Inhalt

02.05.2014

Den Menschen die Wahl lassen – Vielfalt leben (H)

Inhalt

I. Familie, Ehe und Lebenspartnerschaften unterstützen
II. Kinderbetreuung fördern
III. Kinderschutz konsequent umsetzen
IV. Frauen fördern und Gleichberechtigung leben


H. Den Menschen die Wahl lassen – Vielfalt leben

Hessen ist vielfältig – und die Menschen, die hier leben, sind es auch. Die Gestaltung des persönlichen Lebensumfeldes ist Sache jedes Einzelnen. Das betrifft Partnerschaft und Familie ebenso wie die freie Entscheidung, Kinder selbst zu betreuen oder sie betreuen zu lassen. CDU und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN wollen den Menschen die Chance bieten, sich selbst zu verwirklichen. Diese Chancen wollen wir vor allem auch in jenen Bereichen ermöglichen, in denen heute noch – aus den verschiedensten Gründen – faktische Hindernisse bestehen. Eine freie Gesellschaft muss gleichzeitig Verantwortung übernehmen und Solidarität üben. Wir setzen uns daher das Ziel, Kinderbetreuung und Kinderschutz weiter auszubauen und die Voraussetzungen für Gleichberechtigung zu verbessern.


I. Familie, Ehe und Lebenspartnerschaften unterstützen

Menschen sollen selbst entscheiden, in welcher Verbindung zu einem anderen Menschen sie leben wollen. Von dieser persönlichen Wahlfreiheit sind wir zutiefst überzeugt. Eine besondere Verantwortung des Staates und der Gesellschaft besteht allerdings dort, wo es um die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen geht. Nur eine Gesellschaft mit vielen Kindern hat überhaupt die Chance auf eine Zukunft.

Familie und Kinder in einem familienfreundlichen Hessen

CDU und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN wollen die Kinder- und Familienfreundlichkeit in Hessen weiter voranbringen. Wir sind davon überzeugt, dass viele Initiativen, Maßnahmen und konkrete Schritte dazu unternommen werden können, ohne dass große finanzielle Mittel bewegt werden müssen. Wir werden daher eine Kommission „Hessen hat Familiensinn“ einberufen mit Vertretern aus Parlament, Regierung, Wirtschaft, Verwaltung, Kirchen und Religionsgemeinschaften, Verbänden, Medien und privaten Initiativen mit dem Ziel, praktisch anwendbare Handlungsempfehlungen für mehr Familienfreundlichkeit auszuarbeiten.

Wir wollen die Kinderrechte stärken und die UN-Kinderrechtskommission umsetzen. Wir werden darauf hinwirken, dass bei allen Trägern von Einrichtungen und bei Verbänden Konzepte eingefordert werden, die die Kinderrechte stärken. Dazu wollen wir mit Kindern und Jugendlichen eine „Hessische Kindercharta“ entwickeln, in der ihre Ansprüche und Rechte an die Landespolitik formuliert sind.

Wir wollen die familienpolitischen Leistungen des Landes überprüfen und bedarfsgerecht weiterentwickeln. Die Hessische Familienkarte werden wir fortführen und weiterentwickeln.

Unser Ziel ist es, allen Hessinnen und Hessen, auch denjenigen, die materielle Schwierigkeiten haben, die Mitwirkung am gesellschaftlichen und kulturellen Leben zu ermöglichen. Gemeinsam mit den Sozialämtern und Jobcentern werden wir dafür ein Konzept erarbeiten, wie – auch unter Einbeziehung der Mittel des Bildungs- und Teilhabepaketes des Bundes – eine „Teilhabekarte“ entwickelt werden kann.

Die Auszeichnung „Familienfreundlicher Betrieb“ soll weiterentwickelt werden hin zu einem „Premium- Betrieb“, der gesundheitsfördernde, frauenfördernde, familienfreundliche, altersgerechte und alternsgerechte Arbeitsbedingungen hat.

Wir werden das erfolgreiche Konzept der Mehrgenerationenhäuser weiterentwickeln.

Wir prüfen und beteiligen uns an einem Fondsmodell, um Paare bei der Verwirklichung ihres
Kinderwunsches durch künstliche Befruchtung zu unterstützen.

Wir prüfen, ob die Angebote der Jugendleiterkarte (Juleica) und Ehrenamtscard für Jugendliche zusammengeführt werden können, und werden die Freiwilligendienste weiter stärken.

