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07.10.2006
Landesarbeitsgemeinschaften, Landesmitgliederversammlung

Geschlechter gerecht handeln – Neuer Aufbruch in der Frauenpolitik

Präambel
Bündnis 90/DIE GRÜNEN wollen eine geschlechtergerechte Gesellschaft gestalten, in der die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an der Erwerbs- und der Familienarbeit möglich ist und in der sich unterschiedliche Lebensentwürfe beider Geschlechter verwirklichen lassen. Dies gilt für alle, unabhängig von Alter, Behinderung, sexueller Orientierung oder sozialer und kultureller Herkunft.
Gleichberechtigte politische Partizipation und Repräsentation von Frauen und Männern in der Gesellschaft sind Voraussetzungen einer lebendigen Demokratie. Ein grünes Wirtschaftswunder ist nur mit Frauen möglich: Statt monokulturellem Stillstand wollen wir produktive Vielfalt. Wir wollen, dass individuelle Fähigkeiten gefördert und die erworbenen Kompetenzen ausgeschöpft werden können: Statt der Fortschreibung tradierter Geschlechterrollen wollen wir Entscheidungsfreiheit.
Deshalb ist es auch Zeit für eine Männerpolitik, die sich der besonderen Bedürfnisse von Jungen und Männern annimmt.
Die deutsche Frauenbewegung hat von Beginn an das politische Selbstverständnis der GRÜNEN bestimmt. Engagierte Frauen haben hier ihre politische Heimat gefunden und auf den verschiedensten politischen Ebenen dazu beigetragen, dass die Gleichstellung der Geschlechter in vielen Bereichen des Lebens heute als selbstverständlich gilt. GRÜNE Frauen haben dafür viele Tabus gebrochen. Bei der Quotierung politischer Ämter sind die GRÜNEN unter den deutschen Parteien weiterhin einsame Spitze.
Heute sind Frauen über das grüne Spektrum hinaus so selbstbewusst, endlich die Selbstverständlichkeit der Gleichstellung einzufordern. Dabei erfahren sie immer mehr Unterstützung von fortschrittlichen Männern. Dennoch ist heute schon die dritte Generation nach den Anfängen der Frauenbewegung mit den gleichen Problemen, von der Vereinbarkeit von Kind und Beruf bis zur Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit, konfrontiert. Es bedarf deshalb eines deutlichen Signals.

GRÜNE Frauenpolitik hat Hessen verändert
Bereits in der ersten rot-grünen Tolerierungsphase in Hessen zwischen 1983 und 1985 haben DIE GRÜNEN das „Hessische Aktionsprogramm für Frauen“ mit einem Finanzvolumen von fünf Millionen Mark durchgesetzt. Zu Beginn der ersten rot-GRÜNEN Regierungszeit wurde 1985 die damalige Wissenschaftsministerin auch „Bevollmächtigte der hessischen Landesregierung für Frauenangelegenheiten“. Ihr stand mit Marita Haibach eine GRÜNE Staatssekretärin mit eigenem Stab zur Seite. Damit wurden von Anbeginn GRÜNER Regierungsmitverantwortung die Zeichen für eine offensive Frauenpolitik in Hessen gestellt, das dadurch eine Spitzenstellung gegenüber anderen Bundesländern einnahm.

Der erste hessische Frauenförderplan für Landesverwaltung und Hochschulen wurde 1987 verabschiedet, das Hessische Gleichberechtigungsgesetz trat 1993 als eines der ersten Landesgleichstellungsgesetze in Kraft.
GRÜNE Frauenpolitik in Hessen zeichnet sich durch den Blick auf die Vielfalt der Lebensentwürfe von Frauen und die Verbesserungen der Rahmenbedingungen zu deren Verwirklichung aus. Mit dem hessischen Aktionsprogramm haben wir die Förderung von Frauenhäusern, Frauenbildungseinrichtungen, Mütterzentren und Mädchenprojekten zu einem festen Bestandteil der Landespolitik gemacht; während der rot-GRÜNEN Regierungszeit ab 1991 wurde dies konsequent weiterentwickelt und ausgebaut. Im letzten rot-GRÜNEN Regierungsjahr 1999 standen im Landeshaushalt knapp 10 Millionen Euro für Frauenpolitik zur Verfügung. Auch in der Opposition haben wir Geschlechtergerechtigkeit und frauenpolitische Themen durch eine Reihe von Initiativen als zentrale Herausforderungen der Landespolitik aufgegriffen. Dem Abbau von Frauenrechten im Gleichberechtigungsgesetz haben wir von Beginn an ebenso den Kampf angesagt, wie wir für die Umsetzung des Gender-Mainstreaming-Prinzips als Grundlage landespolitischen Handelns gestritten haben. Seit Mai 2005 ist Gender Mainstreaming nun endlich als durchgängiges Leitprinzip hessischen Verwaltungshandelns auf Landesebene verankert. Bislang sind jedoch keinerlei Auswirkungen auf die Praxis zu erkennen.

