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15.10.2014
Portraitfoto von Tarek Al-Wazir vor grauem Hintergrund

Tarek Al-Wazir: Jedem jungen Menschen eine Berufsausbildung ermöglichen

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn es darum geht, jedem jungen Menschen in Hessen eine fundierte Ausbildung zu ermöglichen, dann können wir festhalten: Trotz manch aufgeregter Debatte ist es im Grunde unstreitig, dass uns allen das Thema am Herzen liegt. – Das will ich am Anfang einmal festhalten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Dieses Thema eignet sich aufgrund seiner Bedeutung für die Einzelnen, aber auch für die Gesellschaft insgesamt nicht zum Streit. Darüber bestand eigentlich seit vielen Jahren Einigkeit im Hessischen Landtag. Ich möchte gerne, dass das auch so bleibt, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Es ist völlig klar – ernsthaft bestreitet das auch niemand –, dass es nicht so ist, als wäre in der Landesregierung noch nie jemand auf die Idee gekommen, sich mit der Ausbildungssituation von Jugendlichen in Hessen zu beschäftigen. Deswegen will ich Ihnen gerne erläutern, wie sich die Situation aus meiner Sicht darstellt und was die Landesregierung in dem Bereich unternimmt.

Vorab noch einmal: Worüber reden wir? – Wir hatten im September 18.640 arbeitslose Jugendliche. Das ist viel, allerdings deutlich weniger als im August. Ich hoffe, dass die Zahl noch sinkt, weil die Sommerferien in diesem Jahr sehr spät waren, und dass noch etliche Ausbildungsverträge dazugekommen sind. In der nächsten Monatsstatistik haben wir dann hoffentlich eine geringere Zahl.

Wenn man sich das letzte Ausbildungsjahr insgesamt anschaut, dann stellen wir fest, dass die Jugendarbeitslosigkeit in Hessen durchschnittlich bei 5,9 Prozent lag. Das ist unter dem Durchschnitt der westdeutschen Länder. Ich sage das deshalb, weil es richtig ist, sich jeden Einzelfall anzuschauen und sich anzustrengen, aber es wäre falsch, in dem Bereich zu dramatisieren. Wenn man sich dann die Lage in Deutschland und vor allem in Europa ansieht, können wir sagen, dass wir vergleichsweise gut dastehen, was nicht heißt, dass wir nicht noch besser werden könnten, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Zweiter Punkt: – –

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

– Mit welchem Gesundheitssystem?

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

– Ich vergleiche jetzt nicht mit dem afrikanischen Gesundheitssystem, ich vergleiche mit den Mitgliedern der Europäischen Union. Da gibt es kein Land, das bei der Jugendarbeitslosigkeit so gut dasteht wie Deutschland. Das muss man auch einmal sagen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das kann man auch noch besser machen. Daran arbeiten wir ja, und das sollten wir gemeinsam tun.

(Zuruf des Abg. Manfred Pentz (CDU))

Zweiter Punkt: der Übergangsbereich. Im Übergangsbereich haben wir jetzt noch knapp 24.000 Jugendliche. Das ist viel. Auch hier müssen wir weiter daran arbeiten, dass die Zahl Jahr für Jahr sinkt. Das heißt, sowohl bei der Jugendarbeitslosigkeit als auch im Übergangsbereich gibt es noch viel zu tun. Das Ziel muss es sein, möglichst jedem Jugendlichen eine Ausbildung anzubieten. Dazu gehört es natürlich auch, alle Jugendlichen möglichst gut auf die Ausbildung vorzubereiten, sie dafür zu begeistern und ein ausreichendes Berufsausbildungsangebot für jede und jeden zu gewährleisten.

Ich will ausdrücklich sagen: Daran arbeitet die Landesregierung. Daran arbeiten aber vor allem auch die Akteure in dem Bereich. Denn es nutzt ja nichts, möglichst praxisferne Bereiche anzubieten, sondern wir müssen alles dafür tun, um die Zahl der Auszubildenden im dualen System zu erhöhen. Das muss unsere Hauptaufgabe sein.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Alles andere, was man dahinter macht, falls dies nicht gelingt, ist eigentlich der zweitbeste Weg. Es ist völlig klar, dass wir bei manchen den zweitbesten Weg gehen müssen, weil sie nicht direkt im dualen System landen. Ich glaube, das gehört dazu.