Wir wollen die Partizipation von Kindern und Jugendlichen fördern und unterstützen. Kinder- und Jugendparlamente oder Jugendforen können dazu ein geeignetes Mittel sein. Wir werden mit bestehenden Kinder- und Jugendparlamenten oder Jugendforen für einen weiteren Ausbau in Hessen werben und einen „Partizipationspreis für Kinder- und Jugendparlamente/ Jugendforen“ schaffen, der die Umsetzung besonders innovativer Projekte unterstützt.

Die Präventionsprogramme wie „Prävention im Team“ (PIT), die sich überwiegend an Schulen richten, sollen auch auf andere Einrichtungen wie beispielsweise Jugendeinrichtungen ausgeweitet werden.

Gleichstellung verwirklichen

Die freie Entfaltung der Persönlichkeit und volle gesellschaftliche Teilhabe setzen voraus, dass jeder Mensch, ungeachtet seiner sexuellen und geschlechtlichen Identität, gesellschaftliche Akzeptanz erfährt und sein Leben ohne Benachteiligungen und Diskriminierungen gestalten kann. Hessen hat inzwischen eine gute Tradition, für die Akzeptanz von Menschen mit unterschiedlichen sexuellen und geschlechtlichen Identitäten zu werben.

Wir sehen uns in der Verantwortung, die freie Entfaltung der Persönlichkeit des oder der Einzelnen zu fördern und sich für ein offenes, diskriminierungsfreies und wertschätzendes Leben aller Menschen in Hessen einzusetzen. Dies können wir nicht für Einzelfälle leisten, sondern nur durch das Werben um Akzeptanz und durch strukturelle Veränderung im Einflussbereich der Landesregierung dazu beitragen.

Auf der Grundlage des bisher eingeschlagenen Weges und des 2014 erfolgenden Beitritts zur
„Koalition gegen Diskriminierung“ werden wir zusammen mit den Selbstvertretungsorganisationen der Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen einen „Aktionsplan für Akzeptanz und Vielfalt“ erarbeiten. Dazu gehört insbesondere eine bessere Begleitung von jungen Menschen in der immer noch oftmals schwierigen Phase des „Coming Out“ und die stärkere Sensibilisierung für das Thema in Schulen auf Basis der bereits vorhandenen SchLAu-Projekte. Eine gute Vernetzung in der Landesverwaltung wird ebenso angestrebt wie eine Zusammenarbeit mit benachbarten Ländern.

Wir wollen, dass die Schicksale der Opfer des ehemaligen §175 StGB („Unzucht zwischen Männern“)
in Hessen wissenschaftlich aufgearbeitet werden.


II. Kinderbetreuung fördern

Eine gute Betreuung ist für das Aufwachsen aller Kinder von großer Bedeutung. Es ist uns ein besonderes Anliegen, die Erziehungsleistung der Eltern zu würdigen. Die Wahlfreiheit der Eltern, wo und in welcher Form ihre Kinder betreut werden, ist für uns selbstverständlich. Wir wollen den Anforderungen in unserer heutigen Gesellschaft an qualitativ hochwertige Kinderbetreuung gerecht werden und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Mütter und Väter weiter verbessern. In Hessen wurden in den vergangenen Jahren gemeinsam mit den Kommunen und den freien Trägern große Erfolge beim Ausbau von Kinderbetreuungsangeboten erreicht.

Wir werden auch weiterhin dafür sorgen, dass der Ausbau eines qualitativ hochwertigen Bildungs- und Betreuungsangebotes für alle Kinder bedarfsgerecht und an der tatsächlichen Nachfrage orientiert fortgesetzt wird, auch im Hinblick auf den Ausbau von ganztägigen Angeboten. Wir werden die bedarfsgerechte Umsetzung des Rechtsanspruchs auf Betreuung für Kinder unter drei Jahren gewährleisten.

Wir wollen mit dem Hessischen Kinderförderungsgesetz die Förderung aller Kinder in Kindertageseinrichtungen voranbringen. Wir werden deshalb den Umsetzungsprozess des Kinderförderungsgesetzes permanent begleiten und durch ein Qualitätsmonitoring bei etwaigen Problemen in der Praxis nachsteuern.

Zudem werden wir Mitte 2014 einen „Runden Tisch Kinderbetreuung“ einberufen, um gemeinsam mit den Verbänden und Trägern eine erste Evaluierung zur Wirkung des Kinderförderungsgesetzes durchzuführen und über die weitere Entwicklung der Kinderbetreuung in Hessen zu beraten.

