Inhalt

05.03.2015
Portraitfoto von Tarek Al-Wazir vor grauem Hintergrund

Aktuelle Stunde: Tarek Al-Wazir, Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung – Steuerbonus für energetische Sanierung muss kommen

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin etwas überrascht, dass sich eine Regierungspartei auf Bundesebene zu diesem Thema nicht äußern möchte, aber vielleicht kommt ja noch etwas.

Bis vor einer Woche haben wir uns bei der energetischen Gebäudemodernisierung auf einem guten Weg gewähnt. Dann kam die für fast alle überraschende Nachricht aus Berlin, dass im Koalitionsausschuss von CDU, CSU und SPD am 24. Februar keine Einigung hinsichtlich der Finanzierung des grundsätzlich von allen gewünschten Programms zur steuerlichen Abschreibung von energetischen Modernisierungsmaßnahmen erzielt werden konnte. Wenn ich „fast alle“ sage, so schaue ich dabei in den Süden der Republik.

Ich will auch aus Sicht der hessischen Landesregierung ausdrücklich sagen, dass es für uns unbegreiflich ist, warum eine Maßnahme, über die sich die Bundeskanzlerin und – das betone ich – alle Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten Mitte Dezember 2014 grundsätzlich geeinigt hatten, nun doch wieder scheitern soll, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Demonstrativer Beifall des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Es ist vor allem deshalb unbegreiflich, weil wir uns im Dezember auf eine aufkommensneutrale Umsetzung dieses Programms verständigt hatten. Nun heißt es aber plötzlich aus der CSU – und dadurch auch aus der Bundesregierung –, dass eine Gegenfinanzierung durch die Einführung eines Sockelbetrags beim Handwerkerbonus nicht mehr möglich sei. – Ich will ausdrücklich sagen, dass dies ein verheerendes Signal für die Energiewende und kein Ruhmesblatt für die Große Koalition ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen werden wir den Kampf um dieses wichtige Programm nicht aufgeben und auch weiterhin selbst tätig sein; denn die energetische Gebäudesanierung ist einer der wichtigsten Punkte, der momentan noch lange nicht so erfolgreich läuft, wie es der Fall sein müsste.

Wir haben als Landesregierung, als Mehrheit im Hessischen Landtag mit dem Haushaltsbeschluss 2015 und auch 2016 – das haben wir vor – den Etat für die hessische Energiesparaktion um 20 Prozent auf jährlich 1,3 Millionen Euro erhöht.

(Norbert Schmitt (SPD): 1,3 Millionen Euro! Das ist ja sensationell!)

– Das ist nicht unbedingt sensationell, Herr Kollege Schmitt. Aber diese hessische Energiesparaktion ist eine der erfolgreichsten Energiesparaktionen der Bundesländer. Mit diesen Mitteln wird nicht gefördert, sondern es werden die Bürgerinnen und Bürger beraten, was man machen kann und woher man Fördermittel bekommt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Holger Bellino (CDU) – Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Ich verstehe nicht, was es da dazwischenzurufen gibt – vor allem, wenn die SPD-Fraktion bisher nicht in der Lage war, in dieser Aktuellen Stunde überhaupt das Wort zu ergreifen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Ich will ausdrücklich sagen, dass Informationen und Praxistipps in dieser Frage sehr wichtig sind; denn es herrscht eine große Verunsicherung bei den Bürgerinnen und Bürgern hinsichtlich der Frage, welche Maßnahmen man machen kann, wie teuer manche Maßnahmen sind, welche Maßnahmen sich zuerst amortisieren. Soll man das Dach machen? Soll man die Fenster machen? Soll man an die Gebäudedämmung gehen? Soll man an die Geschossdecken gehen? Soll man an die Kellerdecke gehen usw. usf.?

Die Beratung ist wichtig, aber es ist klar: Beratung alleine wird nicht reichen, weil die energetische Modernisierung in Deutschland nicht so vorangekommen ist, wie wir es uns gewünscht haben und wie wir es uns vorgenommen haben.

Ich will darauf hinweisen: 40 Prozent des Energieverbrauchs entfallen auf den Gebäudebereich, und wir sind weiterhin bei einer Sanierungsquote von unter 1 % der Gebäude pro Jahr. Das reicht nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Ich will ausdrücklich sagen, dass die bestehenden Instrumente – es gibt Instrumente, vor allem die Programme der KfW – gut, richtig und wichtig sind. Aber ganz offensichtlich reichen sie nicht aus. Das könnte etwas damit zu tun haben, dass in Zeiten, in denen man als Privathausbesitzer Modernisierungskredite für den Baubereich für 1,3 Prozent bekommt, eine Zinsverbilligung vielleicht nicht mehr die Wirkung hat, die man sich erwünscht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Vizepräsident Wolfgang Greilich übernimmt den Vorsitz.)

