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08.12.2012
Landesarbeitsgemeinschaften, Parteirat

Der hessisch-grüne Weg in der Bildungspolitik: Schulfrieden statt Schulkampf – ermöglichen statt verordnen

Beschluss Parteirat: Schulfrieden in der Bildungspolitik (pdf)

  1. Die hessischen GRÜNEN sehen mit Sorge, dass sich CDU und SPD angesichts der näher rückenden Landtagswahl in bildungspolitischen Fragen erneut radikalisieren. Eine neue Runde des bereits Jahrzehnte dauernden Schulkampfs ist eingeläutet. Der neue bildungspolitische Sprecher der CDU, Günther Schork, verstieg sich in der Landtagsdebatte vom 22. November gar zu der Äußerung, es gehe um „Freiheit statt Sozialismus“.
  2. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Hessen werden sich an dieser neuen Runde des ideologischen Schulkampfs nicht beteiligen. Weder schwarze noch rote Zwangsbeglückungen werden unsere Schulen weiterbringen. Im Gegenteil: Nach 13 Jahren ideologischer schwarz-gelber Bildungspolitik ist Hessen meilenweit vom versprochenen Bildungsland Nummer 1 entfernt. Aber auch die Ankündigungen der SPD, nach der kommenden Landtagswahl alles mal wieder komplett anders machen zu wollen, sind für die Schulen mehr Drohung denn Verheißung.
  3. Weder ein „weiter so“ mit der gescheiterten schwarz-gelben Politik noch neuerliche Zwangsbeglückungen werden unsere Schulen weiterbringen. Die GRÜNEN stehen für Maß und Mitte in der Bildungspolitik. An die Stelle des Schulkampfs stellen wir das Angebot eines dauerhaften Schulfriedens, wie er bereits in anderen Bundesländern geschlossen wurde.
  4. Kern des GRÜNEN Angebots für einen Schulfrieden ist eine Vereinbarung zwischen Regierung und Opposition über die Schulentwicklung in Hessen für einen Zeitraum von zehn Jahren. Es muss Schluss sein mit den ständigen 180-Grad-Wendungen nach jedem Regierungswechsel. Unsere Schulen müssen endlich verlässlich wissen, wohin die Reise geht. Nur so können sie sich auf ihre eigentliche Aufgabe, die Qualitätsverbesserung und die individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler, konzentrieren. Wir GRÜNEN reichen heute aus der Opposition heraus die Hand zu einem solchen Schulfrieden. Und wir werden bei einer möglichen Regierungsbeteiliung nach der Landtagswahl auf die Oppositionsparteien zugehen, um gemeinsam mit ihnen, den Eltern, den Schülerinnen und Schülern sowie den Lehrerinnen und Lehrern einen Schulfrieden zu erreichen.
  5. Ein solcher Schulfrieden ist auch in Hessen möglich, wenn alle politischen Parteien endlich den Elternwillen respektieren. Politische Parteien sollten eine Vorstellung haben, wie sie das Bildungssystem weiterentwickeln wollen. Sie sollten aber auf den Hochmut verzichten, ihre Vorstellungen allen Eltern vorschreiben zu wollen. In diesem Sinne wollen die hessischen GRÜNEN Garanten des Elternwillens sein. Wer für sein Kind eine Schule mit längerem gemeinsamem Lernen will, soll sie auch in Hessen endlich wohnortnah finden. Wer ein verlässliches ganztägiges Bildungs- und Betreuungsangebot in der Grundschule will, soll es endlich auch bekommen. Wer sein behindertes Kind an einer allgemeinen Schule statt an der Förderschule unterrichten lassen will, soll endlich auch in Hessen inklusive Schulen vorfinden. Es gilt aber auch: Wir werden keine von den Eltern vor Ort akzeptierte Schule des gegliederten Schulwesens abschaffen. Die Erfahrungen anderer Bundesländer zeigen, dass sich aufgrund der Entscheidungen vor Ort mittel- bis langfristig mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Zwei-Säulen-Schulsystem entwickeln wird. In ihm gibt es das Gymnasium auf der einen und eine weitere leistungsfähige Schulform mit längerem gemeinsamen Lernen und allen Abschlüssen an einer Schule auf der anderen Seite.