Wir haben die Sicherstellung eines vielfältigen Angebots von Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen thematisiert und sind gegen die massiven Kürzungen in der Frauenpolitik seit 1999 Sturm gelaufen. Als erste Partei haben DIE GRÜNEN die Umsetzung des Gewaltschutzgesetzes in Hessen gefordert und somit maßgeblich dazu beigetragen, dass 2002 der Schutz von Frauen vor häuslicher Gewalt verbessert wurde. Wir werden das Land auch weiterhin nicht aus seiner Verantwortung für den Schutz von Migrantinnen vor Gewalt, Zwangsverheiratung, Frauenhandel und Zwangsprostitution entlassen.
Auf Bundesebene hat die GRÜNE Regierungsbeteiligung bis 2005 dafür gesorgt, dass langjährige frauenpolitische Forderungen umgesetzt wurden:

  • Die Repräsentanz von Frauen in Führungspositionen wurde durch das Gleichstellungsgesetz für den öffentlichen Dienst des Bundes seit 2001 deutlich erhöht.
  • Der gesetzliche Anspruch auf Teilzeitarbeit hat dazu geführt, dass der Anteil erwerbstätiger Frauen stetig steigt.
  • Das Prostitutionsgesetz hat die rechtliche Benachteiligung Prostituierter aufgehoben. Sie können jetzt ihre Rechte einklagen und sind sozialversichert, auch wenn sich dies in der Praxis als schwierig erweist.
  • Die Schaffung des familienrechtlichen Instituts der eingetragenen Lebenspartnerschaften hat die Rechtssicherheit und gesellschaftliche Anerkennung auch lesbischer Partnerschaften erheblich verbessert.
  • Die Anerkennung geschlechtsspezifischer Verfolgung als Abschiebehindernis ist ein Meilenstein im Bereich der Menschenrechte.
  • Das eigenständige Aufenthaltsrecht für ausländische Ehegatten, das nach zwei Jahren Ehe erworben wird, schützt Migrantinnen im Fall einer Scheidung besser vor Ausweisung.
  • Das Gewaltschutzgesetz hat den Schutz von Frauen vor häuslicher Gewalt verbessert.

Die GRÜNEN sind Antriebskraft einer modernen Frauenpolitik. Ohne GRÜNE Frauenpolitik inner- und außerhalb der Parlamente gäbe es keine Quotierungen in Parteien (in dieser Landesregierung allerdings sind von 19 MinisterInnen- und StaatssekretärInnenposten nur drei mit Frauen besetzt…). Wir haben die öffentliche Debatte um das (ehemalige) Tabuthema Gewalt gegen Frauen und Mädchen oder gar die Vereinbarkeit von Familie und Beruf entscheidend gefördert. Dennoch sind wir auch im 21. Jahrhundert von der Selbstverständlichkeit einer gerechten Geschlechterdemokratie noch weit entfernt. Gerade die neuen ökonomischen Notwendigkeiten machen die Realisierung echter Geschlechtergerechtigkeit immer dringlicher. Geschlechtergerechtigkeit ist eine demokratische Selbstverständlichkeit.

Geschlechtergerechtigkeit Selbstverständlichkeit! Die Förderung der Chancengleichheit, die Herstellung tatsächlicher – nicht nur rechtlicher – Geschlechtergerechtigkeit ist eine zentrale Zukunftsaufgabe mit globaler Perspektive. Veränderungen sind nur durch einen langfristigen und dauerhaften Innovationsprozess möglich. Dabei ist Gleichstellung ein Indikator für den Entwicklungsstand unserer Gesellschaft. Die Folgen des demographischen Wandels, die Herausforderungen der Globalisierung und die Erosion der Sozialversicherungssysteme – all dies sind Herausforderungen unserer Gesellschaft, die nicht ohne die gleiche Teilhabe von Frauen und Männern an den politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Prozessen zu meistern sind. Der faktische Ausschluss von Frauen aus vielen gesellschaftlichen Bereichen ist nicht nur ungerecht, sondern auch innovationsfeindlich, denn er fördert nicht alle Kompetenzen und lässt damit gesellschaftlich wichtige Fähigkeiten brach liegen.

Die öffentliche Wahrnehmung und die tatsächliche Realisierung der Gleichstellung fallen in Deutschland weit auseinander. Während Gleichstellung zunehmend als selbstverständlich angesehen wird, zeigt der internationale Vergleich, dass die Umsetzung in Deutschland unterentwickelt ist. Nach wie vor existieren gravierende Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern auch bei gleichwertiger Arbeit. Frauen erzielen gemessen am Bruttostundenverdienst nur 77 Prozent der Einkommen von Männern. Deutschland gehört in Bezug auf Lohngleichheit zu den Schlusslichtern unter den EUStaaten. Die geringe Zahl von Frauen auf allen Führungsebenen der Wirtschaft (von Ausnahmen abgesehen), der Politik und vor allem in der Forschung ist ebenfalls auffällig. Nur knapp zehn Prozent aller Führungspositionen im Management sind von Frauen besetzt. In den 100 größten Unternehmen fanden sich 2004 neben 685 Männern nur vier Frauen in Vorstandspositionen. Unter den Top 25 der Business-Frauenliste Europa findet sich keine Frau aus Deutschland.

