgebaut, die Zustimmung zu den Gerichtsschließungen ab, um kurz danach – im September wurde der Haushaltsplanentwurf vorgelegt – die eigenen Versprechen Lügen zu strafen und einen umfassenden Personalabbau anzukündigen.

Meine Damen und Herren, diejenigen, die im Rechts- und Integrationsausschuss Mitglied sind, haben bei der Anhörung zu den Gerichtsschließungen mitbekommen, mit welcher Ablehnung, geradezu Verachtung, die Organisationen der Justizbediensteten über den Justizminister reden. Niemals zuvor hat ein Justizminister seinen Ruf in der Justiz so schnell und so nachhaltig ruiniert wie Jörg-Uwe Hahn.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Herr Hahn, verglichen mit Ihnen ist der sprichwörtliche Wendehals ein Muster an Beständigkeit.

Meine Damen und Herren, die Personalausstattung der Justiz, die Anzahl der Stellen ebenso wie ihre Verteilung innerhalb der Justiz ist immer ein erheblicher Streitpunkt. Deswegen wurde in den letzten Jahren viel Kraft und viel Zeit darauf verwandt, mit PEBB§Y eine rationale Grundlage für die Personalbesetzung zu finden. Für diejenigen, die nicht ständig damit befasst sind: Das ist die Abkürzung für Personalbedarfsberechnungssystem.

In umfangreichen bundesweiten Erhebungen über mehrere Jahre wurde ermittelt, welcher Personaleinsatz für welchen Arbeitsanfall eigentlich notwendig ist. Mit weiterem erheblichen Aufwand wurden diese Ergebnisse an hessische Verhältnisse angepasst. Das Ergebnis war immer: Die Justiz in Hessen ist unterbesetzt. Es fehlen Stellen für Richterinnen und Richter ebenso wie Stellen für richterliches Personal. Sie wollen dieses Problem nicht beseitigen, sie wollen es noch verschärfen.

Wenn man das auf die ordentliche Gerichtsbarkeit herunter rechnet – dort sollen 45 Richterstellen und 170 Stellen im mittleren und einfachen Dienst wegfallen, obwohl nach den PEBB§Y-Zahlen eine 111-prozentige Belastung besteht –, dann müsste das Personal eigentlich um 11 % aufgestockt werden.

Das Problem daran ist, dass wir einen Justizminister haben, der keine Vorstellung von den Besonderheiten der Justiz hat. Wir reden nicht über eine x-beliebige Behörde wie jede andere, sondern über die dritte Gewalt. Die Unabhängigkeit der Justiz, die Rechtsweggarantie der Verfassung, die Gleichheit vor dem Gesetz, oder – einfacher ausgedrückt – der Wunsch nach einer gerechten Gesellschaft erfordern eben auch eine angemessene Personalausstattung der Justiz. Das müsste der Maßstab sein, und nicht eine Personalkürzung mit dem Rasenmäher.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der LINKEN)

Selbst wenn man die Auffassung vertritt, dass auch die Justiz Einsparungen hinnehmen muss, dann muss man als Berechnungsmaßstab den eigentlich notwendigen Personalbedarf, und nicht den Ist-Zustand, der schon einen Mangel darstellt, zur Grundlage nehmen. Das ist deswegen ärgerlich, weil Sie reale Einsparmöglichkeiten – Frau Hofmann hat bereits darauf hingewiesen – im Personalbereich nicht nutzen.

Seit mehreren Jahren, spätestens aber im letzten Jahr, hatte ich in den Haushaltsdebatten darauf hingewiesen, dass wir beim Verwaltungsgerichtshof ohne Qualitätsverlust, allein aufgrund der rückgängigen Eingangszahlen, mindestens einen Senat einsparen könnten. Der erste Schritt dazu wäre, eine Vorsitzenden-Stelle nicht wieder zu besetzen und zu streichen. Jetzt lesen wir im Stellenbesetzungsplan, es soll weiterhin zwölf Vorsitzenden-Stellen, also die gleiche Anzahl von Senaten, geben, nicht einmal mit einem kw-Vermerk versehen. Das heißt, sie sind auch nicht künftig wegfallend. Bei den Indianern zu sparen und die Häuptlinge ungeschoren zu lassen, dass ist und bleibt auch in diesem Falle ungerecht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Justizminister, ich bin auch gespannt, wie Sie die Stellenstreichungen im Justizvollzug umsetzen wollen. Herr Honka hat darauf hingewiesen, welche Stellenmehrbesetzungen es in den letzten Jahren gegeben hat. Es soll sie auch in diesem Jahr wieder geben. Warum planen Sie denn eigentlich, 65 dieser Stellen wieder zu streichen, wenn Sie vorher behauptet haben, sie würden gebraucht? Das macht überhaupt keinen Sinn. Es ist doch mit Händen zu greifen. Wir haben zwar einen Rückgang an Gefangenenzahlen, aber ob auf einer Station 20, 25 oder 30 oder was weiß ich wie viele Gefangene sind, sie muss immer personell besetzt sein. Es muss immer mindestens ein Beamter anwesend sein, unabhängig von der Anzahl der Gefangenen, außer, Sie ziehen in Erwägung, eine weitere Vollzugsanstalt zu streichen. Das sollten Sie aber dann auch offen sagen. Sie sollten den Mitarbeiterinnern und Mitarbeitern reinen Wein einschenken. – Egal was Sie sagen, glauben würde Ihnen sowieso keiner mehr.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Vizepräsident Heinrich Heidel:

Ich will Sie nur auf die vorgesehene Redezeit hinweisen.

Dr. Andreas Jürgens:

Okay. – Es gibt noch eine ganze Reihe von Einsparmaßnahmen und Effizienzsteigerungen, die wir vorgeschlagen haben. Wir haben immer wieder gesagt, wir brauchen die drei Es: Einsparung, Effizienzsteigerung, Einnahmeverbesserungen. – Man könnte Registergerichte zusammenlegen, man könnte die elektronische Aufenthaltsüberwachung, die elektronische Fußfessel, für weit mehr Dinge einsetzen, als Sie das geplant haben.

Man könnte Aufgaben der Rechtspflege auf die Serviceeinheiten verlagern, und man könnte die seit Langem unveränderten Gerichtsgebühren maßvoll anheben. Wir haben ausgerechnet, allein eine Anhebung um 5 % würde einen Mehrbetrag von rund 15 Millionen € ergeben, also fast so viel, wie Sie mit den Stelleneinsparungen einsparen wollen.

Es gibt andere Wege, die man gehen kann, ohne die Funktionsfähigkeit der Justiz zu gefährden. – Danke schön.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)