Inhalt

11.06.2022

STATUT FÜR EINE VIELFÄLTIGE PARTEI (VIELFALTSSTATUT)

Präambel

Die Vielfalt unserer Partei ist unsere Stärke. Wir teilen politische Macht und verstehen uns als Bündnispartei, die auf der Grundlage gemeinsamer Überzeugungen offen ist für unterschiedliche Erfahrungen, Vorstellungen und Ansätze. Wir sind auf vielfältiges biographisches Erfahrungswissen und vielfältige Perspektiven aus der ganzen Breite der Gesellschaft angewiesen, um als Partei umfassende Antworten auf Fragen zu finden, die uns als gesamte Gesellschaft betreffen.

Seit unserer Gründung setzen wir uns für die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen ein. Vieles hat sich in unserer Gesellschaft in den letzten Jahren zum Positiven verändert: bei der Gleichstellung der Geschlechter, bei der Angleichung der Lebensverhältnisse von Ost und West, beim Staatsangehörigkeitsrecht, bei der Ehe für alle oder bei der Inklusion. Doch trotz dieser unbestreitbaren Fortschritte sind nach wie vor große gesellschaftliche Gruppen unterrepräsentiert, ist das Bildungssystem noch immer nicht so, dass alle Kinder die gleichen Startchancen haben, gibt es soziale Barrieren, fehlenden Zugang zu gesellschaftlicher Teilhabe und Infrastruktur. Wir wollen, dass alle mit am Tisch sitzen.

Diesem Selbstverständnis nach ist es unser Anspruch, dass bei uns alle Menschen, die unsere Werte und Ziele teilen, die Möglichkeit haben, sich gleichberechtigt einzubringen, ihre Interessen zu vertreten und ihre Themen zu repräsentieren – ohne Barrieren, Hürden oder Vorurteile. Diese wollen wir in unseren Parteistrukturen finden und einreißen. Dazu gehört auch, unsichtbare, ausschließende Strukturen sichtbar zu machen. Wir wollen sie überwinden und den Zugang zu gleichberechtigter politischer Teilhabe gewährleisten.

Unser Ziel ist Zusammenhalt in Vielfalt. Wir wollen, dass sich vielfältige Perspektiven in unserer Partei abbilden. Die Repräsentation von gesellschaftlich diskriminierten oder benachteiligten Gruppen mindestens gemäß ihrem gesellschaftlichen Anteil auf der jeweiligen Ebene ist unser Ziel. Viele Menschen sind jedoch aufgrund von gesellschaftlichen Verhältnissen strukturell von Ungleichbehandlung betroffen.

Deswegen setzen wir uns zur Aufgabe, unsere Strukturen so zu gestalten, dass sie in Bezug auf das Geschlecht, eine rassistische, antisemitische oder antiziganistische Zuschreibung, die Religion und Weltanschauung, eine Behinderung oder Erkrankung, das Lebensalter, die Sprache, die sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität, den sozialen oder Bildungsstatus oder die Herkunft inklusiv und nicht diskriminierend wirken.

Wir stellen uns Diskriminierung auch innerhalb unserer Partei entschlossen entgegen. Durch kritische Selbstreflexion auf allen Ebenen wollen wir Wissen und Bewusstsein über bestehende oder mögliche Diskriminierungsmechanismen – gerade auch mehrdimensional wirkende – in unserer Partei verankern und diese Mechanismen abbauen. Diskriminierungsfälle innerhalb grüner Strukturen werden wir aktiv bearbeiten und Betroffene vor Diskriminierung und Rassismus schützen. Dafür sind wir auf die Erfahrungen und Expertise der Parteimitglieder, die eigene Diskriminierungserfahrungen haben, angewiesen.

Wir etablieren und stärken innerhalb unserer Strukturen Räume, in denen gerade Menschen mit Diskriminierungserfahrungen sich in geschütztem Rahmen austauschen, vernetzen und gegenseitig stärken können, und stellen dafür Ressourcen zur Verfügung. Politische Teilhabe darf nicht vom Einkommen, dem Bildungsabschluss oder der Lebenssituation abhängen. Unsere Strukturen wollen wir so gestalten, dass sie für alle verständlich, zugänglich und durchlässig sind.