Die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung wird durch das existierende Steuerrecht (vor allem durch das Ehegattensplitting) und daraus folgenden Benachteiligungen im Nettoeinkommen und bei Lohnersatzleistungen verfestigt. Die unzureichenden Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit, insbesondere mangelnde Kinderbetreuung guter Qualität für Kleinkinder, zwingen viele Eltern zurück in das (männliche) Alleinverdiener-Modell, ggf. ergänzt um die dazuverdienende Partnerin. Niedrige Geburtenraten und verbreitete Kinderlosigkeit, insbesondere auch bei hoch qualifizierten Frauen und Männern, gehören zu den Folgen. Die Quote erwerbstätiger Frauen konnte in den letzten Jahren zwar auf 62% gesteigert werden, liegt aber weit hinter anderen Ländern zurück. Nach wie vor partizipieren Frauen und Männer unterschiedlich stark an der Erwerbsarbeit. Trotz steigender Erwerbsbeteiligung sinkt der Anteil der Frauen an den geleisteten Arbeitsstunden, da sich die Beschäftigung zunehmend auf Teilzeitstellen konzentriert. Eine eigenständige Existenzsicherung ist damit vielen Frauen verwehrt. Die Arbeitszeit-Lücke, also die Differenz zwischen Beschäftigten- und Arbeitsvolumenanteil, ist während der Familienphase besonders groß.

Geschlechtergerechtigkeit ist eine ökonomische Notwendigkeit!
Neben der Veränderung weiblicher und männlicher Rollenzuschreibungen hat eine Umschichtung der Anforderungen im Berufsleben stattgefunden: Muskelkraft verliert weiter an Bedeutung, Kopfarbeit wird immer wichtiger. Der Übergang von der männlich geprägten Industriegesellschaft zur Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft ist längst geschehen. Die Modernisierung unserer Wirtschaft braucht eine verstärkte Beteiligung von Frauen. Angesichts des Widerspruchs von exzellenten Leistungen in Schulen und Hochschulen und der eklatanten Unterrepräsentanz von Frauen in führenden Positionen von Wirtschaft und Wissenschaft besteht akuter Handlungsbedarf. Eine Zunahme der Frauenerwerbstätigkeit bringt positive Beschäftigungseffekte mit sich. Zugleich ist belegt, dass gemischte Führungsgremien finanziell erfolgreicher sind: Die USA, Norwegen, Schweden und die meisten anderen Länder haben daraus Konsequenzen gezogen. Mit Blick auf die demographische Entwicklung ist die bestehende Benachteiligung von Frauen nicht nur individuell ungerecht, sondern eine eklatante Verschwendung von Kompetenzen und bereits heute ein erhebliches Innovationshindernis.
International gelten die Länder am besten auf die Zukunft vorbereitet, die

  • bei der Gleichstellung der Geschlechter am weitesten fortgeschritten sind;
  • die eigenständige Absicherung von Frauen als Grundprinzip gesellschaftlicher Realität betrachten;
  • Arbeit gleich verteilen und gleichwertig entlohnen sowie
  • die Realisierung des Kinderwunsches für Frauen und Männer in allen Phasen des Ausbildungs- und Berufslebens ermöglichen.

Davon ist gerade das Land Hessen leider weit entfernt. Wir wollen diese modernen Leitbilder für Hessen in den nächsten Jahren umsetzen.

Die Regierung Koch will keine Geschlechtergerechtigkeit
Frauenpolitik ist für die hessische CDU Familienpolitik. Die gezielte Förderung von Frauen wird nicht ernsthaft verfolgt – die Erkenntnis, dass auch Frauen ohne Kinder und Familie diskriminiert werden, hat die hessische Landesregierung noch nicht erreicht. Durch den Kahlschlag der „Operation Düstere Zukunft“ wurden Netzwerke, Angebote und Einrichtungen für Frauen gezielt zerstört. Angebote wurden nicht nur eingeschränkt, sondern sind ganz verloren gegangen.
Das Gleichstellungsgesetz ist ein zahnloser Tiger. Gender Mainstreaming als europäische Strategie zur Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit hat Roland Kochs Hessen noch nicht erreicht. Bunte Broschüren und vereinzelte Vorzeigeprojekte sind kein Ersatz. Der Frauenanteil an den Professuren stagniert in der Regierungszeit Koch bei unter neun Prozent. Nach wie vor sind es nur Lippenbekenntnisse der CDU, wenn es darum geht, konkrete Maßnahmen zur Förderung von Frauen in Forschung und Lehre umzusetzen. Die geplante Einführung allgemeiner Studiengebühren wird sich auf die Geschlechtergerechtigkeit im Wissenschaftsbereich zusätzlich negativ auswirken.

Die Regierung Koch: Verlorene Jahre bei der notwendigen Modernisierung der hessischen Wirtschaft
Die Regierung Koch ist unfähig, Hessen auf die Zukunft vorzubereiten. Die Berufstätigkeit von Frauen erweist sich in Ländern mit hohen Frauenerwerbsquoten als wesentlicher Motor für die Modernisierung der Wirtschaft. So werden mehr Arbeitsplätze geschaffen. Obwohl Hessen als Standort mit traditionell starkem Dienstleistungsbereich von einem hohen Level gestartet ist, fällt es, was die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und das Wirtschaftswachstum betrifft, inzwischen überproportional hinter Länder wie Rheinland-Pfalz oder das Saarland zurück. Die Wissens-, Dienstleistungs- und Kommunikationsgesellschaft stellt die hessische Wirtschaft vor enorme Herausforderungen. Gleichzeitig vergibt diese Landesregierung die Chancen, die in der gezielten Förderung von Frauen z.B. durch Maßnahmen wie Coaching, Mentoring von Frauen durch Frauen und der Verbesserung des Zugangs zu Krediten zur Existenzgründung bestehen. Auch eine Neuauflage der schwarz-gelben Koalition würde keineswegs Korrekturen durchführen: Die Hahn-FDP hält jede Forderung nach Geschlechtergerechtigkeit für überflüssig.

