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19.05.2016

Aktuelle Stunde: Priska Hinz, Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz – Keine Verlängerung für den Einsatz von Glyphosat – Gesundheitsschutz geht vor

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, es kommt selten vor, dass über einen Pestizidwirkstoff wie das Glyphosat nicht nur in den Abendnachrichten ausführlich berichtet wird, sondern dass ein öffentlicher Streit stattfindet, der dann auch die Politik in diesem Maße erreicht.
Es ist bis zur Stunde unklar, wie sich Deutschland im zuständigen EU-Ausschuss verhalten wird. Wir wissen, dass andere Mitgliedstaaten wie Frankreich heute nicht zustimmen werden. Auch dies ist ein erstaunlicher, aber konkreter Befund. Das heißt, dass auch in anderen Ländern das Misstrauen gegenüber einer jetzigen Zustimmung zur Zulassung von Glyphosat sehr hoch ist. Ob die Kommission am Ende des Verfahrens Glyphosat im Alleingang zulassen wird, wenn es heute im EU-Ausschuss keine qualifizierte Mehrheit gibt, ist noch fraglich. Möglicherweise gibt es eine Verschiebung der Abstimmung. Das werden wir heute im Laufe des Tages erfahren.
Ich möchte mich jetzt aber nicht mehr weiter mit dem Verfahren beschäftigen, sondern mich zum Inhalt der aktuellen Diskussion einlassen, die sich mit den Ergebnissen der unterschiedlichen Gremien der WHO und mit der Frage, ob Glyphosat krebserregend ist oder nicht, beschäftigt.
Dass sich die Ergebnisse vermeintlich widersprechen, hängt damit zusammen, dass die wissenschaftlichen Untersuchungen etwas Unterschiedliches untersuchen sollten. Deshalb sind sie auch zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen. Während das Bundesinstitut für Risikobewertung wie auch Teile der WHO-Gremien versucht haben, ein möglichst konkretes Risiko für Glyphosat für üblicherweise aufgenommene Mengen zu ermitteln, hat die Internationale Krebsforschungsagentur, die IARC, versucht zu ermitteln, ob Glyphosat überhaupt krebserregend ist. Das ist ein Unterschied. Mit den jüngsten Ergebnissen wird die Einschätzung der Internationalen Krebsforschungsagentur deshalb nicht aufgehoben.
Die Frage lautet nämlich nicht, ob das Gift nachgewiesen werden kann. Es kann im Körper nachgewiesen werden. Die Frage lautet vielmehr, wie viel Gift eigentlich zu Krebs führt. Dazu gibt es noch keine wissenschaftlich fundierten Erkenntnisse. Das ist der Punkt, um den es geht. Deshalb entscheidet – wie bei so vielen Dingen im Leben – am Ende die Dosis, ob wir es mit einem Gift oder einem Pflanzenschutzmittel, das für die Gesundheit nicht weiter erheblich ist, zu tun haben.
Herr Lenders, dass Glyphosat die Biodiversität schädigt, ist wissenschaftlich ziemlich unumstritten. Darüber muss man hier in diesem Hause hoffentlich nicht mehr reden.
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Jürgen Lenders (FDP))
Da wir es im Umwelt- und Verbraucherschutz häufig mit der Fragestellung zu tun haben, ab welcher Dosis ein solches Mittel gesundheitsschädlich ist, sind wir bislang immer gut damit gefahren, uns am Vorsorgeprinzip zu orientieren.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Deshalb haben wir in Hessen das getan, was wir konnten, was in unserer Kompetenz liegt und wofür wir eine Zuständigkeit haben. Ich hoffe, dass sich auch der Bund und die EU-Kommission beim dem Thema der Wiederzulassung von Glyphosat ihrer Verantwortung bewusst sind und bleiben. Dass die Bundesregierung bzw. ein Teil der Bundesregierung nicht schon immer klar gesagt hat, was sie will, ist in den vorherigen Debatten schon klar geworden.
Auch bei dem Thema Bier: Kein Mensch trinkt 1.000 Liter Bier am Tag. Das kann auch keiner trinken, weil er vorher auf andere Weise stirbt, aber nicht an Glyphosat.
(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))
– Vielleicht ertrinkt er dann auch; je nachdem, woraus er das Bier trinken will.
Die Frage zu den Eintragspfaden lautet: Wie kumuliert sich Glyphosat über die verschiedenen Eintragspfade im Körper? Auch das ist noch nicht endgültig erforscht. Daher bestehe ich schon darauf, dass wir mehr Forschung brauchen, um wissenschaftlich fundierte Ergebnisse zu erhalten. Wir müssen genau wissen, wie man ein solches Herbizid anwenden sollte und ob man es überhaupt noch anwenden sollte.
Wir in Hessen haben 2014 die Anwendungsbestimmungen für Spätbehandlungen im Getreide, die sogenannte Sikkationsanwendung, deutlich verschärft. Das heißt, dass wir im Ergebnis keine Rückstände mehr haben. Wir haben die pflanzenschutzrechtlichen Genehmigungsbestimmungen für Freilandflächen – Friedhöfe, Parks, Schwimmbäder und all das, was öffentlich zugänglich ist – bereits drastisch verschärft.

Vizepräsidentin Heike Habermann:

Frau Staatsministerin, ich weise auf die Redezeit hin.

Priska Hinz:

Ja, ich komme zum Schluss. – Die Landesregierung hat weiterhin Fördermittel von fast 18.000 Euro für Untersuchungen zur Risikoabschätzung an hessische Einrichtungen gegeben, nämlich an den Landesbetrieb Hessisches Landeslabor und die Universität Gießen. Das ist das, was wir auf Landesebene tun können.
Auf Agrarministerkonferenzen habe ich mich immer dafür eingesetzt, dass es keine Zulassung von Glyphosat gibt, bevor nicht wissenschaftlich fundierte Ergebnisse auf dem Tisch liegen. Die SPD-Agrarminister haben uns weitestgehend im Regen stehen lassen. Deswegen kamen Beschlüsse dazu auf den Agrarministerkonferenzen nicht zustande.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe der Abg. Nancy Faeser und Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))
Das zu der Frage, wie die SPD als Partei aufgestellt ist. Sie können das auch in den entsprechenden Dokumenten nachlesen. Ich hoffe, dass es eine Abstimmung in der EU zugunsten des Verbraucherschutzes und der Vorsorge gibt.
(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))
Ich bin gespannt, wie sich die Bundesregierung hier aufstellen wird.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU –Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Vizepräsidentin Heike Habermann:

Vielen Dank.