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03.06.2024

Schwarzer Tag für den Wald in Hessen - CDU und SPD beenden nachhaltige Waldbewirtschaftung mit FSC

Fatale Kehrtwende der Regierungsfraktionen

Seit 2018 ist der gesamte Hessische Staatswald FSC-zertifiziert. Das FSC-Gütesiegel belegt durch externe Auditierung, dass im Staatswald besonders nachhaltig gewirtschaftet wird. Mit dem Ausstieg aus der FSC Zertifizierung auf einer Fläche von über 340.000 Hektar setzen nun die Koalitionspartner aus CDU und SPD ihren Kurs gegen Naturschutz im Wald fort. Absurd: Ausgangspunkt der Zertifizierung war ein Pilotprojekt der CDU-Alleinregierung von Roland Koch – trotzdem ist es nun ein CDU-Politiker, der Forst- und Umweltminister Ingmar Jung, der Hessens Abkehr von FSC vorantreibt. Und dies mit Unterstützung der SPD. Besonders perfide: Die SPD trägt diese Entscheidung mit, obwohl sie FSC im Wahlprogramm noch als „Mindeststandard“ bezeichnete.

Offiziell heißt es, man wolle „evaluieren“, ob es sich ohne FSC nicht „effizienter und unbürokratischer“ leben lässt. Das Vorgehen bei den Naturwäldern (s.o.) weckt jedoch Zweifel an der Ernsthaftigkeit, mit der diese „Evaluierung“ betrieben wird. „Praktischerweise“ lässt sich die Landesregierung quasi die ganze Legislaturperiode – bis ins Frühjahr 2028 – Zeit für ihre Evaluierung. Und steigt – trotz angeblich ergebnisoffener Prüfung – schon jetzt aus FSC aus. Das ist ein durchsichtiges Manöver. Die Koalitionspartner trauen sich nicht, die Abkehr vom Naturschutz so offen zu kommunizieren und mache es jetzt verklausuliert.

Was ist FSC?

Das Zertifizierungssystem FSC (Forest Stewardship Council) geht zurück auf eine Initiative von Menschenrechtsorganisationen, Umweltverbänden und Wirtschaftsvertreter*innen. Dieser Ursprung prägt FSC bis heute. Um das Gütesiegel zu erhalten, müssen im Hessischen Staatswald bislang hohe Umwelt- und Sozialstandards eingehalten werden. Daran reicht das Zertifizierungssystem PEFC (Programme for the Endorsement of Forest Certification Schemes), welches die Landesregierung nun als gleichwertige Alternative zu FSC anpreist, nicht heran. Einige Beispiele: Hochgiftige Pestizide sind bei FSC weitgehend verboten – bei PEFC gibt es kaum Begrenzungen. Kahlschläge erlaubt FSC nur in klar definierten Ausnahmefällen – viel laxer geht es bei PEFC zu. Nicht-heimische Baumarten sind bei FSC auf einen Anteil von 20% begrenzt – bei PEFC dürfen es 90% sein.

Wie argumentiert der Forstminister?

Von allen FSC-Vorgaben stört sich der Umweltminister (öffentlich) besonders am Maximalwert für nicht-heimische Baumarten: Um dem Klimawandel zu trotzen, will er im Staatswald mehr Douglasien und co. pflanzen, als FSC erlaubt. Vor kurzem noch war Klimapolitik für Ingmar Jung so nebensächlich, dass er sie aus dem Namen seines Ministeriums strich. Nun benutzt er sie für einen Schnellschuss zulasten der Biodiversität. Damit unsere Wälder fortbestehen, dürfen wir ihre Ökosysteme – ein komplexes Zusammenspiel verschiedenen, aufeinander abgestimmten Tier- und Pflanzenarten – nicht weiter aus dem Gleichgewicht bringen. Eine soeben erschienene Studie der Senckenberg-Gesellschaft für Naturforschung weist daraufhin, dass ein Drittel unserer Insekten auf einheimische Bäume angewiesen ist. „Was das Insekt nicht kennt, das frisst es nicht“ – und die Pläne der Landesregierung heizen das Insektensterben somit weiter ein. Gewagte Experimente in unseren ohnehin massiv geschädigten Wäldern können wir uns aber nicht leisten. Daher fordern wir von der Landesregierung, die Waldökosysteme als Ganzes zu stärken, Schadfaktoren zu minimieren und auf die Anpassungsfähigkeit heimischer Baumarten zu setzen, statt die eine Umweltkrise (Klima) gegen die andere (Biodiversität) auszuspielen. Dabei hilft FSC.

