Ich beginne meine heutige Haushaltsrede mit dem Bekenntnis eines höchst bedauerlichen Irrtums – Sie mögen überrascht sein, da so etwas in der Politik eher selten geschieht – aber es ist mir ein Bedürfnis:
Als ich beim letzten Mal bei der selben Gelegenheit am Redepult im Plenum vor Ihnen stand – es war bei der ersten Lesung des Haushalts 2008 am 26. September 2007 – äußerte ich meine große Freude darüber, dass wir es endlich hinter uns hätten und somit das Schlimmste überstanden sei: Ich meinte damals die Weimarschen Haushalte und die dazugehörigen Einbringungsreden. Meine Freude war natürlich vor allem Vorfreude, weil ich ganz fest davon überzeugt war, dass die Stunde der Befreiung von der desaströsen Weimarschen Finanzwirtschaft wirklich unmittelbar vor der Tür stand.
Wie sehr man sich doch täuschen kann – wir haben es leider immer noch nicht hinter uns, sondern müssen uns – wie am heutigen Beispiel bereits erlebt – in das gewohnt Schlechte und anscheinend Unabänderliche fügen. Karlheinz Weimar bringt doch wieder einen Haushaltsentwurf im Landtag ein, er steigert die Neuverschuldung mal wieder auf einen neuen Rekord, und er lobt sich dafür auch mal wieder in den höchsten Tönen.
Sie erinnern sich sicherlich daran, dass mehrheitlich beschlossene Aufforderungen des Landtags an die Landesregierung auf Vorlage eines Nachtragshaushalts 2008 und auf die gesetzeskonforme Vorlage des Entwurfs 2009 vom Finanzminister schlicht ignoriert wurden. Er stritt an der Seite seines Chefs lieber für die Studiengebühren an den hessischen Hochschulen als sich stattdessen wirksam für eine geordnete Finanzwirtschaft einzusetzen und seine Aufgaben termingerecht zu erledigen.
Zwar wurde vom Finanzminister im letzten Sommer eine so genannte „Haushaltssperre“ verhängt, die nach Weimars eigenen Worten eine Einsparung von 100 Mio. Euro erbringen sollte, deren quantitative Rechtfertigung zumindest aus dem kurz zuvor vom Finanzministerium vorgelegten Finanzstatusbericht allerdings nicht herzuleiten war. Was Weimar dagegen aber im vergangenen Sommer erkennbar überhaupt nicht interessierte, war die korrekte Erfüllung seiner Aufgaben nach der Landeshaushaltsordnung. Für ihn wie für die gesamte Regierung gilt die eindeutige Vorschrift des § 30 Abs. 1 LHO: „Der Entwurf des Haushaltsgesetzes ist mit dem Entwurf des Haushaltsplanes vor Beginn des Haushaltsjahres beim Landtag einzubringen, in der Regel spätestens in der ersten Sitzungswoche des Landtags nach dem 1. September.“ Sie wissen, dass wir über dieses Thema in der Vergangenheit schon öfter im Landtag gestritten haben, allerdings erst seit wir den gegenwärtigen Finanzminister haben.
Karlheinz Weimar hatte im Sommer 2008 überhaupt keine Lust, den Haushalt 2009 zu erarbeiten und zu präsentieren, hatte er sich doch mit seiner eigenen Finanzplanung selbst jede Menge Fallen gestellt und schwere Brocken auf den Weg geworfen. Ihnen allen noch in Erinnerung sind dabei sicherlich die berüchtigten „Globalen Mehreinnahmen“, die im Finanzplan für 2009 notiert waren und die immerhin 500 Mio. Euro ausmachten. Damit dies nicht alles war, ging die Weimarsche Planung obendrein von 250 Mio. Euro „Globale Minderausgaben“ aus – zu Deutsch heißt dies nichts anderes als dass Ahnungslosigkeit in Höhe von mindestens 750 Mio. Euro beim Finanzminister vorhanden war.
In dieser Situation es für Weimar nur noch eine Rettung: die Krise! Sie kommt ihm wie gerufen – sie allein rettet ihn nämlich vor dem endgültigen – nicht nur – finanzpolitischen Untergang. Also klar und deutlich ausgesprochen: nicht Weimar rettet uns die hessischen BürgerInnenund die heimische Wirtschaft vor der Wirtschaftskrise und ihren Folgen – nein, die Finanzkrise rettet Finanzminister Weimar vor dem Offenbarungseid als Folge seiner jahrelangen desaströsen Verschuldungspolitik.