Durch solidarische Bündnisse unterstützen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Vertretungen diskriminierter Gruppen und ihr zivilgesellschaftliches Engagement. Alle Untergliederungen und Teilorganisationen sowie Gremien und Versammlungen sind dazu angehalten, diese Ziele zu achten und zu stärken.

§1 Repräsentation

  1. Wir wollen, dass sich vielfältige Perspektiven in unserer Partei abbilden. Die Repräsentation von gesellschaftlich diskriminierten oder benachteiligten Gruppen mindestens gemäß ihrem gesellschaftlichen Anteil auf der jeweiligen Ebene ist unser Ziel.
  2. Der Landesvorstand wird, basierend auf der wissenschaftlichen Untersuchung der Bundespartei, über die Zusammensetzung der Diskriminierungserfahrungen in der Partei berichten und Maßnahmen zur Förderung der innerparteilichen Vielfalt implementieren und evaluieren. Ein Bericht im Rahmen des Rechenschaftsberichts dazu wird alle zwei Jahre auf dem Landesparteitag vorgestellt und diskutiert.
  3. Alle Untergliederungen und Teilorganisationen sowie Gremien und Versammlungen sind dazu angehalten, diese Ziele zu achten und zu stärken.
  4. Vielfalt ist ein Querschnittsthema für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, das ebenso von allen Landesarbeitsgemeinschaften und Gremien bearbeitet werden soll.
  5. Ansprechpersonen bei Diskriminierung sind die Ombudspersonen des Landesverbands. Näheres regelt das hessische Frauenstatut in §7 Abs. 6.

§2 Versammlungen

  1. Präsidien sollen möglichst vielfältig besetzt werden. Menschen, die diskriminierten Gruppen angehören, werden bei der Besetzung vorrangig berücksichtigt.
  2. Bei Veranstaltungen, die von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN organisiert werden, wird darauf geachtet, dass die Referent*innen die gesellschaftliche Vielfalt widerspiegeln.
  3. Alle Veranstaltungen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sind grundsätzlich barrierefrei zu gestalten. Dies umfasst neben dem physischen Zugang u.a. auch zeitliche, finanzielle und soziale Faktoren. Die Landespartei stellt sicher, dass alle Parteiveranstaltungen für Menschen, die diskriminierten Gruppen angehören, eine sichere Umgebung darstellen. Das gilt insbesondere für Inklusionsaspekte, dabei ist der Leitfaden für Inklusion bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu berücksichtigen.

§3 Einstellung von Arbeitnehmer*innen

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Hessen verpflichtet sich als Arbeitgeberin dem Vielfaltsstatut und der Stärkung von Menschen, die diskriminierten Gruppen angehören. Bei bezahlten Stellen soll sich auf allen Qualifikationsebenen die gesellschaftliche Vielfalt widerspiegeln.

  1. Dazu sind Stellenausschreibungen so zu gestalten, dass sie den Zielen des Vielfaltsstatuts entsprechen und Menschen, die diskriminierten Gruppen angehören, besonders ansprechen.
  2. In Bereichen, in denen Menschen, die diskriminierten Gruppen angehören, unterrepräsentiert sind, werden diese bei Einstellungen bei gleicher Kompetenz bevorzugt.
  3. Bei der Zusammenarbeit mit Partner*innen und Dienstleister*innen wird darauf geachtet, dass diese diskriminierungsfrei arbeiten. Eine Zusammenarbeit mit Personen oder Organisationen, die den Zielen einer vielfältigen Gesellschaft widersprechen, findet nicht statt.

§4 Empowerment und Weiterbildung

  1. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Hessen schafft Angebote zum Empowerment (Stärkung) von diskriminierten oder in der Partei unterrepräsentierten Gruppen.
  2. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Hessen schafft in Zusammenarbeit mit Bildungsträgern Angebote für diversitätspolitische und diskriminierungskritische Fortbildungen. Alle Amtsträger*innen und Mitarbeiter*innen der Partei sollen einmal in 2 Jahren an einer solchen Maßnahme teilnehmen.