Die GRÜNE Perspektive für Hessen: Geschlechtergerechtigkeit fördern und durchsetzen
Lebensphasen mit GRÜNEM Optionszeitenmodell flexibel gestalten – Eine wesentliche Ursache für die ökonomische und soziale Benachteiligung von Frauen ist die Einteilung der gesellschaftlich notwendigen Arbeit in bezahlte Erwerbs- und unbezahlte Haus- und Familienarbeit und deren nach wie vor bestehende Zuordnung zu den Geschlechtern. Insbesondere die Pflege droht angesichts der demographischen Entwicklung ein neues gesamtgesellschaftliches Problem zu werden, für dessen Lösung in der Regel die weibliche Hälfte der Bevölkerung mit größter Selbstverständlichkeit in Verantwortung genommen wird. Die bestehenden Differenzen, die sich nicht zuletzt in Unterschieden in den Entfaltungs- und Karrierechancen manifestieren, müssen durch eine Entzerrung und Neubewertung der einzelnen Phasen des Lebens abgemildert werden.

Die Phasen Kind – TeilhaberIn – RentnerIn können, da ihr Ablauf nicht zwingend in dieser Reihenfolge geschehen muss, neu geordnet werden. Wir schlagen deshalb ein GRÜNES Optionszeitenmodell vor, das (in Anlehnung an den Vorschlag des siebten Familienberichts) die Möglichkeit einer dreijährigen Gesellschaftszeit schafft. In dieser Zeit können gesellschaftlich wichtige Aufgaben übernommen werden. Gesellschaftszeit kann Erziehungs-, Bildungs-, Pflegezeit oder eine andere Form der sozialen Arbeit sein. Diese kann frei gewählt werden. Die Zeiten werden voll bei der Rente angerechnet. Die Arbeitsplatzerhaltung und eine das Teilzeitgehalt aufstockende Lohnersatzleistung, die sich bis zu einer zu bestimmenden Obergrenze am vorherigen Vollzeitnettolohn orientiert, werden garantiert. Eine wesentliche Voraussetzung für die Umsetzung des Modells ist eine entsprechende Betreuungsinfrastruktur für Kinder und pflegebedürftige Familienmitglieder. Dabei halten wir „Lokale Bündnisse für Familien“ und ihre Vernetzung für ein geeignetes Mittel, um Kommunen, Unternehmen und Eltern bei der Umsetzung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu unterstützen. Wir fordern die Landesregierung auf, einen solchen Gesetzesentwurf zu erarbeiten, in einem Modellversuch zu prüfen und in den Bundesrat einzubringen.

Durch die Neuregelungen der Elternzeit im Jahr 2001 ist zwar der Anteil der Väter in Elternzeit von 1,5 auf 5 Prozent gestiegen, doch zwischen tatsächlicher und gewünschter Arbeitsteilung von Eltern klafft nach wie vor eine große Lücke. Immer mehr Väter wünschen sich, stärker an der Erziehung ihrer Kinder beteiligt zu sein. Schwierigkeiten bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf – sei es im Betrieb oder aufgrund fehlender Kinderbetreuung – halten jedoch viele Väter davon ab, sich mehr Zeit für ihre Kinder zu nehmen. Diese Hindernisse müssen beseitigt werden. Als ersten Schritt unterstützen wir die ab dem 1.1.2007 geltende Neuregelung zum lohnabhängigen Elterngeld. Es bleibt abzuwarten, welche eventuell auch negativen Effekte (z.B. bei partnerschaftlicher Arbeitsteilung) auftreten und im Sinne der Geschlechtergerechtigkeit korrigiert werden müssen. Ohne die Bereitstellung eines verlässlichen und bedarfsgerechten Angebots an Kinderbetreuung läuft das Elterngeld jedoch ins Leere. Deshalb muss der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz auch für Kinder unter drei Jahren gelten. Nötig ist darüber hinaus der zügige Auf- und Ausbau flächendeckender Ganztagsschulangebote. Eltern von Schulkindern muss die Vereinbarkeit von Familie und Beruf viel stärker erleichtert werden als dies derzeit der Fall ist. Ganztagsschulen bieten Kindern darüber hinaus auch mehr Zeit zum Lernen und bessere Chancen zur individuellen Förderung. Der so genannte Vatermonat war ein Schritt in die richtige Richtung. Wir fordern, diese Zeit weiter zu erhöhen. Die Einrichtung regionaler Koordinierungsstellen mit den Kammern und Tarifpartnern kann insbesondere kleine Betriebe bei der Umsetzung familienfreundlicher Maßnahmen (flexiblere Arbeitszeiten, größeres Engagement der Betriebe bei der Kinderbetreuung, etc.) unterstützen. Die Kündigungsschutzregelungen sind deshalb für beide Eltern so zu gestalten, dass bei der Inanspruchnahme von Elternzeit keine Nachteile entstehen.