Wenn Sie dies nicht glauben wollen, erinnern Sie sich bitte an das Unternehmensstabilisierungsgesetz, das wir am 19. November letzten Jahres an einem Tag durch das Parlament bringen und verabschieden mussten. Der Grund für die Eilbedürftigkeit war, dass ohne dieses Gesetz ab Beginn diesen Jahres in Hessen überhaupt gar keine Bürgschaften im Bereich der Wirtschaft mehr hätten vergeben werden können, weil – ja weil die Landesregierung und in ihr insbesondere der zuständige Finanzminister es schlicht übersehen hatten, dass die Bürgschaftsvergabe am Haushaltsgesetz hängt, dessen Bearbeitung Weimar ja eingestellt hatte. Der rettende Anlass für dieses Gesetz war dann wohl unstrittiger Weise die Sorge um die Entwicklung bei Opel, so dass in der damaligen Debatte der Kollege Al-Wazir völlig zu Recht feststellen konnte: „Opel rettet Weimar, nicht andersherum„.
Aktuell ist es noch sehr viel deutlicher: unter dem Vorwand, gegen die Wirtschafts- und Finanzkrise aktiv sein zu müssen, wird ein Schulden-Tsunami provoziert, der alles wegspült. Er überflutet auch das Weimarsche Finanzdesaster, so dass man es in den trüben Fluten nicht mehr ohne weiteres erkennt, allerdings beseitigt er es nicht! Im Gegenteil, der Schulden-Tsunami verursacht gewaltige zusätzliche Schäden, die sehr bald danach ans Licht kommen werden.
Und wichtig wäre obendrein, dass man in guten Zeiten Vorsorge getroffen hat für die Wirtschaftskrise, dass also Vorräte angelegt und Reserven aufgefüllt sind. Und genau dies ist nicht der Fall; jahrelang wurde nach dem Motto der Marquise de Pompadour „apres nous le déluge“ – nach uns die Sintflut – gelebt, so dass man sich nicht zu wundern braucht wenn die Sintflut der Schulden jetzt kommt. Wir werden im Übrigen noch zu betrachten haben, inwieweit die neuen Schulden tatsächlich zur Finanzierung der Konjunkturprogramme erforderlich sind oder in Wahrheit nicht ganz anderen Zwecken dienen.
Allein die finanzwirtschaftlichen Daten sind schon niederschmetternd genug. Und was einen besonders empört, ist der beim Finanzminister überhaupt nicht erkennbare Wille, seines Amtes zu walten. Ein Finanzminister hat in der harten Realität der Zahlen und Fakten zu arbeiten und sich nicht zum Zweck der Selbstbelobigung in Fiktionen zu flüchten! Seit der Präsentation des Jahresabschlusses für das Haushaltsjahr 2008 – das war genau heute vor vier Wochen – kennen wir den neuen Begriff aus der Weimarschen Trickkiste: die fiktive Nettokreditaufnahme. Dies hat jetzt nichts mit der weltweiten Bankenkrise zu tun, sondern heißt nur, dass Karlheinz ein ganz toller Kerl ist, weil er eigentlich noch viel mehr Schulden hätte machen können, aber tatsächlich davon abgelassen hat. Hinter dieser finanzpolitischen Großtat verbirgt er – vermeintlich – geschickt die Tatsache, dass er das vom Haushaltsgesetzgeber für 2008 genehmigte Kreditvolumen mal eben um 346 Mio. Euro überschritten hat. Doch Leute seid froh, es hätten nach der Weimarschen Fiktivrechnung ja auch locker 1.512 Mio. Euro sein können.
Ein weiteres zeigt uns die schon zitierte Tabelle in brutaler Klarheit. Ende des Jahres 2012 (also am Ende des Finanzplanungszeitraums und noch vor dem regulären Ende dieser Legislaturperiode) wird Finanzminister Weimar (so er dann noch im Amt wäre) mehr als eine ungekürzte Jahressteuergesamteinnahme an eigenen Schulden gemacht haben. D. h. alle Steuereinnahmen eines Jahres reichen dann nicht mehr aus, um auch nur die Schulden abzutragen, die Karlheinz Weimar als Finanzminister höchst selbst zu verantworten hat.
