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26.06.2014
Portraitfoto von Tarek Al-Wazir vor grauem Hintergrund

Aktuelle Stunde – Mindestlohn vernichtet Zukunftschancen junger Menschen in Hessen – Einstieg in den Arbeitsmarkt wird unnötig erschwert

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir haben in der Debatte gemerkt, dass der Mindestlohn jetzt vor der Tür steht und dass die FDP diese Aktuelle Stunde beantragt hat, weil – das hat Herr Abg. Klose gerade ausdrücklich und zutreffend gesagt – sie den Mindestlohn überhaupt nicht will. Es ist aber so, dass sich alle im Bundestag vertretenen Fraktionen für einen Mindestlohn ausgesprochen haben. Ich glaube, dass das unter dem Strich für die soziale Marktwirtschaft in Deutschland gut ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn man sich einmal überlegt, worin denn das Versprechen der sozialen Marktwirtschaft besteht, dann ist es durchaus so, dass sich das in den Sechzigerjahren einmal in einem Satz niedergeschlagen hat, der da heißt: Leistung muss sich lohnen.

Wir haben in Deutschland einen sehr großen Niedriglohnbereich, in dem sich Leistung in den letzten Jahren eben nicht gelohnt hat. Menschen haben zwar Vollzeit gearbeitet, mussten aber am Ende des Monats zum Amt gehen und um staatliche Unterstützung bitten. Das ist unterm Strich für die soziale Marktwirtschaft in Deutschland keine gute Nachricht, sondern eine Gefahr gewesen. Ich glaube, dass ein Mindestlohn von 8,50 Euro Deutschland am Ende nicht weniger wettbewerbsfähig machen wird, sondern dass er ein wirkungsvolles Instrument ist, um die Löhne am unteren Ende der Skala anzuheben und damit klar zu machen, dass die Idee der sozialen Marktwirtschaft nicht nur Zukunft hat, sondern auch mit neuem Leben gefüllt wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dazu gehört aber auch, dass man das mit Augenmaß macht. Dazu will ich in Richtung der Linkspartei ausdrücklich sagen: Wer dann mit Ideen um die Ecke kommt, sofort über 10, 12 oder 13 Euro pro Stunde zu reden, würde am Ende alle Vorurteile erfüllen. Er würde am Ende wirklich in Gefahr kommen, dass ein solcher Mindestlohn, wenn er denn zu hoch angesetzt wird, all die negativen Effekte haben könnte, die von den Gegnern immer vorgebracht werden.

Deswegen würde ich jetzt wirklich vorschlagen, dass wir mit 8,50 Euro pro Stunde beginnen. Am Ende müssen die Tarifparteien in der Mindestlohnkommission natürlich auch die Auswirkungen beachten, um zu sehen, ob man nachsteuern muss.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Was bei der Debatte in Deutschland ein bisschen schwierig ist, ist der ständige Alarmismus, also beständig ist alles katastrophal und fatal.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

– Ja, ich habe die Rede von Frau Kollegin Beer genau gehört. – Vielleicht können wir doch einmal sagen: Es gibt jetzt eine Übereinkunft, wo alle im Deutschen Bundestag sagen: „Wir fangen damit an“, und natürlich werden wir sehen müssen, ob Teile der alarmistischen Forderungen, der an die Wand gemalten Kassandrarufe, Realität werden oder nicht.

(Zuruf des Abg. René Rock (FDP))

Ich bin davon überzeugt, dass es am Ende nicht der Fall sein wird. Ich will ausdrücklich sagen – eigentlich lautet der Titel der Aktuellen Stunde: „Was passiert mit jungen Menschen?“ –: Ich glaube, dass es richtig ist, dass die Ausbildung an sich davon nicht erfasst wird. Ich bin auch davon überzeugt, dass es den Jugendlichen und den Eltern sehr bewusst ist, dass ein kurzfristiger Mehrverdienst in einem Aushilfsjob zulasten einer nachhaltigen Qualifikation teuer erkauft wäre.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Landesregierung wirbt darum, dass es rationale Entscheidungen gibt. „Rationale Entscheidungen“ heißt: Es ist immer besser, einen Ausbildungsberuf zu erlernen und eine Ausbildung abzuschließen, als in einem Aushilfsjob zu sein. Wir fördern dies mit zahlreichen Maßnahmen wie mit dem Ausbau der Berufsorientierung in den Schulen, mit der Verbesserung des Übergangs von der Schule in den Beruf und mit der Optimierung der Ausbildungsplatzvermittlung. An diesem Punkt will ich auch sagen: Wir wollen auch einen neuen Anlauf starten für bessere Rahmenbedingungen – mit einem neuen Bündnis für Ausbildung in Hessen. Ich bin davon überzeugt, dass wir es damit hinbekommen, mehr jungen Leuten eine Chance auf eine qualifizierte Ausbildung zu geben.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich setze auch darauf, dass wir, was die Praktika angeht, natürlich Ausnahmen in diesem Gesetz haben werden, die auch sinnvoll sind. Alle Praktika, die gesetzlich vorgeschrieben sind, sind ausgenommen, also im Rahmen von Schule und Studium. Alle Praktika, die weniger als sechs Wochen lang dauern, sind ebenfalls ausgenommen. Es ist so, da müssten wir uns eigentlich einig sein, dass Praktika, die teilweise über Jahre gehen und nicht vergütet werden, in Zukunft natürlich nicht mehr möglich sein werden, weil das ein Ausweichtatbestand wäre, den wir alle miteinander nicht wünschen können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Wolfgang Decker (SPD))

Vizepräsident Frank Lortz:

Herr Minister, seien Sie so gut und denken an die Redezeit und an das Fußballspiel.

Tarek Al-Wazir, Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung:

Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Natürlich werden wir gemeinsam ganz genau beobachten müssen, ob es unerwünschte Nebeneffekte gibt. Aber ich sage ausdrücklich: Ein Mindestlohn macht nur dann Sinn, wenn er nicht so viele Umgehungstatbestände beinhaltet, dass er keine Wirkung entfalten kann.

Lassen Sie uns das jetzt beginnen, und dann werden wir schauen, ob die ganzen alarmistischen Reden am Ende des Tages Wirklichkeit werden. Ich bin davon überzeugt, dass der Mindestlohn am Ende eine gute, eine positive Auswirkung auf den Wirtschaftsstandort Deutschland haben wird. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Frank Lortz:

Vielen Dank, Herr Minister.

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