Deswegen will ich Ihnen einen kurzen Überblick über die vorhandenen Förderinstrumentarien geben, an denen wirklich alle Akteure in diesem Bereich arbeiten.

Erstens. Bei der Bundesagentur für Arbeit ist es so – ich glaube, das kann ich sagen –, dass man nicht mehr einfach nur registriert wird, wenn man dort nach einem Ausbildungsplatz sucht, sondern dass man unterstützt und nicht nur verwaltet wird, sodass klar ist, dass auch die Bundesagentur für Arbeit in diesem Bereich zu helfen versucht.

Zwei Punkte will ich in diesem Zusammenhang nennen: Seit 2012 betreibt auch die Bundesagentur für Arbeit in Hessen eine Initiative zur abschlussorientierten Qualifizierung und Einmündung in betriebliche Ausbildung. Seit 2013 wird die Initiative durch eine Öffentlichkeitskampagne mit dem schönen Namen „AusBILDUNG wird was – Spätstarter gesucht“ unterstützt. Diese Kampagne richtet sich vor allem an die Gruppe der 25- bis 35-Jährigen mit dem Ziel der dauerhaften Integration junger Erwachsener in den Arbeitsmarkt, wobei auch alle anderen Altersgruppen von der Initiative profitieren können.

Ich will das vor diesem Hintergrund einmal sagen: Wenn wir über Ausbildung reden, denken wir immer an Schulabgänger. Wir haben aber das Problem, dass es eine Menge Leute im Erwerbsprozess gibt, die zwar arbeiten, aber keine berufliche Ausbildung haben. Das sind die Personen, die dann vor einem Problem stehen, wenn sie diesen Arbeitsplatz einmal verlieren und die natürlich auch mit dem, was sie mir ihrer Arbeit verdienen, nicht unbedingt dort sind, wohin sie gern wollen.

Deswegen legen wir mit der neuen Förderperiode des Europäischen Sozialfonds einen Förderschwerpunkt auf die Nachqualifizierung von Beschäftigten. Das ist ein Thema, was meiner Meinung nach in den letzten Jahren zu wenig betrachtet wurde und auf das wir in Zukunft ein besonderes Augenmerkt legen wollen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zweitens. Wir wollen mit den neuen Förderrichtlinien ab 2015 – das wird mein Ministerium tun – den Schwerpunkt auf die strukturellen Unterstützungsmöglichkeiten und das finanzielle Engagement in genau diese Richtung lenken. Wir wollen beispielsweise die qualifizierte berufspädagogische Ausbildungsbegleitung in Berufsschule und Betrieb – genannt QuABB –, mit der unnötige Ausbildungsabbrüche verhindert werden können, hessenweit ausbauen.

Auch die landesweite Strategie OloV „Optimierung der lokalen Vermittlungsarbeit im Übergang Schule – Beruf“ soll hier ausdrücklich erwähnt sein. Mit der flächendeckenden Verankerung von OloV und den individuellen Vereinbarungen der Akteure auf regionaler Ebene haben wir ein zielführendes Instrument geschaffen. Ich will in diesem Zusammenhang durchaus darauf hinweisen: Wir haben inzwischen in Hessen als einzigem Bundesland eine umfassende und flächendeckende Gesamtstrategie für den Übergang Schule – Beruf, die bundesweit als vorbildlich gilt.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das bedeutet allerdings auch – das will ich ausdrücklich sagen –, dass man damit von vereinzelten befristeten Projekten wegkommt, hin zu nachhaltigen und dauerhaften Strukturen. Das bedeutet auch, dass wir uns manchmal mit der Frage auseinandersetzen, dass es Begehrlichkeiten unterschiedlicher Akteure in der Berufsbildungslandschaft auf vergleichsweise kleinteilige Projekte gibt. Das kann man natürlich nicht, wenn man ein Konzept für das ganze Land hat, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Dann haben Sie zu Recht die gemeinsame Anlaufstelle zur Beratung von Jugendlichen angesprochen, wo es eine gemeinsame Anlaufstelle bzw. einen Ansprechpartner hat. Hier möchte ich darauf hinweisen, dass das Hessische Sozialministerium zwei Drittel der Landes- und ESF-Mittel der Arbeitsmarktförderung in die Ausbildungsförderung für benachteiligte Jugendliche investiert. Die Zielgruppen dort sind Jugendliche ohne Hauptschulabschluss, junge Alleinerziehende, Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen und auch Menschen mit Migrationshintergrund.