Wann endlich hat die Mär ein Ende, dass die Schwarzen sorgfältig mit Geld umgehen könnten? Ist denn die weltweite Finanzkrise nicht auch ein offenkundiger Beweis dafür, dass die Konservativen ebenso wie die Marktliberalen wirklich keinerlei Vertrauen bezüglich ihres Umgangs mit Vermögenswerten verdienen? Ich mahne dringlich: Beenden Sie unverzüglich Ihren Glauben an solide Grundwerte im konservativen Finanzgebaren, da werden Sie nicht geholfen sondern abgezockt und hinters Licht geführt, auch und gerade beim Umgang mit öffentlichen Geldern.
Das Beste Beispiel hierfür ist die Zieldefinition der hessischen Finanzpolitik der Regierung(en) Koch, wie wir sie seit Jahren im Haushaltsplan 06 und 17 (im ersten Satz) nachlesen können. Angesicht der heute vom Finanzminister präsentierten Zahlen bedeutet diese Zielbeschreibung eine Unverschämtheit, die wahrlich nicht mehr zu überbieten ist. Der Text lautet nämlich nach wie vor:
„In seiner Finanzpolitik lässt sich Hessen von der Verantwortung für heutige und kommende Generationen mit dem Ziel leiten, letztere nicht stärker zu belasten, als es eine verantwortungsbewusste finanzielle Konsolidierungspolitik erlaubt.“
Der verehrte ehemalige Kollege Roland von Hunnius, den nicht nur ich in der heutigen Debatte äußerst schmerzlich vermisse, hat bei einer Debatte, wie wir sie gerade führen, sehr eindrucksvoll nachgewiesen, dass trotz der zitierten Zielvorgabe von Konsolidierung überhaupt keine Rede sein kann, wenn die Neuverschuldung Jahr für Jahr steigt. Genau dies ist die Diagnose für die letzten Jahre bis hin zu diesem Haushalt 2009. Wo war und wo ist auch nur ein winziges Quäntchen an Konsolidierung – nichts, rein gar nichts!
Wir stellen heute genauso wie der Kollege von Hunnius vor zwei Jahren fest: Konsolidierung verträgt sich nicht mit jährlich ansteigender Neuverschuldung! Die Verwendung des Wortes „Konsolidierung“ ist eine vorsätzliche Täuschung der Leser/innen des Haushalts und der Wähler/innen.
Angesichts dieser Zahlen beschert uns der Text der Zielbeschreibung für das Oberziel des Ministeriums der Finanzen dann noch eine Steigerung an Unverfrorenheit: Als neuer Satz ist nämlich eingeschoben: „Hierzu dient auch ein in der Hessischen Verfassung zu verankerndes Verschuldungsverbot.“ Das nenne ich wahrlich eine Verhöhnung der Hessischen Verfassung.
Die Sache wird dadurch noch deutlich schlimmer, dass dem wohl geneigten, politisch interessierten Leser des Haushalts oder auch von Zeitungen bei der Debatte in den Sinn kommen könnte, dass selbst wenn man meiner Kritik zustimmt, für die Ankurbelung der Konjunktur doch ausnahmsweise eine Steigerung der Nettokreditaufnahme richtig sei.
Ja, dieser Auffassung kann man sein, ja selbst wir GRÜNE, die Nachhaltigkeit als politisches Prinzip vertreten, stimmen einer Kreditfinanzierung von nachhaltigen Zukunftsinvestitionen durchaus zu, nur das geliehene Geld muss dann auch für diese Investitionen eingesetzt werden. Genau dies haben wir also am Weimarschen Haushaltsentwurf für 2009 überprüft. Das Ergebnis ist gleichermaßen wenig überraschend und sehr niederschmetternd. Im Kapitel 1703 des vorliegenden Haushaltsentwurf finden wir zunächst die verlockende Überschrift: „Hessisches Sonderinvestitionsprogramm und Zukunftsinvestitionsprogramm des Bundes“ und umfängliche Erläuterungen wie und wofür am Ende Investitionen von insgesamt 2.611, 57 Mio. Euro getätigt werden sollen. Nur vom Land finanziert sind im Jahr 2009 von dieser beeindruckenden Summe noch nicht einmal 50 Mio. Euro.
Was heißt denn das? Doch nichts anderes, als dass von den neuen Schulden mehr als 2.450 Mio. Euro nicht der Finanzierung der Ankurbelung der Wirtschaft durch das Konjunkturprogramm sondern anderen Zwecken dienen, oder dass also lediglich 2 % – in Worten zwei Prozent – der neu geplanten Schulden zur Finanzierung des Konjunkturprogramms wirklich eingesetzt werden sollen.
