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23.07.2015
Portraitfoto von Tarek Al-Wazir vor grauem Hintergrund

Aktuelle Stunde – Tarek Al-Wazir, Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung: ÖPNV in Hessen besser finanzieren und ausbauen

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Woraus finanziert sich der öffentliche Personennahverkehr? Im Wesentlichen aus drei Säulen.

Erstens aus der Finanzierung der Verkehrsleistungen. Das ist das, was die Städte und Gemeinden dazugeben, und vor allem das, was der Bund dazugibt, Stichwort Regionalisierungsmittel. Wir sind momentan in einer Situation, dass selbst das, was es in der Vergangenheit gab und was unzureichend war, nämlich eine jährliche Erhöhung um 1,5 Prozent dieser Mittel, nicht kommt, weil die Bundesregierung – lieber Uwe Frankenberger – aus CDU, SPD und CSU nicht bereit war, rechtzeitig diese Revision durchzuführen.

Wir haben erstmals in dieser Legislaturperiode des Deutschen Bundestages den Vermittlungsausschuss angerufen, und zwar einstimmig alle Länder, über alle Parteigrenzen hinweg, mit 16 : 0. Nach der Sommerpause wird der Vermittlungsausschuss tagen. Wir hoffen, dass der Bund in dieser Beziehung endlich seiner Verantwortung gerecht wird, weil wir vor der Situation stehen, dass wir keine Klarheit haben, was in diesem, im nächsten und im übernächsten Jahr geschieht. Wenn wir es in diesem Herbst nicht wissen, müssen wir – ehrlich gesagt – anfangen, Leistungen abzubestellen. Nicht wir, sondern die Verbünde müssen das tun. Meine sehr verehrten Damen und Herren, daran kann niemand ein Interesse haben. – Das ist die eine Finanzierungsquelle.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Die andere Finanzierungsquelle ist die Finanzierung der Infrastruktur. Es geht um die Frage, wie wir beispielsweise in Zukunft große Schienenprojekte finanzieren. Dazu braucht man Mittel aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz. Auch da haben wir keinerlei Klarheit, weil das in den Bund-Länder-Finanzbeziehungen offen ist. Wir wissen nicht, ob es nach 2019 überhaupt noch ein Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz und die entsprechenden Mittel geben wird. Dementsprechend können wir auch jetzt kein Landes-GVFG als Gesetz machen, denn wir müssen erst einmal wissen, ob es überhaupt noch ein GVFG geben wird.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Herr Frankenberger, wenn wir diese Klarheit haben, dann – da können Sie sicher sein – werden wir auch ein Landesgesetz machen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, dazu ist die Koalition entschlossen, und das haben wir auch dementsprechend beschlossen. Diese Klarheit brauchen wir. Das heißt, wir haben auch bei der Finanzierung der Infrastruktur Unklarheiten.

Jetzt kommt die dritte Einnahmesäule. Das sind die Fahrpreise, die Fahrgelder. Einmal ganz nebenbei gesagt sind das – RMV, NVV und VRN – kommunale Zweckverbände. Daher ist es nicht das Land, das diese Preise beschließt, aber – liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linksfraktion – in einer solchen Situation wäre ein Verzicht auf eine moderate Anhebung der Fahrpreise absolut unverantwortlich.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Um Ihnen das einmal deutlich zu machen: Die Fahrpreiserhöhung von 1,9 Prozent beim RMV – um genau zu sein: um 1,85 Prozent – wird im Jahr 2016 für Mehreinnahmen von ungefähr 14 Millionen Euro sorgen.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Der RMV selbst geht davon aus, dass er im Jahr 2016 mit einem Mittelmehrbedarf in einem deutlich höheren Umfang zu rechnen hat. Das heißt, auch da müssen wir schon davon ausgehen, dass wir unbedingt einen Beitrag des Bundes zur Kostendeckung brauchen – sonst bekommen wir hier ein echtes Problem.