Politische Teilhabe auf Landesebene
Eine Landesregierung muss einerseits die notwendigen Rahmenbedingungen für Geschlechtergerechtigkeit schaffen, andererseits selbst aber auch als Vorbild agieren. Mit Gender Mainstreaming in der Verwaltung und Gender Budgeting im Landeshaushalt liegen bewährte Instrumente für Regierungs- und Verwaltungshandeln vor. Wir fordern die Landesregierung dazu auf, ab dem Jahr 2008, beginnend mit dem Einzelplan des Sozialministeriums, jedes Jahr einen weiteren Einzelplan nach den Kriterien des Gender Budgeting vorzulegen. Bei der Bewertung der Frauenfreundlichkeit der Bundesländer (Spitzenpositionen von Frauen in Ministerien) liegt Hessen derzeit nur auf Platz 12. Wir wollen durch gezielte Neuberufungen bis zum Jahr 2010 auf einen Spitzenplatz vorrücken.

Zu einer geschlechtergerechten Gesellschaft gehört die politische Partizipation von Frauen. Wir fordern eine mindestparitätische Besetzung mit 50 Prozent Frauen in allen Beiräten, Kommissionen, Verwaltungs- und Aufsichtsräten sowie den sonstigen Gremien. Zudem wollen wir die Vergabe von Fördergeldern durch die landeseigenen Förderinstitute (z.B. IBH) in den Wirtschafts- und Sozialförderprogrammen des Landes an die Anwendung und den Nachweis von Gender Mainstreaming binden.

Frauen und Bildung
Formal ist der gleiche Zugang zu Bildung erreicht: Mittlerweile erbringen Mädchen bessere Leistungen in Schule und Hochschule. Bei den Schulabschlüssen haben die Mädchen die Jungen sogar überholt. Ähnlich sieht es – trotz generell schlechterer Bewertungen – bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund aus: Auch hier schneiden Mädchen besser als Jungen ab. Dies hat aber nicht dazu geführt, dass Frauen und Männer die gleichen Chancen und Freiheiten haben, ihren eigenen Lebensentwurf zu gestalten.

Wir fordern, dass Kultur- und Genderkompetenz in Zukunft zur Grundausbildung des pädagogischen Personals gehören. Die kritische Auseinandersetzung mit tradierten Rollenbildern und falschen Körperbildern ist eine wesentliche Voraussetzung für eine geschlechtergerechte Erziehung und Ausbildung, die den heutigen Lebenswirklichkeiten gerecht wird. Die Curricula sind dementsprechend zu überarbeiten. Dazu gehört ebenfalls die Überprüfung und Anpassung der Lehr- und Lernmittel. Außerdem wollen wir mehr männliches Personal in den pädagogischen Berufen; insbesondere im Kindergarten und in der Grundschule gibt es zu wenige Erzieher bzw. Lehrer. Besonders für Jungen, aber auch für Mädchen ist es wichtig, in jungem Alter auch männliche Vorbilds- und Bezugspersonen zu haben.

Frauen und Berufsbildung
Wir wollen kleine und mittlere Unternehmen dabei unterstützen, mehr weibliche Lehrlinge auszubilden. Dazu soll das Wirtschaftsministerium ein Förderprogramm auflegen, das vorbildliche Betriebe mit Prämien und Auszeichnungen belohnt. Wir wollen den Girls’ Day in seiner bisherigen Funktion erhalten, um Mädchen für zukunftsorientierte, technische und techniknahe Berufsfelder zu interessieren. Mädchen erhalten zudem Einblick in die Arbeitsstruktur von weiblichen Führungskräften. Jungen sollen an diesem Tag Gelegenheit haben, sich durch spezifische Unterrichtseinheiten und Projekte mit rollentypischem Verhalten auseinander zu setzen.
Ein eigener Boys’ Day soll Jungen ermöglichen, sich in typisch weiblichen Berufsfeldern umzuschauen und diese kennen zu lernen. Jungen ziehen bei ihrer Berufsorientierung insbesondere Tätigkeiten im sozialen Bereich häufig nicht in Betracht, was nicht zuletzt an deren niedrigem sozialen Status und schlechter Vergütung liegt.

Um Mädchen und Jungen einen besseren Einblick in die Vielzahl möglicher Berufe zu geben, fordern wir das Kultusministerium auf, in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft in den Sommerferien Schnupperpraktika in Betrieben für Berufe zu initiieren, die nicht im derzeitigen Focus geschlechtsspezifischen Berufswahlverhaltens stehen. Wir fordern, dass die Berufsberatung der Arbeitsagenturen Menschen nicht in rollenspezifische Schubladen steckt und ihre Bewertung entsprechend ausrichtet.