Protest von Umweltverbänden und Gewerkschaften

Besonders ist FSC auch deshalb, weil hier Vertreter*innen von Umwelt- Sozial- und Wirtschaftsinteressen gleichberechtigt über die Standards entscheiden (wohingegen PEFC von Waldbesitzenden dominiert wird). Zuletzt gab es innerhalb von FSC Deutschland einige Personalquerelen, die die SPD nun instrumentalisiert, um FSC den Rücken zu kehren, obwohl sie im Wahlkampf das Gegenteil versprochen hatte. Die IG BAU selbst betont in einer gemeinsamen Pressemitteilung mit den Umweltverbänden aber deutlich, den FSC-Standard weiterhin zu unterstützen. In dem Antrag, mit dem CDU und SPD ihre Abkehr von FSC begründen, heißt es, man wolle überprüfen, „ob eine Weiterentwicklung des Standards, die den klimabedingten Anforderungen an den Waldumbau sowie den ökologischen, ökonomischen und sozialen Herausforderungen einer effizienten Waldbewirtschaftung gerecht wird, möglich ist“. Zu Ende hat hier offenbar niemand gedacht, denn der FSC-Standard wird gerade überarbeitet. Dabei kann Hessen (als größter Waldbesitzer ein wichtiger Player innerhalb von FSC Deutschland) nicht mehr mitreden, wenn es aus FSC austritt.

Warum ist die Zertifizierung nach FSC wichtig?

FSC hat in den vergangenen Jahren dazu beigetragen, wirtschaftliche und Naturschutzinteressen im Staatswald zu befrieden. Durch ein ganzheitliches Verständnis von Nachhaltigkeit, durch unabhängiges Monitoring, und – ganz im Sinne des Staatswaldes als Bürgerwald – durch ein hohes Maß an Bürgerbeteiligung und Transparenz. Das Potenzial von FSC ist noch längst nicht ausgeschöpft, etwa bei der Vermarktung des zertifizierten Holzes, welches von vielen namenhaften Unternehmen nachgefragt wird.

What’s next?

Der Ausstieg aus FSC reiht sich ein in eine ganze Reihe von Maßnahmen, mit denen die schwarz-rote Landesregierung den Naturschutz im Hessischen Staatswald degradiert – darunter das o.g. Ausweisungsstopp für Naturschutzgebiete und die Abholzung alter Buchen. Das ist angesichts des gravierenden Zustands unseres Walds (vgl. Waldzustandsbericht Hessen 2023 und Waldzustandserhebung des Bundes 2023) besorgniserregend. In unserem Antrag im Landtag haben wir die Landesregierung dementsprechend aufgefordert, ihr im Koalitionsvertrag definiertes Ziel, die hessischen Wälder für nachfolgende Generationen zu erhalten, mit konkreten und wirksamen Maßnahmen zu hinterlegen, anstatt unter dem Deckmantel des Bürokratieabbaus Umweltauflagen abzuschaffen und dadurch die Destabilisierung der Waldökosysteme voranzutreiben.

Wir GRÜNE im hessischen Landtag bleiben dran am Thema Wald und FSC. In Planung ist u.a. ein Spaziergang in einem FSC-zertifizierten Wald mit Umweltverbänden und Pressevertreter*innen in den kommenden Wochen, sowie eine Kommunalwaldkonferenz im Frühjahr 2025. Außerdem werden wir bei der Landesregierung mit Kleinen Anfragen kritisch nachhaken, welche Auswirkungen der Austritt aus FSC hat – insbesondere auch für die zertifizierten Kommunalwälder, die von HessenForst betreut werden.

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