Dieser Haushalt ist ja nach sechs Jahren erstmals wieder ein Koalitionshaushalt, da ist es schon der Mühe wert, einmal genauer zu betrachten, wie sich denn die Mitwirkung des alten / neuen Partners ausgewirkt hat. Gewiss hat die FDP in den vergangenen Jahren überwiegend die Kuschelopposition gegeben, doch gerade der Name von Hunnius erinnert daran, dass in Haushaltsdebatten durchaus die Fetzen flogen und Haushaltswahrheit und -klarheit eingefordert sowie Sparsamkeit und Schuldenabbau reklamiert wurden.
Wie ich allerdings schon befürchtet hatte, stellt sich die wieder mitregierende FDP neu auf; nicht wahr, meine Herren von der FDP, Sie werden nicht mehr gern daran erinnert, was von Ihrer Seite zum Landeshaushalt so alles gefordert wurde, denn es ist in etlichen Punkten das genaue Gegenteil von dem, was wir jetzt im vorliegenden Koalitionsentwurf finden. Aber Ihr Oppositionsgeschwätz stört Sie offensichtlich nicht; Sie knüpfen bruchlos an Ihren letzten Koalitionshaushalt an. Damals unterstützte die FDP einen neuen Rekord bei der Neuverschuldung des Landes; kaum ist sie jetzt wieder mit dabei tut sie dasselbe; schon wieder ein Rekord an neuen Schulden, gut 500 Mio. Euro mehr als bei letzten Mal, so dass die neue Rekordmarke jetzt bei 2.505 Mio. Euro steht. Herzlichen Glückwunsch meine Herren, herzliches Beileid meine Damen und Herren, die dies alles werden zahlen müssen.
Völlig inakzeptabel ist aber die Art und Weise, wie das so wichtige Thema Integration als politische Aufgabe von der Koalition bereits kaputt gemacht wurde, bevor auch nur ein einziger neuer inhaltlicher Impuls gesetzt werden konnte. Ich will hier gar nicht der Frage nachgehen, warum ausgerechnet das Justizministerium als geeignet angesehen wurde, sich um diesen viel zu lange vernachlässigten Bereich zu kümmern, ich trage Ihnen aber einige interessante Daten vor.
Aus dem Bereich des früheren Sozialministeriums sind Fördermittel in Höhe von rund 1. 085 T Euro und aus dem Bereich des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung ein Betrag von 60 T Euro übertragen worden, hinzu kommen neben anderen Stellen fünf übertragene Planstellen für Beamte. Neu geschaffen werden aber insgesamt 12 Planstellen für Beamte beginnend mit der Stelle für einen Ministerialdirigenten (B6) und dann die Leiter runter. Die zusätzlichen Kosten allein dieser neuen Planstellen betragen nach der aktuellen Veranschlagungstabelle mehr als 1.088 T Euro also bereits deutlich mehr als an Fördermitteln aus dem Sozialbereich für die Aufgaben der Integration zur Verfügung steht. Hinzu kommen die Kosten der umgesetzten Stellen von rund 445 T Euro pro Jahr und die Kosten aller sonstigen Stellen (Angestellte), so dass das Thema Integration offensichtlich vor allem verwaltet aber kaum gestaltet werden soll, weil von einer Anhebung der Sach- und Fördermittel nichts zu finden ist. Wenn man das mit den Wahlprogrammen vergleicht, dann kann man sich nur wundern – wie propagierte doch einst die FDP: Unser Wort gilt!
Unter genau diesem Slogan und dem Bild des Kollegen Krüger lesen wir im Programmabschnitt mit der Überschrift:
„Verantwortliche Haushaltspolitik:
Wir dürfen nicht auf Kosten unserer Kinder leben, indem wir ihnen unsere Schulden hinterlassen. Das bedeutet für die hessische Haushaltspolitik erstens: Verlässlichkeit; die Ausgaben richten sich nach den Einnahmen. Zweitens: Nachhaltigkeit; die Nettoneuverschuldung wird gestoppt, und zwar möglichst ab dem Jahr 2011. Drittens: Zielgenauigkeit; die Kernaufgaben des Landes werden definiert und eingegrenzt.“
Meine Herren von der FDP, halten Sie Wort; ich sage Ihnen: im Sinne Ihrer eignen so genannten verantwortlichen Haushaltspolitik können Sie zwar mit Karlheinz Weimar und der CDU nicht rechnen, aber wenn Sie wirklich Wort halten wollen – mit uns.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Pressestelle der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Hessischen Landtag
Pressesprecherin: Elke Cezanne
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