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28.01.2010

Aktuelle Stunde - Kai Klose zum Thema: Hessen handelt erfolgreich in der Krise: Rekordmarke bei Erwerbstätigen

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir zunächst eine generelle Vorbemerkung. Wir GRÜNE freuen uns für jede Bürgerin und für jeden Bürger, die und der im Jahr 2009 in Hessen erwerbstätig war, vor allem auch für diejenigen, die es wieder geworden sind. Frau Lannert, insofern ist es tatsächlich eine gute Nachricht, die das Statistische Landesamt verkündet hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der FDP)

Dies vorausschickend muss ich aber leider feststellen, dass wir es einmal mehr mit einer Aktuellen Stunde nach dem beliebten Strickmuster „Entnehme einer Statistik eine Zahl, presse sie in deine bekannte Argumentationslinie, fertig ist die Aktuelle Stunde“ zu tun haben.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Wir wissen es ja alle besser. Um wirklich belastbare Aussagen zur Wirtschaftslage zu treffen, sind viele Daten in einer Gesamtschau zu betrachten und seriös zu interpretieren. Eine isolierte Zahl zum Anlass einer solchen Lobhudelei zu nehmen, spricht leider nicht für eine ernsthafte herangehensweise an das Thema und den Umgang mit den Betroffenen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zur Sache. Es ist bereits erwähnt worden, vor einer Woche vermeldete das Statistische Landesamt, in Hessen habe es 2009 im Jahresdurchschnitt 3,11 Millionen Erwerbstätige gegeben. Die Überschrift der Pressemeldung des Statistischen Landesamtes lautet – den Sachverhalt völlig korrekt beschreibend –: Entwicklung der Erwerbstätigkeit 2009 in Hessen stabil.

Herr Spies hat bereits darauf hingewiesen. Tatsächlich gibt es einen gewissen Widerspruch zum Titel der Aktuellen Stunde der Union, der nämlich von einer Rekordmarke bei den Erwerbstätigen spricht. Wie also, frage sich selbst der möglicherweise geneigte Leser, kommen Sie zu dieser Aussage?

Ganz einfach: Man muss das Mikroskop zu Hilfe nehmen. 2008 waren es nämlich in Hessen 3,1142 Millionen Menschen, die erwerbstätig waren, 2009 waren es 3,1143 Millionen Menschen, also 0,003 Prozent mehr und damit in Ihrer Lesart neuer Rekord.

(Zuruf der Abg. Judith Lannert (CDU))

Angesichts dieser Zahlen im Nachkommabereich hätte ich eigentlich erwartet, dass heute beispielsweise der Kollege Klee als sportpolitischer Sprecher Ihrer Fraktion spricht. Er hätte uns ganz sicher so kompetent wie eloquent über ein solches Fotofinish informieren können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, für eine wirtschaftspolitische Interpretation taugen Unterschiede im Zehntelprozentbereich jedenfalls nicht. Schon gar nicht sagen Sie etwas über die längerfristige Entwicklung. Dass Sie eine Differenz zwischen plus 0,003 und minus 0,001 % hier als Erfolg Ihrer Politik bejubeln lassen möchten, spricht für sich selbst.

(Zuruf der Abg. Judith Lannert (CDU))

Nutzen wir also die Gelegenheit und schauen etwas genauer hin. Das Statistische Landesamt schreibt:

2009 wurde in Hessen trotz der Wirtschaftskrise der 2008 erreichte höchste Beschäftigungsstand seit Wiedervereinigung gehalten. Das hohe Beschäftigungsniveau wurde allerdings erheblich durch die Nutzung von Arbeitsflexibilität (Abbau von Überstunden und Arbeitszeitkonten, freiwillige Reduzierung von Arbeitszeiten) und durch die massive Ausweitung der Kurzarbeit gestützt.

Diese Maßnahmen wurden bekanntlich in ganz Deutschland genutzt, um der Krise zu begegnen. Sie haben in ganz Deutschland zum gleichen Erfolg geführt. Es ist also ein Erfolg der gesamten deutschen Volkswirtschaft, dass die Erwerbstätigkeit im Krisenjahr 2009 stabil gehalten werden konnte. Die Prognosen waren bekanntlich durch die Bank schlechter. Selbstverständlich hat auch Hessen daran seinen Anteil. Eine hessische Sonderentwicklung ist aber überhaupt nicht erkennbar. Dass die Entwicklung der Erwerbstätigkeit über eine unter Rot-Grün erfolgte Arbeitsmarktpolitik bundesweit bemerkenswert angestiegen ist, sei hier nur am Rand erwähnt.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich hatte eigentlich erwartet, dass Sie diese Aktuelle Stunde vor allem dazu nutzen, einen konkreten Ausblick zu geben, statt sich hier selbst beweihräuchernd Orden an die Brust zu heften,

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

dass Sie sie beispielsweise nutzen, um den Menschen im Lande zu erklären, was Sie aktiv tun wollen, um die erwerbstätige Lage auch 2010 mindestens stabil zu halten.

Werden Sie z. B. endlich die Chancen des Jobmotors erneuerbare Energien nutzen, statt sie länger zu behindern? Werden Sie tatsächlich einen sozialen Arbeitsmarkt mit längerfristig geförderter öffentlicher Beschäftigung einführen, wie es Herr Rock in einer, wie ich fürchte, doch zu gewagten Interpretation der Ideen des Ministerpräsidenten hier angekündigt hat?

Die Antworten auf diese drängenden Zukunftsfragen sind Sie schuldig geblieben. Das ist umso bedauerlicher, als Sie vor gut einem Jahr großflächig angekündigt haben, um jeden Arbeitsplatz zu kämpfen. In diesen Tagen fallen Sie nur durch Ihren Kampf dafür auf, dass einer der Ihren gleich zwei Arbeitsplätze gleichzeitig besetzen darf.

(Heiterkeit bei der LINKEN)

Das ist angesichts der Herausforderungen des Jahres 2010 und der Sorgen der Bevölkerung deutlich zu wenig. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Vizepräsident Frank Lortz:

Vielen Dank, Herr Kollege Klose.