Wenn man sich das anschaut, stellt man fest, die Fallzahlen und die verausgabten Mittel bei den KfW-Sanierungsprogrammen sinken seit 2012. Deswegen habe ich eine große Skepsis, ob die angekündigte Antwort von Sigmar Gabriel, dass er die Ausstattung der KfW-Programme erhöhen will, am Ende ausreicht.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Denn, wie gesagt, die sind schon vergleichsweise attraktiv. Wir brauchen offensichtlich andere Instrumente. Genau deswegen denken wir seit Jahren über die steuerliche Absetzbarkeit von energetischen Modernisierungsmaßnahmen nach, weil wir es für ein sehr wichtiges Instrument halten. Genau deswegen haben wir es in unseren Koalitionsvertrag aufgenommen. Genau deswegen haben wir im Jahr 2014 – –

Vizepräsident Wolfgang Greilich:

Herr Minister, ich darf Sie an die Redezeit erinnern.

Tarek Al-Wazir:

Vielen Dank, Herr Präsident. Am Anfang meiner Rede war es noch eine Präsidentin, aber gut. – Deswegen haben wir uns dafür eingesetzt, zu einer Lösung zu kommen. Bei dem gegenwärtigen Entwurf, über den wir uns alle einmal einig waren – 16 Bundesländer im letzten Dezember –, konnten wir auch nicht alles durchsetzen, was wir wollten. Wir hätten z. B. gerne gehabt, dass man ein KfW-Programm einerseits und eine steuerliche Absetzbarkeit andererseits kombinieren kann. Aber wir haben auch da einen Kompromiss in Kauf genommen, damit das Programm überhaupt kommt. Deswegen ist das so unglaublich schade.

Ich will an dem Punkt darauf hinweisen: Wir haben vieles verändert im Vergleich zu dem, was vor zwei Jahren schon einmal im Vermittlungsausschuss war. Wir haben uns beispielsweise dafür eingesetzt, dass man die Förderung der Einzelmaßnahmen durch den Abzug von der Steuerschuld anstelle eines progressionsabhängigen Steuervorteils einsetzt, weil es klar ist: Das wirkt besonders auf diejenigen, die nicht besonders viel haben, weil sie es dann von der Steuerschuld absetzen können. Das kann genau der Punkt sein, wo sie anfangen, darüber nachzudenken.

Deswegen ein letzter Punkt zur Gegenfinanzierung. Ich finde weiterhin, dass eine Gegenfinanzierung über die Einführung eines Sockelbetrags beim Steuerbonus für Handwerkerleistungen das richtige Instrument ist.

(Zuruf des Abg. Jürgen Lenders (FDP))

– Auch das hessische Handwerk hat gesagt, dass sie bereit wären, für die steuerliche Absetzbarkeit der energetischen Gebäudesanierung einen solchen Sockelbetrag hinzunehmen. Herr Kollege Lenders, man müsste einmal wahrnehmen, dass selbst das Handwerk sagt, es ist in Ordnung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Abgeordneten der CDU)

Schließlich haben wir den Bundesrechnungshof und mehrere Forschungsgutachten, die gesagt haben, dass es beim Handwerkerbonus gute – Stichwort: Verhinderung der Schwarzarbeit – Wirkungen gibt, aber gerade bei niedrigen Rechnungsbeträgen auch große Mitnahmeeffekte. Dabei liegt 50 % dessen, was dort angemeldet wird, unterhalb der 300 Euro. Das bedeutet, dass es einen großen Beitrag zur Vereinfachung im Steuerverfahren liefern würde, wenn man einen solchen Sockelbetrag einführte. Es wäre eine wirkliche Win-Win-Situation gewesen: Klimaschutz, Energiesparen, Verwaltungsvereinfachung und Konjunkturbelebung.

Ich bin sicher, die Handwerker würden insgesamt deutlich stärker profitieren, wenn man die steuerliche Absetzbarkeit erreichen könnte, als sie von dem gegenwärtigen Handwerkerbonus profitieren können.

Deswegen sage ich ausdrücklich – letzter Punkt –: Es bleibt dabei, wir brauchen die steuerliche Förderung von energetischen Gebäudesanierungsmaßnahmen. Wer einen durchdachten Vorschlag – das in Richtung CSU in Bayern und Bundesregierung – zur Gegenfinanzierung ablehnt, der soll, bitte schön, einen neuen machen, weil wir am Ende an diesem Punkt zum Erfolg kommen müssen, wenn wir unsere Klima- und Energiesparziele erreichen wollen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Wolfgang Greilich:

Vielen Dank, Herr Minister.

Kontakt