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28.02.2018
Parteirat

Alle Weltreligionen gleich behandeln - Unterrichtsangebot für Schülerinnen und Schüler muslimischen Glaubens ist wertvoller Beitrag zur Integration

1. Das Grundgesetz (Artikel 7) und die Hessische Verfassung (Artikel 57) legen fest, dass bekenntnisorientierter Religionsunterricht ordentliches Lehrfach ist, dessen Ausgestaltung an die Kirchen oder Religionsgemeinschaften gebunden ist und unter staatlicher Aufsicht erfolgt.

2. Der Parteirat stellt fest, dass es trotz dieser Verfassungslage eine berechtigte gesellschaftliche Debatte über das Verhältnis von Kirche und Staat im allgemeinen und in Bezug auf den bekenntnisorientierten Religionsunterricht an Schulen im besonderen gibt. Da Religion für viele Menschen eine weitreichende Bedeutung für ihre individuelle Sinnstiftung und Identität hat, sollte diese Debatte sensibel und im gegenseitigen Respekt vor den Empfindungen von Gläubigen und Nicht-Gläubigen geführt werden.

3. Dies gilt auch und im besonderen für Menschen muslimischen Glaubens. Denn hier geht es neben religiösen Fragen zusätzlich auch um Fragen der Zugehörigkeit zu unserer Gesellschaft und unserem Land. Daher war der Satz „Der Islam gehört zu Deutschland“ eines früheren Bundespräsidenten so bedeutsam. Wie in unserer Gesellschaft und von Seiten der Politik über den Islam, islamischen Religionsunterricht und Menschen muslimischen Glaubens geredet wird, wird von vielen Migrantinnen und Migranten als Aussage darüber empfunden, ob sie in unserem Land willkommen sind.

4. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Hessen setzen sich auch deshalb für die Gleichbehandlung der Weltreligionen und Weltanschauungen ein. Jeder, der das will, soll seinen Glauben in unserem Land innerhalb der Regeln unserer Verfassung leben können, so wie es auch im Grundgesetz vorgesehen ist. Für alle Weltreligionen sollen die gleichen Regeln gelten – auch in Bezug auf den Religionsunterricht an den Schulen.

5. Deshalb haben wir uns über Jahrzehnte für ein Unterrichtsangebot für Schülerinnen und Schüler muslimischen Glaubens eingesetzt. Denn wir wollten die Vermittlung des Islams aus
den Hinterhofmoscheen in den schulischen Alltag holen. Viel zu lange haben die früheren Landesregierungen gebraucht, bis in der vergangenen Legislaturperiode endlich ein solches Angebot geschaffen wurde.

6. Hessen ist dabei als einziges Bundesland den Weg eines bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterrichts mit DITIB und Ahmadiyya als festen Partnern gegangen. Das war und ist die größtmögliche Analogie zur Organisation des christlichen Religionsunterrichts mit den evangelischen und katholischen Kirchen.

7. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Hessen begrüßen diesen Ansatz der Gleichbehandlung der Weltreligionen in Bezug auf den Religionsunterricht. Wir halten es nicht für erstrebenswert, den Religionsunterricht für Schülerinnen und Schüler muslimischen Glaubens anders zu organisieren als für Schülerinnen und Schülern christlichen oder jüdischen Glaubens. Religionskunde für die einen und bekenntnisorientierter Religionsunterricht für die anderen ist daher für uns nur die zweitbeste Lösung.

8. Diese zweitbeste Lösung kann notwendig werden, wenn sich – wie in anderen Bundesländern – kein Partner für einen bekenntnisorientierten Religionsunterricht findet oder – wie in Hessen – Fragen an die Zuverlässigkeit sowie die Unabhängigkeit des Partners von der türkischen Regierung bestehen und sich diese nicht ausräumen ließen. Wir begrüßen daher, dass das Kultusministerium hierzu Rechtsgutachten erstellt und DITIB Auflagen für die weitere Zusammenarbeit gemacht hat. Diese Auflagen müssen bis Ende des Jahres erfüllt werden. Danach soll entschieden werden, ob die Zusammenarbeit und damit der bekenntnisorientierte islamische Religionsunterricht in Zusammenarbeit mit DITIB fortgesetzt werden kann.

9. Die hessischen GRÜNEN kritisieren scharf die Politik der derzeitigen türkischen Regierung und sehen mit Sorge, dass sich die Türkei unter dieser Führung immer weiter von einem demokratischen Rechtsstaat entfernt. Ebenso kritisieren wir, dass DITIB hierzu in der Regel keine angemessene Form der Kritik und Distanzierung findet. Gleichzeitig wenden wir uns gegen einen Generalverdacht gegen die Beschäftigten des Landes Hessen, die im Auftrag und unter Aufsicht des Landes in Zusammenarbeit mit DITIB islamischen Religionsunterricht erteilen. Bis heute gibt es keinerlei offizielle Beanstandungen an dem erteilten Unterricht, wie auch die Gutachten des Kultusministeriums ergeben haben. Gleichwohl gibt es unter Muslimen eine grundsätzliche Debatte über DITIB als Partner für den islamischen Religionsunterricht. Dies liegt zum einen in den unterschiedlichen Strömungen des Islams begründet. Einen Alleinvertretungsanspruch von DITIB kann es daher nicht geben. Zum anderen gibt es die Sorge und das Unbehagen, dass die türkische Regierung Einfluss auf DITIB und DITIB Druck auf in Deutschland lebende Muslime, im Fall des Unterrichts insbesondere auf Eltern und Schüler*innen, ausübt. Diese Sorgen und das Unbehagen nehmen wir ernst. Daher begrüßen die hessischen GRÜNEN, dass auch dieser Sachverhalt Teil der Klärung des Kultusministeriums mit DITIB ist.

10. Für unangemessen halten wir es, aktuelle berechtigte Fragestellungen in Bezug auf DITIB für eine Diskussion zu instrumentalisieren, ob es an Schulen für alle Religionen bekenntnisorientierten Religionsunterricht oder religionskundlichen Unterricht geben soll. Diese Debatte sollte grundsätzlich losgelöst von tagespolitischen Ereignissen und nicht auf dem Rücken von Schülerinnen und Schülern muslimischen Glaubens geführt werden. Denn sonst ist die Gefahr groß, das bei den Menschen muslimischen Glaubens nur eine Botschaft ankommt: Wir gehören nicht dazu. Das wäre das genaue Gegenteil von dem, wofür BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stehen.

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