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05.03.2015
Portraitfoto von Mathias Wagner vor grauem Hintergrund.

Aktuelle Stunde: Mathias Wagner – Aufklärung des NSU-Komplexes hat Priorität – Arbeit des NSU-Untersuchungsausschusses nach Kräften unterstützen

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bei der Gedenkveranstaltung für die Opfer des NSU-Terrors am 23. Februar 2012 hat Frau Bundeskanzlerin Merkel gesagt, ich zitiere:

Wir tun alles, um die Morde aufzuklären und die Helfershelfer und Hintermänner aufzudecken und alle Täter ihrer gerechten Strafe zuzuführen.

Das ist und bleibt der Auftrag für uns alle. Die Hessische Landesregierung und der Hessische Landtag stellen sich dieser Verantwortung mit einer Expertenkommission und mit einem eigenen Untersuchungsausschuss. Die parteiübergreifende Expertenkommission hat eine herausgehobene Stellung. Auch der Untersuchungsausschuss ist kein Untersuchungsausschuss wie andere vor ihm.

Ich habe mir einmal herausgesucht, womit sich dieser Hessische Landtag seit den Neunzigerjahren in Untersuchungsausschüssen beschäftigt hat. Da ging es einmal um die Berufung und die Entlassung eines Staatssekretärs, es ging um die Veräußerung einer landeseigenen Liegenschaft, Burg Staufenberg, oder es ging um die Förderung der European Business School. Das alles sind wichtige Themen, keine Frage – aber eben nicht vergleichbar mit den Verbrechen, mit denen wir uns im NSU-Untersuchungsausschuss beschäftigen müssen.

(Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Hier geht es um Mord. Hier geht es um Terror. Hier geht es um die nach wie vor unfassbare Tatsache, wie uns diese Vorgänge so lange entgangen sein konnten, wie wir so lange nicht verstehen konnten, was dort tatsächlich passiert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Deshalb ist dieser Untersuchungsausschuss kein Ausschuss wie jeder andere. Das ist kein Ausschuss, in dem sich Regierung und Opposition gegenüberstehen.

(Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD) – Weitere Zurufe – Glockenzeichen des Präsidenten – Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Das ist kein Ausschuss, in dem sich Parlament und Regierung gegenüberstehen, sondern es ist ein Ausschuss, in dem wir alle diesen unfassbaren Morden gegenüberstehen, wir alle verpflichtet sind, aufzuklären, und wir alle dafür Sorge tragen müssen, dass sich so etwas nie wieder wiederholen kann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Weil das kein Ausschuss wie jeder andere ist, sollten wir auch nicht in die Rituale wie bei anderen Ausschüssen verfallen.

(Lachen bei der SPD)

Alle sollten die Arbeit dieses Untersuchungsausschusses nach Kräften unterstützen. Alle sollten zweimal nachdenken, bevor sie das große Ziel der Aufklärung zugunsten der kleinen parteipolitischen Münze hintenanstellen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Alle sollten ihre Worte sorgsam wählen und bedenken, welche Bilder sie erzeugen oder welche Schlüsse sie nahelegen.

Das ist kein Ausschuss wie jeder andere. Vorhin habe ich einige Untersuchungsausschüsse genannt. Wenn wir in diesen früheren Ausschüssen über politische Verantwortung sprechen, dann sprechen wir über die Verantwortung für die Entlassung eines Staatssekretärs, für die Veräußerung einer Liegenschaft oder über die politische Verantwortung für die Förderung einer privaten Hochschule. In diesem Ausschuss reden wir, wenn wir über Verantwortung reden,

(Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

reden wir über die Verantwortung für Mord, für Terror, für das Versagen, diese Zusammenhänge rechtzeitig zu erkennen. Deshalb sollten wir sehr sorgfältig wägen, was wir in diesem Zusammenhang sagen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Bevor wir Schlüsse, Vorwürfe, Verdächtigungen gegenüber Institutionen, einzelnen Personen oder auch Politikern nahelegen, sollten wir lieber zweimal statt einmal nachdenken. Es sollte ein ganz einfacher Grundsatz gelten: erst aufklären, dann urteilen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Damit gar kein Missverständnis entstehen kann: Nach der Aufklärung muss auch hart geurteilt werden. Nach der Aufklärung müssen auch Verantwortlichkeiten klar benannt werden. Aber bei diesem Ausschuss verbietet es sich, erst zu urteilen und dann aufzuklären.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Meine Damen und Herren, ich sage ausdrücklich: Auch wenn manche Vorgänge als „ausermittelt“ gelten, sollten wir trotzdem offen sein für neue Fragen und Erkenntnisse. Meine Damen und Herren, wir sollten offen sein für neue Antworten auf alte, ungelöste Fragen.

Vizepräsident Frank Lortz:

Herr Kollege Wagner, Sie müssen zum Schluss kommen.

Mathias Wagner:

Lassen Sie uns alle gemeinsam fragen, wie wir bestmöglich zur Aufklärung beitragen können. Lassen Sie uns alle in uns gehen, wie wir das in der Arbeit dieses Untersuchungsausschusses noch besser machen können. Denn, meine Damen und Herren, dieser Untersuchungsausschuss ist kein Untersuchungsausschuss wie andere.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vizepräsident Frank Lortz:

Vielen Dank, Kollege Wagner.

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