Frauen und Wissenschaft
Es gibt kaum einen gesellschaftlichen Bereich, in dem Frauen so stark unterrepräsentiert und Männerseilschaften so dominant sind wie in der Wissenschaft. Der Frauenanteil an den C4-Professuren liegt heute durchschnittlich bei unter neun Prozent. Durch die Verbesserung der Chancen von Frauen in der Wissenschaft wird ihr erhebliches Qualifikationspotenzial besser als Ressource für Forschung, Lehre und Organisation des Wissenschaftsbetriebs sowie zur kreativen Profilierung in der Hochschullandschaft nutzbar.

Seit 1980 hat sich die Studienbeteiligung junger Frauen verdoppelt und liegt mittlerweile bei 49%. Trotz des zahlenmäßigen Gleichgewichts bei Studienbeginn sinken die Anteile von Frauen in den höheren Stadien der akademischen Laufbahn. Der Anteil von Frauen an den Promovierenden liegt bei 38%, nur 22% habilitieren. Um den Professorinnen-Anteil auf 50% zu erhöhen fordern wir feste Quoten bei Neuberufungen für Professuren: In einem ersten Schritt einen Anteil von 40% der postdoc-Stellen und 30% der Professuren. Zudem soll die Mittelzuweisung an die Hochschulen zukünftig zu einem sehr viel größeren Teil als bisher an Erfolge bei der Frauenförderung geknüpft werden. Die wissenschaftliche Genderkompetenz an den Hochschulen muss ausgebaut werden. Wir wollen, dass die Stärkung der Zentren für Frauen- und Geschlechterforschung durch Zielvereinbarungen des Landes mit den Hochschulen fest verankert wird. Wir wollen das aufgrund der Föderalismusreform auslaufende Hochschulwissenschaftsprogramm des Bundes zur Chancengleichheit durch ein hoch dotiertes hessisches Förderprogramm ersetzen. Hiermit sollen u.a. Mentorinnenprogramme und Best-Practice-Preise zur Förderung von Frauen umgesetzt werden. Wir wollen die Kinderbetreuungsinfrastruktur an den Universitäten verbessern, damit sich akademische Karriere und Kinderwunsch besser vereinbaren lassen.

Frauen, Karriere und Selbstständigkeit
In Leitungsfunktionen sind Frauen eklatant unterrepräsentiert: Auf der höchsten Hierarchieebene von Betrieben arbeiten nur zwölf Prozent Frauen. In Betrieben mit mehr als 500 Beschäftigten beträgt der Anteil von Frauen an Führungspositionen sogar nur vier Prozent. Dagegen werden 70% aller Betriebe nach wie vor ausschließlich von Männern geführt. Freiwillige Vereinbarungen mit der Privatwirtschaft, um mehr Frauen in Führungspositionen einzusetzen, sind in der Vergangenheit gescheitert. Wir halten deshalb gesetzliche Regelungen, die Anreize schaffen, die Potenziale von Frauen zu nutzen, für gesamtwirtschaftlich notwendig und sinnvoll. Vor allem bei Beförderungen und Qualifikationsmaßnahmen müssen Frauen stärker unterstützt und Benachteiligungen durch Arbeitgeber stärker sanktioniert werden. Wir wollen die Hälfte aller Chefsessel für Frauen. Ihnen dürfen nicht länger nur die Vorzimmer vorbehalten bleiben. Wir wollen die Gleichstellung in Betrieben umsetzen. Deshalb wollen wir nach norwegischem Vorbild sicherstellen, dass in zehn Jahren mindestens 40% aller Aufsichtsratssitze weiblich besetzt sind.

Frauen und Einkommen
Zu den Selbstverständlichkeiten der Geschlechtergerechtigkeit gehört die gerechte Bezahlung gleicher und gleichwertiger Arbeit. Die unterschiedliche Entlohnung von Frauen und Männern ist eines der sichtbarsten Zeichen von Diskriminierung: Vollzeitbeschäftigte Männer erzielen in Deutschland rund 27% mehr Einkommen im Monat als ihre weiblichen Kolleginnen – schlechter stehen Frauen nirgends in Europa da! Im Bereich umfassender Führungsaufgaben ist die Differenz mit 33% sogar noch grösser. Wir fordern daher eine verbindliche Regelung zur gleichen Entlohnung von Frauen und Männern in deutschen Unternehmen, die mit Sanktionen bewehrt wird. Deshalb soll die Vorschrift des Artikels 141 EG-Vertrag („Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“) nicht mehr nur individuell sondern auch von Dritten gerichtlich durchgesetzt werden können. Sollten die Unternehmen ihre unverbindlich eingegangenen Absichtserklärungen zur angemessenen Beteiligung von Frauen in den nächsten Jahren weiter so verfehlen wie die aus dem Jahr 2000 ist hier der Gesetzgeber gefordert. Wir setzen uns dafür ein, dass die Vergabe öffentlicher Aufträge an Fortschritte bei der Frauenförderung geknüpft werden kann.

Um Lohndiskriminierungen abzubauen fordern wir eine Offenlegungspflicht der Unternehmen über die Entlohnung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. In den nächsten fünf Jahren soll die Lage der Gehälter anhand genau festgelegter Indikatoren und basierend auf Vereinbarungen in den Berufszweigen und Unternehmen analysiert werden. Eine Zwischenbilanz ist in drei Jahren geplant. Die Unternehmen, die bis dahin keine Vereinbarungen getroffen haben, werden einen finanziellen Beitrag in einen „Gender-Fonds“ zur Förderung von Maßnahmen zum Abbau von Lohndiskriminierung einzahlen müssen, der an der Bruttolohnsumme festgemacht wird. Wir unterstützen die Forderungen der Gewerkschaften, Kriterien für die Einstufungen in den Tarifverträgen zu überarbeiten, um dem Prinzip „Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit“ Geltung zu verschaffen.