  6. GRÜNE Bildungspolitik setzt aus Respekt vor dem Elternwillen auf ermöglichen statt verordnen. Wir wollen die Lehr-, Lern- und Arbeitsbedingungen an allen Schulen verbessern und zusätzlich beispielsweise
    • allen Grundschulen ermöglichen, den flexiblen Schulanfang und ein freiwilliges ganztägiges Bildungs- und Betreuungskonzept anbieten zu können,
    • den weiterführenden Schulen ermöglichen, mit dem GRÜNEN Konzept für eine „Neue Schule“ sich zu Schulen mit längerem gemeinsamen Lernen weiter zu entwickeln,
    • den Schulen ermöglichen, zu inklusiven Schulen zu werden, an denen Schülerinnen und Schüler mit und ohne Behinderungen gemeinsam lernen können.
  7. Respekt vor dem Elternwillen, Schulfrieden statt Schulkampf sowie ermöglichen statt verordnen bedeutet auch für G8/G9, dass es keine Schwarz-Weiß-Lösungen gibt. So falsch es war, G8 zwangsweise von oben herab an allen Schulen einzuführen, so falsch wäre es, jetzt G9 zwangsweise von oben herab an allen Schulen einzuführen. Wir GRÜNE stehen für einen anderen Weg. Wir sind die Erfinder der Wahlfreiheit zwischen G8 und G9. Bereits seit dem Jahr 2008 können die Kooperativen Gesamtschulen auf Grundlage eines GRÜNEN Gesetzentwurfs zu G9 zurückkehren. In etwa die Hälfte hat davon Gebrauch gemacht. Bloß weil Schwarz-Gelb jetzt unsere Forderung nach Wahlfreiheit übernommen hat, sind wir GRÜNE nicht auf einmal dagegen.
  8. Wir wollen dem Elternwillen Rechnung tragen und sagen an die Adresse von Schwarz-Gelb: Wahlfreiheit muss man nicht nur wollen, Wahlfreiheit muss man auch können. Es reicht nicht, die Wahlfreiheit einfach ins Gesetz zu schreiben. Die Landesregierung muss auch dafür sorgen, dass alle Eltern, die G9 für ihr Kind wollen, zu Beginn des kommenden Schuljahrs auch tatsächlich ein Angebot finden. Hierfür fordern die GRÜNEN regionale Konferenzen um in Zusammenarbeit mit den Schulträgern den Elternwunsch nach G9 und das schulische Angebot von G9 in Einklang zu bringen. Andernfalls droht zum kommenden Schuljahr die Situation, dass Kinder entgegen dem G9-Wunsch der Eltern zwangsweise in G8-Schulen eingewiesen werden. Das wäre dann das Gegenteil von Wahlfreiheit.
  9. Auch darf die Wahlfreiheit nicht darüber hinwegtäuschen, dass G8 in anderen Bundesländern umsichtiger und besser eingeführt wurde als in Hessen. Wir wollen, dass auch die Eltern, die prinzipiell G8 für ihr Kind wollen, aber mit der Umsetzung in Hessen nicht zufrieden sind, endlich ernst genommen werden. Daher fordern wir die Landesregierung auf, von den Erfahrungen anderer Bundesländer beispielsweise bei der Überprüfung der Unterrichtsinhalte zu lernen und weitere Veränderungen am G8 auf den Weg zu bringen.
  10. Ein echter Schulfrieden setzt eine demokratische Einigung über das favorisierte Schulmodell innerhalb der Schulgemeinde und eine kluge Abstimmung mit dem kommunalen Schulträger voraus. Als GRÜNE sind wir immer für die selbstständige Schule eingetreten. Daraus erwachsen besondere Möglichkeiten, aber auch eine besondere Verantwortung. Schulleiterinnen und Schulleitern fällt durch die Chance der Wahlfreiheit die Aufgabe der Beteiligung der Schulgemeinde bei der Frage der Zukunft der eigenen Schule zu. Die Schulgemeinde steht in der Verantwortung, eine gute Lösung für die ganze Schule und für die nachfolgenden Eltern zu finden – auch unter Berücksichtigung der Entscheidungen an den umliegenden Schulen. Schulfrieden braucht Einsatz von allen, um sich zu entfalten.
    Die GRÜNEN halten als die verlässliche Kraft in der hessischen Bildungspolitik Kurs. Für uns sind auch im Wahlkampf reale Veränderungen an den Schulen wichtiger als Parolen. Der hessische Schulkampf hat unsere Schulen lange genug gelähmt. Es ist Zeit für einen Schulfrieden. Es ist Zeit für einen neuen Aufbruch für unsere Schulen. Es ist Zeit für eine GRÜNE Bildungspolitik in Hessen.

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