Einmal ganz nebenbei: Ich weiß, der RMV ist vergleichsweise teuer. Aber der RMV ist dabei, z. B. den Preissprüngen – Sie haben Frankfurt/Offenbach angesprochen – durch die Einführung des Handytickets zu begegnen, indem er Modelle schafft, damit man nur noch für die gefahrenen Kilometer zahlt und nicht mehr dafür, dass man eine Stadtgrenze überschreitet. Das ist noch die alte Wabenstruktur. Auch an der Lösung dieses Problems wird gearbeitet.
Eine kleine Antwort auf die Frage, woher man diese 14 Millionen Euro nehmen sollte – auf die man verzichten würde, wenn man keine Preisanhebung hat –, kann man auch von der Linksfraktion erwarten, oder man könnte das.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In diesem Zusammenhang will ich ausdrücklich sagen: Ja, der RMV gehört zu den eher Teuren. Aber das bedeutet immer noch, dass von den Fahrpreisen nur etwas über die Hälfte der Kosten gedeckt ist. Momentan ist die Inflation zwar vergleichsweise niedrig, aber das hilft den Verkehrsunternehmen nicht unbedingt, denn die Trassenpreise steigen, die die Bahn verlangt, und die Personalkosten steigen.

Ich bin ausdrücklich dafür, dass auch die ÖPNV-Leistungen nach Tarif bezahlt werden.

Aber: Das hat natürlich seinen Preis. Egal, ob die GdL oder die Eisenbahnergewerkschaft für höhere Löhne streikt, Sie stehen normalerweise an ihrer Seite und schwenken eifrig Fahnen. Das ist Ihr gutes Recht, aber es hat natürlich Auswirkungen auch auf der Kostenseite, wenn die GdL höhere Tarife durchsetzt. Insofern ist das, was da passiert, eigentlich völlig logisch. Deswegen müssen wir ja so dringend darum kämpfen, dass der Bund die Regionalisierungsmittel erhöht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Insofern sind wir sehr gespannt darauf, was nach der Sommerpause passiert. Ich kämpfe wirklich dafür, dass die Brisanz dessen, was passieren könnte, wenn nichts passiert, allen bewusst wird.

Ein letzter Punkt, weil der Kollege Frankenberger, den ich ansonsten sehr schätze, gesagt hat, im ÖPNV passiere in Hessen nichts. Ich weiß nicht, lieber Uwe Frankenberger, wo Sie leben. Wir haben die drei Abschnitte der Nordmainischen S-Bahn in die Planfeststellung gebracht – ein Projekt, über das seit 20 Jahren geredet wird. Jetzt sind die drei Abschnitte in der Planfeststellung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben den Finanzierungsvertrag für die S-Bahn-Station Gateway Gardens unterschrieben – ein Projekt, über das schon lange geredet wird. Jetzt wird es angepackt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir hatten bei der S 6, Frankfurt-West – Bad Vilbel, jetzt mit dem Gleiswechselbetrieb den formalen Baubeginn des dritten und des vierten Gleises zu verzeichnen. Wir werden dieses Projekt vorantreiben. Über dieses Projekt wird geredet, solange ich mich erinnern kann. Jetzt wird es umgesetzt, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das Land Hessen ist der Planungsgesellschaft für die Regionaltangente West beigetreten, um zu zeigen, dass dieses Projekt wirklich nach ganz vorne gehört. Lieber Uwe Frankenberger, die EU hat dieses Projekt in der letzten Woche als eines von zwei Projekten in Deutschland als besonders förderungswürdig anerkannt und wird die Hälfte der Planungskosten übernehmen. Jetzt wird es gemacht, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Am 11. September sind Sie alle zur Wiedereröffnung der Strecke Korbach – Frankenberg herzlich eingeladen. Ich hoffe, dass ich dich dort sehe, lieber Uwe; dann können wir gemeinsam mit der Kurhessenbahn fahren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Wir arbeiten am Bahnhofmodernisierungsprogramm weiter. Wir haben, wie in der Koalitionsvereinbarung beschlossen, die Verteilung der Entflechtungsmittel für die Bereiche Straßenbau und ÖPNV wieder auf das Verhältnis 50 : 50 umgestellt.

Ich würde es einmal so formulieren: Es gibt kaum eine Landesregierung, die so aktiv ist, um den ÖPNV nach vorne zu bringen, wie die jetzige Hessische Landesregierung. Man muss sie dafür ja nicht loben, dann aber noch zu kritisieren und zu behaupten, es passiere nichts, das verstehe ich einfach nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Insofern arbeiten wir am Projekt „Mobiles Hessen 2020“ weiter, und ich hoffe, das ganze Haus unterstützt die Hessische Landesregierung dabei.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Vizepräsident Frank Lortz:

Vielen Dank, Herr Minister.

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