Frauen und eigenständige soziale Sicherung
Auch wenn die wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen zugenommen hat, liegt der Anteil der Frauen, die ihren Lebensunterhalt überwiegend durch Angehörige sichern, immer noch bei 36%. Nur für ein Drittel aller Frauen ist ein eigenes Einkommen die überwiegende Quelle ihres Lebensunterhalts. Die Armutsquote von Frauen liegt mit 14,4% über der von Männern; besonders hoch ist die Sozialhilfequote mit 26% bei allein erziehenden Frauen. Weder das Ehegatten- noch das Familiensplitting werden einem geschlechtergerechten Steuersystem gerecht. Beide Splittingmodelle setzen Anreize für Frauen, beruflich kürzer zu treten oder ganz aus der Erwerbstätigkeit auszusteigen.

Wir wollen aber nicht bestimmte Partnerschafts- oder Familienmodelle fördern, sondern die grundsätzliche Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Frauen und Männer. Dies ist nur durch das GRÜNE Modell der Individualbesteuerung zu erreichen. Die dadurch freiwerdenden Mittel sollen in Ausbau und Verbesserung von Kinderbetreuung geleitet werden. So können Frauen und Männer Kinder und Karriere besser vereinbaren. Wir GRÜNE setzen uns bei allen finanziellen Transfersystemen für einen eigenständigen (nicht von der Partnerin bzw. dem Partner abhängigen) Förder- und Beratungsanspruch ein. Bei den Hartz-Reformen haben wir das immer wieder vehement eingefordert. Das gleiche Bild ergibt sich bei der Rentenfrage: Zwar ist der Anteil von Frauen mit eigenständigen Ansprüchen an die Rentenversicherung in den letzten Jahrzehnten deutlich gestiegen. Doch können sich Frauen trotz rentenrechtlicher Verbesserungen unter der rot-GRÜNEN Bundesregierung (z.B. der Erhöhung der Anerkennung von Kindererziehungszeiten) aus eigenständig erworbenen Rentenansprüchen von durchschnittlich 460 Euro (2005) nicht selbstständig versorgen.
Wir wollen die Grundsicherung im Alter armutsfest machen, um die Situation von Menschen mit geringen Rentenansprüchen – dies sind zum überwiegenden Teil Frauen – zu verbessern.

Frauen und Gesundheit
Wie in allen Forschungsbereichen sind Frauen in den Gesundheitswissenschaften, der medizinischen und pharmazeutischen Forschung und der Entwicklung deutlich unterrepräsentiert. Dies wirkt sich auf Forschungsinhalte, die Auffassung gesundheitlicher Probleme, ihre Diagnose und Therapie aus. Generell wirken Arzneimittel bei Frauen anders als bei Männern; ebenso äußern sich auch Krankheiten bei den Geschlechtern unterschiedlich. Diese Fakten werden bislang allerdings kaum systematisch berücksichtigt. Ein höherer Frauenanteil in den Gesundheitswissenschaften sowie in Forschung und Entwicklung kann dazu beitragen, dies zu verändern. Prävention und Gesundheitsförderung haben zum Ziel, Selbstbewusstsein, gesundes Körperbewusstsein und gesunde Lebensweisen zu fördern. Nach wie vor sind Frauen von Ernährungsproblemen durch vorgebliche Schönheitsideale besonders betroffen.

Wir fordern daher, bei der Formulierung von Gesundheitszielen frauenspezifische Gesundheitsprobleme verstärkt aufzunehmen. Aufgrund der Bedeutung der pharmazeutischen Industrie in Hessen möchten wir deren Kooperationen mit den Fachbereichen zur frauenspezifischen Forschung und Entwicklung fördern. Wir fordern, dass Medikamente, die schon länger auf dem Markt sind, darauf getestet werden, ob sie bei Frauen und Männern gleichermaßen wirksam sind.
Der Anteil von Frauen im Arztberuf steigt immer weiter an. Neben der gesundheitspolitischen Sinnhaftigkeit fordern wir deshalb den Ausbau medizinischer Versorgungszentren (MVZ) und flexible Arbeitszeitmodelle auch im ambulanten Bereich. In den Krankenhäusern unterstützen wir Bemühungen, überkommene männerdominierte Hierarchie-Strukturen abzubauen. Wir wollen, dass auch in Zukunft und vor allem auch in ländlichen Gebieten eine hoch qualifizierte Frauenheilkunde sichergestellt ist.

Wir fordern die Gleichbehandlung von Frauen und Männern durch die Krankenkassen. Private Kassen sollen nicht länger höhere Prämien von Frauen verlangen dürfen. Auch in der gesetzlichen Kasse setzen wir uns für eine eigenständige Absicherung von Frauen ein; eine Subventionierung nicht arbeitender Ehefrauen aus der Solidargemeinschaft ist nicht mehr zeitgemäß. Die stetig steigende Zahl von Personen, die über keinerlei Versicherungsschutz mehr verfügen, betrifft gerade auch (ältere) Frauen nach einer Scheidung.
Die GRÜNE Bürgerversicherung ist und bleibt daher unsere zentrale Forderung für die nachhaltige Gestaltung der Krankenversicherung.