§5 Delegation zum Diversitätsrat

  1. Der Landesverband entsendet ein Mitglied des Landesvorstandes und ein weiteres Mitglied in den Diversitätsrat des Bundesverbandes. Für jede Delegation sind Ersatzdelegierte zu entsenden.
  2. Die Delegation des Landesvorstandes wird durch den Landesvorstand benannt. Eine Bewerbung für das weitere Mitglied steht jedem Mitglied von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Hessen offen. Die Wahl erfolgt auf einem Landesparteitag. Bei der Delegation ist die Repräsentanz der Vielfalt der Gesellschaft zu beachten.
  3. Die Delegation erfolgt auf 2 Jahre.
  4. Die Delegierten berichten regelmäßig dem Landesvorstand und der Landespartei über die Arbeit des Diversitätsrates.

§6 Vielfaltspolitische Sprecher*in

  1. Im Landesvorstand wird ein*e vielfaltspolitische*r Sprecher*in benannt.
  2. Die*der vielfaltspolitische Sprecher*in hat die Aufgabe, gemeinsam mit dem Bundesverband und der „Projektgruppe Vielfalt” Maßnahmen zu entwickeln, die zur angestrebten gleichberechtigten Teilhabe und der Repräsentanz von diskriminierten Gruppen und Menschen innerhalb von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und in der Gesellschaft beitragen.
  3. Die*der vielfaltspolitische Sprecher*in soll Kreis- und Ortsverbände beraten.
  4. Gemeinsam mit der zuständigen Person aus der Landesgeschäftsstelle ist sie*er Anlaufstelle für den Informationsaustausch, für die Zusammenarbeit und für die Vernetzung auf Landesebene – analog zur Frauenpolitik.

§7 Projektgruppe Vielfalt

  1. Der Landesvorstand setzt eine „Projektgruppe Vielfalt“ ein, die die Maßnahmen der Landespartei weiterentwickelt. Die „Projektgruppe Vielfalt“ wird von der*dem vielfaltspolitischen Sprecher*in koordiniert.
  2. Die Mitglieder sollen vielfältige Diskriminierungs- und Benachteiligungserfahrungen einbringen und möglichst alle Kreisverbände sollten vertreten sein. Die Delegierten zum Diversitätsrat sind Mitglieder der Projektgruppe.
  3. Die „Projektgruppe Vielfalt” hat das Recht, zu allen Anträgen, die die vielfaltspolitischen Grundsätze von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Hessen betreffen, auf dem Landesparteitag in einem Redebeitrag Stellung zu nehmen.
  4. Die „Projektgruppe Vielfalt” berät in Zusammenarbeit mit den Landesarbeitsgemeinschaften und dem GRÜNEN Frauenrat über Angelegenheiten der Diversitätspolitik der Partei zwischen den Landesparteitagen und befasst sich mit Angelegenheiten, die der Landesvorstand an sie delegiert.
  5. Aus der „Projektgruppe Vielfalt“ werden regelmäßig dem Landesvorstand und auf Wunsch dem Landesparteitag die Ergebnisse der Beratungen berichtet.

§8 Geltung

  1. Das Vielfaltsstatut ist Bestandteil der Satzung des Landesverbandes von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Hessen. Es tritt am Tag seiner Beschlussfassung in Kraft.
  2. Die Kreisverbände sind aufgefordert, Regelungen in ihre Satzungen und Statuten aufzunehmen und Maßnahmen zu ergreifen, die zur gesellschaftlichen Vielfalt in ihren Gremien beitragen, soweit die Regelungen dieses Statuts nicht direkt anwendbar sind.

Hier ist das Dokument zum Download.

Verabschiedet von der Landesmitgliederversammlung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Hessen am 11. Juni 2022 in Bad Hersfeld.

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