Eine Verschulung des Kindergartens lehnen wir ab; Kindertageseinrichtungen sind eigenständige
Institutionen mit eigenem pädagogischem Bildungs- und Erziehungsauftrag.

Wir wollen die Qualitätsentwicklung in den Kindertagesstätten weiter voranbringen. Wir werden deshalb im Rahmen des Kinderförderungsgesetzes die Umsetzung des Hessischen Bildungs- und Erziehungsplans für Kinder von 0-10 Jahren mit seinen hohen Qualitätsstandards mit entsprechenden Haushaltsmitteln nachhaltig sichern und weiterentwickeln. Wir werden darauf hinwirken, dass alle Kindertagesstätten verbindliche Tandemvereinbarungen mit den Grundschulen schließen, damit für alle Kinder ein guter Übergang vom Kindergarten in die Grundschule gelingt.

Wir werden die bisherigen Maßnahmen zur Sprachförderung und Sprachstandserfassung fortführen und unter Einbeziehung aller bestehenden Maßnahmen weiterentwickeln.

Wir sehen in der Inklusion von Kindern mit Behinderungen eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe. Wir alle haben die Aufgabe, die UN-Behindertenrechtskonvention umzusetzen. Auch wenn wir davon ausgehen, dass die Umsetzung der Inklusion von Kindern mit Behinderungen in Kindertagesstätten eine kommunale Aufgabe ist, sehen wir eine politische Verantwortung beim Land, an dieser gesamtgesellschaftlichen Aufgabe mitzuwirken. Wir gehen davon aus, dass sich die Kommunalen Spitzenverbände und die Liga der freien Wohlfahrtspflege auf die Fortführung der Rahmenvereinbarung Integrationsplatz vereinbaren, für das Wohl der Kinder mit Behinderungen die Qualität erhalten, Gruppengröße, Personalbemessung und Gewährung der Fachkraftstunden (Status Quo) beibehalten und den Geltungsbereich auf Kinder unter drei Jahren erweitern. Das Land wird, nach Abschluss dieser Rahmenvereinbarung, die angesetzten Pauschalen im KiFöG für die Inklusion von Kindern mit Behinderungen in Kindertagesstätten erhöhen, so dass es weiterhin möglich ist, die guten Qualitätsstandards beizubehalten.

Die Tagespflege ist ein wichtiger Baustein der Kinderbetreuungsangebote, auch im Hinblick auf die Wahlfreiheit von Familien. Gemeinsam mit den Kommunalen Spitzenverbänden streben wir an, die Tagespflege bedarfsgerecht zu stärken und auszubauen. Dazu können auch landeseinheitliche Empfehlungen für die Vergütung von Tagespflegepersonen dienen.

Wir werden mit verschiedenen Maßnahmen dem Fachkräftemangel in der Kinderbetreuung weiter entgegenwirken und dazu ein Konzept zur Gewinnung von Erzieherinnen und Erziehern erarbeiten. Dazu gehören u.a. die befristete Anhebung der Schulplätze, der Ausbau der Modelle zur dualen Ausbildung, Anreize bei der Hebung der stillen Reserve und die Prüfung einer verstärkten Kooperation mit den Jobcentern.

Den Ausbau von Familienzentren werden wir weiter unterstützen. Familienzentren können neben den
Kindertagesstätten auch andere wohnortnahe Einrichtungen sein.


III. Kinderschutz konsequent umsetzen

Kinder und Jugendliche haben ein Recht, unbeschwert aufzuwachsen und sich zu entwickeln. Manche Kinder und Jugendliche brauchen dafür den besonderen Schutz des Staates. Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, die Kleinsten unserer Gesellschaft vor Gewalt und Missbrauch zu schützen und Opfern zu helfen.

Das Land Hessen ist sich bei der Bekämpfung sexueller Gewalt seiner Verantwortung bewusst. Wir werden den „Aktionsplan des Landes Hessen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt in Institutionen“ konsequent mit Fristen und konkreten Maßnahmen umsetzen. Die Maßnahmen sollen unter Einbeziehung des Justiz-, Kultus- und Innenressorts in einer Koordinierungsstelle gebündelt werden. Es wird geprüft, ob dies gegebenenfalls mit dem Aktionsplan zur Bekämpfung der Gewalt im häuslichen Bereich zusammengeführt wird.