Wenn man sich ansieht, dass im Bereich der Qualifizierung und Beschäftigung junger Menschen ein Fördervolumen von 5,5 Millionen Eueo über 700 Plätze für junge Menschen mit erheblichem Förderbedarf bedeuten, wo das wichtige Ziel darin besteht, Hauptschulabschlüsse über Jugendwerkstätten und Produktionsschulen nachzuholen, dann ist klar, dass auch in diesem Fall das Sozialministerium daran arbeitet. Ich weiß, dass das Sozialministerium und die Regionaldirektion Hessen der Bundesagentur für Arbeit in dieser Sache unterwegs sind, um Bündnisse für Jugend und Beruf zu etablieren, um für genau diese benachteiligten Jugendlichen eine einheitliche Anlaufstelle in der jeweiligen Region zu schaffen. Wir arbeiten daran, dies zum Bestandteil der OloV-Struktur zu machen. In den Agenturbezirken Darmstadt und Frankfurt gibt es das bereits, und das Sozialministerium arbeitet gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit an einer flächendeckenden Struktur.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das gilt natürlich auch für die Übergangsbegleitung. Auch dort haben wir Berufseinstiegsbegleiter, die besonders die Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf begleiten. Ich will ausdrücklich zum Stichwort „Wer bildet aus“ sagen, dass es in Zukunft darauf ankommen wird, dafür zu sorgen, kleine Betriebe darin zu unterstützen, weiterhin auszubilden oder sogar verstärkt auszubilden. Mein Ministerium arbeitet an einem neuen Förderprogramm zur Stärkung der Ausbildungsfähigkeit und -qualität von Kleinstunternehmen. Damit wollen wir nächstes Jahr beginnen, weil wir glauben, dass wir den Betrieben Hilfestellung geben müssen, um jungen Menschen auch dort einen Ausbildungsplatz zur Verfügung zu stellen.

Frau Präsidentin, ich habe die Uhr im Blick. Ich bemühe mich, zu Schluss zu kommen. – In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal sagen: Aus meiner Sicht ist es wichtig, es nicht aus den Augen zu verlieren, dass die ausbildungsreifen Jugendlichen auf der einen Seite und der ausbildungsfähige und -willige Betrieb auf der anderen Seite bei uns die Regel sind und nicht die Ausnahme, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das heißt, wir müssen auch dafür sorgen, dass die Hilfestellungen denen zugutekommen, die sie auch wirklich benötigen, um die finanziellen Ressourcen effizient und zielführend einsetzen zu können.

Deswegen lassen Sie mich abschließend sagen: Trotz aller guten Initiativen und Aktivitäten gibt es noch genug zu tun, um für jeden Jugendlichen gute Ausgangsvoraussetzungen in Ausbildung und Beschäftigung zu schaffen. Deswegen bin ich sehr dankbar, dass sich alle Akteure und auch alle Tarifpartner bereiterklärt haben, an einem neuen Bündnis für Ausbildung mitzuarbeiten, das zurzeit unter Federführung meines Ministeriums erarbeitet wird. Darin bringen wir alle an einen Tisch, um zu überlegen, wie wir Attraktivität und Qualität in der beruflichen Bildung weiter steigern können, dass wir ab 2015 eine neue Ausrichtung der Förderrichtlinie haben, um den künftigen Bedarfen gerecht zu werden und nicht zuletzt im Bildungsgipfel eine Arbeitsgruppe haben, die sich genau mit der notwendigen Reform der Übergangssysteme beschäftigt. Das ist für mich ein ganz elementarer Punkt: Ich habe die Leitung dieser Arbeitsgruppe übernommen und verspreche, dass wir sehr, sehr intensiv an diesen Bereichen arbeiten. Ich bitte ausdrücklich auch alle Landtagsfraktionen, sich hieran zu beteiligen. Hinweise für Verbesserungen werden immer gern angenommen; denn noch besser werden kann man immer. Ich finde, daran sollten wir alle gemeinsam arbeiten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Heike Habermann:

Vielen Dank.

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