Frauen und Integration
Die Situation von Frauen mit Migrationshintergrund, bei denen es nicht nur zu Benachteiligungen aufgrund des Geschlechts sondern auch aufgrund der Herkunft und tradierter Rollenbilder in der Herkunftsgesellschaft kommen kann, verlangt besondere Aufmerksamkeit. Erfolgreiche Programme wie „Mama lernt deutsch“ oder „Integration durch Sport“ müssen für Frauen deshalb flächendeckend angeboten werden.

Die rechtliche Situation ausländischer Ehefrauen ohne eigenen Aufenthaltsstatus hat sich in den letzten Jahren verbessert. Diese Rahmenbedingungen wollen wir gegen im Bundesinnenministerium vorhandene Absichten nicht nur verteidigen, sondern wo nötig noch verbessern. Die von konservativen Kreisen geführte Debatte um die verschärfte Verfolgung so genannter Zwangsehen hat gezeigt, dass es der verstärkten Unterstützung von Anlaufstellen besonders für Mädchen und junge Frauen der zweiten und dritten hier lebenden MigrantInnen-Generation bedarf. Wir akzeptieren es nicht, dass Mädchen und Frauen aus kulturellen oder religiösen Gründen vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen werden. Die Teilnahme an Klassenfahrten oder am Schwimmunterricht ist Teil des Lehrplans.

Wir warnen allerdings davor, die Situation von Migrantinnen allein als Aneinanderreihung von Problemen wahrzunehmen. Ein Achtel der Bürgerinnen und Bürger Hessens hat keinen deutschen Pass, bei einem weiteren Achtel handelt es sich um eingebürgerte deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger oder sie haben zumindest ein im Ausland geborenes Eltern- oder Großelternteil. Das heißt, dass ca. ein Viertel der Hessinnen und Hessen einen Migrationshintergrund hat. Integration hat also bereits in einem bedeutenden Maße erfolgreich stattgefunden. In aller Regel sind Frauen mit Migrationshintergrund bei Schulabschlüssen und Spracherwerb erfolgreicher als Männer.

Frauen und Menschenrechte
Unter der rot-GRÜNEN Bundesregierung wurden wichtige Meilensteine zur Durchsetzung der Menschenrechte, wie die Bestrafung der Vergewaltigung in der Ehe oder der Verweis der Täter bei häuslicher Gewalt gelegt. Der Schutz von Frauen vor Gewalt muss gewährleistet sein. Im Rahmen unseres Sozialbudgets für den Landeshaushalt wollen wir die ausreichende und flächendeckende Versorgung mit Zufluchtsstätten – von der Regierung Koch massiv eingeschränkt – wieder herstellen. Um Misshandlungen von Frauen und Kindern besser und früher erkennen und Hilfen mobilisieren zu können, sollen die Gesundheitsberufe entsprechend ausgebildet werden. Wir fordern den umfassenden Schutz der Opfer von Menschenhandel. Aus den abgeschöpften Menschenhandelsgewinnen sollen Gelder für einen Opferschutzfonds für Beratung und Schutz der Frauen finanziert werden. Opfern von Zwangsprostitution und Menschenhandel soll auch über die Strafverfolgung hinaus Bleiberecht gewährt werden.

Neuer Aufbruch
Geschlechtergerechtes Handeln erfordert – bei allen erzielten Erfolgen – weiterhin einen Bewusstseinswandel insbesondere der männlichen Bevölkerung. Deshalb brauchen wir parallel zur Frauenpolitik eine Männerpolitik. Die Benachteiligung von Frauen in vielen gesellschaftlichen Bereichen bedeutet nicht, dass Jungen und Männer frei von geschlechtsspezifischen Problemen sind. Jungen sind in höherem Maße von Schulversagen betroffen, die Selbstmordrate bei Männern ist deutlich höher als die der Frauen und Männer werden deutlich öfter als Frauen Opfer von (Männer-)Gewalt. Wir wollen im Bereich von Jugendarbeit und Schule besondere Angebote für Jungen. Wir wollen pädagogisches Handeln insbesondere in der Schule kritisch darauf hin überprüfen, ob es Jungen diskriminiert.

Wir fordern eine Verbesserung des rechtlichen Status unverheirateter Väter. Die rechtliche Situation trägt der Tatsache nicht Rechnung, dass eine steigende Zahl „neuer Väter“ aktiv an Erziehung und Pflege ihrer Kinder teilhaben will. Die derzeitige Regelung, die uneheliche Väter vom guten Willen der Kindesmütter abhängig macht, ist nicht mehr zeitgemäß. Wir GRÜNE werden dafür sorgen, dass Geschlechtergerechtigkeit wieder ein Leitmotiv hessischen Regierungshandelns wird. Die von uns mit diesem Leitantrag vorgelegten Initiativen sind daher der Aufbruch zu einer Neuauflage erfolgreicher hessischer Frauenpolitik, aber noch lange nicht ihr Ende.

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