Wir werden prüfen, wie das Land Hessen die unabhängige Beschwerdestelle für Jugendliche
(Ombudsstelle für Kinder – und Jugendrechte in Hessen) unterstützen kann. Wir werden die Entschädigung für ehemalige Heimkinder fortführen.
Das Land Hessen wird sich, wenn es eine länderübergreifende Einigung gibt, am ergänzenden
Hilfsfonds für Missbrauchsopfer im familiären Umfeld beteiligen.

Wir haben mit großem Bedauern zur Kenntnis nehmen müssen, dass es auch in Hessen Missbrauchsfälle in Institutionen gab und gibt. Zur Vorbeugung und Prävention sind grundsätzlich Missbrauchsfälle aufzuarbeiten und Rückschlüsse zu ziehen. Eine solche Ursachenforschung und Aufarbeitung sollte bei Bedarf auch durch das Land unterstützt werden können.


IV. Frauen fördern und Gleichberechtigung leben

Gleiche Verwirklichungschancen für Frauen und Männer auf allen politischen und beruflichen Ebenen und in allen gesellschaftlichen Bereichen sind Ausdruck unserer gemeinsamen Vorstellung einer freiheitlichen Gesellschaft. Diese Chancen erfordern weit mehr als die Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder Pflege; vielmehr sollen Hindernisse abgebaut werden, die eine selbstbestimmte Gestaltung der persönlichen Biografie erschweren.

Wir werden das Hessische Gleichberechtigungsgesetz novellieren, um die Gleichberechtigung von Frauen und Männern in allen gesellschaftlichen Bereichen durchzusetzen. Der öffentliche Dienst soll eine Vorbildfunktion für die Geschlechtergerechtigkeit einnehmen. Dabei wird die wichtige Rolle der Frauenbeauftragten gewährleistet.

Den Anteil von Frauen in Führungspositionen im Dienst des Landes Hessen werden wir durch ein
Mentoringprogramm ausweiten.

Zur Unterstützung von Frauen nach einer Erwerbstätigkeitsunterbrechung entwickeln wir das
„Netzwerk Wiedereinstieg“ weiter. Mit diesem Informations- und Austauschportal sollen sowohl die betroffenen Frauen wie auch die Unternehmen kompetente Ansprechpartner zu Fragen finden, die sich beim Wiedereinstieg in den Beruf stellen.

Wir wollen Initiativen ergreifen, damit „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ Realität wird.

Wir setzen uns für die weitere Verbesserung der Frauenerwerbsquote unter Berücksichtigung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein. Die Empfehlungen der Fachkräftekommission zur Hebung der stillen Reserve setzen wir um. Wir wollen eine Arbeitskultur, in der Führungspositionen auch in

Teilzeitarbeit wahrgenommen werden können. Teilzeiterwerbstätigkeit darf nicht per se ein Hemmnis für die berufliche Entwicklung sein; familiäre Sorgearbeit soll in der Arbeitswelt möglichst als Zusatzqualifikation Anerkennung finden. Wir wollen es Müttern und Vätern erleichtern, in dem von ihnen gewünschten Umfang erwerbstätig zu sein.

Wir wollen landesweit den Schutz von Frauen vor Gewalt weiter stärken. Hierzu gehört eine verbesserte Finanzierungssicherheit für Frauenhäuser und eine möglichst flächendeckende Versorgung mit Interventionsstellen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen.

Den „Aktionsplan des Landes Hessen zur Bekämpfung der Gewalt im häuslichen Bereich“ werden wir umsetzen und die Präventionsangebote für Täter mit einbeziehen. Es erfolgt eine Bündelung und Koordination der Aktivitäten innerhalb der Landesregierung.

Um Prostituierte vor Gewalt und Ausbeutung zu schützen, werden wir die Arbeit des „Runden Tisch gegen Menschenhandel“ weiter unterstützen.

Wir werden die Lebenssituation von Frauen mit Behinderungen bei allen landespolitischen Entscheidungen berücksichtigen. Dabei forcieren wir die Barrierefreiheit für eine gleichberechtigte Teilhabe und stärken die Arbeit des Koordinationsbüros für Frauen mit Behinderungen.

Wir wollen das plurale Angebot der Schwangerschaftskonfliktberatung erhalten.

 


Dies ist ein Auszug aus dem schwarz-grünen Koalitionsvertrag. Den kompletten Vertrag gibt es hier: Koalitionsvertrag(pdf ca. 2MB)