Inhalt

22.06.2010

Ursula Hammann zur zur Änderung der Hessischen Bauordnung und des Hessischen Energiegesetzes

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung der Hessischen Bauordnung und des Hessischen Energiegesetzes ist in weiten Bereichen recht unspektakulär. Schaut man sich aber die Gesetzesänderungen genau an, stellt man fest, dass zwei Bereiche herausfallen. Diese zwei Bereiche sind für uns gravierend; deshalb werden wir sie hier ansprechen. Diese Änderungen sind inakzeptabel.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es geht um die Änderungen an der kommunalen Stellplatzsatzung. Wir sehen einen beabsichtigten Eingriff in die Stellplatzsatzungen der Kommunen. Das kann man einfach nur als fatal bezeichnen. Als wir das gelesen haben, haben wir uns gesagt: Das ist wieder typisch FDP; das ist Ideologie. Hier hat die FDP wieder den Stift geschwungen.

Sie wissen, wer davon profitiert, wenn das in dieser Weise geändert wird. Die großen Immobilieninvestoren werden ohne Not von der Zahlung von Beträgen in Millionenhöhe entlastet. Das verstehen wir unter Klientelpolitik. Sie nimmt den Kommunen – ich sage es ganz deutlich: der Stadt Frankfurt – die Möglichkeit, den öffentlichen Verkehr und den Radverkehr finanziell zu fördern und damit einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Das ist eine falsche Entscheidung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir werden später noch einmal darauf eingehen. Aber heute möchte ich den Punkt herausgreifen, den wir für wirklich fatal halten. Ich war fast fassungslos, als ich gesehen habe, was Sie damit beabsichtigen.

Bisher haben wir in der Hessischen Bauordnung eine Regelung, die die Ermächtigung für die Kommunen beinhaltet, die Verwendung bestimmter Brennstoffe zu untersagen oder auch bestimmte Heizungsarten vorzuschreiben. Sie wissen, dass die Kommunen damit auch Klimaschutz betreiben können. Wir alle erinnern uns an die Diskussion über die Marburger Solarsatzung. Eben diesen § 81 Abs. 2 hat die Stadt Marburg genutzt, um eine Satzung zu erstellen, mit der der Ausbau der erneuerbaren Energien vorgeschrieben werden soll.

Sie wissen über die Diskussion genau Bescheid. Es ist alles nicht so einfach. Die Stadt Marburg befand sich dann in der Situation, dass sie durch eine Nachbesserung hätte erreichen können, dass diese Satzung auch vom Regierungspräsidenten – von der Kommunalaufsicht – anerkannt wird. Wenn Sie § 81 Abs. 2 herausnehmen, ist die Grundlage hierfür entzogen, und für die Stadt Marburg wird es sehr viel schwieriger sein, den Ausbau der Solarenergie zu betreiben. Das ist gegen den Klimaschutz gerichtet.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

– Ich finde es nicht gut, wenn von dieser Seite – sprich: der Regierungsseite – Applaus kommt; denn da wird geklatscht, weil man will, dass die Solarsatzung – –

(Zurufe von der SPD)

– Dann nehme ich das Ganze zurück. Da dieser Applaus aus der Richtung der Regierungsbank kam, war ich der Auffassung, dass sie, weil sie diese Solarsatzung schon so lange bekämpft haben, es unterstützen würden, wenn man diesen Paragrafen ändere.

(Zuruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

– „Das war ein Spießrutenlauf.“ – Nein.

Kommen wir auf das Thema zurück. Dieser Baustein stellt eine wichtige Möglichkeit für die Kommunen dar, eigenständig Klimaschutz zu betreiben. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Wir denken, dass das, was da verankert werden soll, für die Kommunen kontraproduktiv ist.

Sie erinnern sich an die Anhörung im Hessischen Landtag, bei der auch der Hessische Städtetag noch einmal deutlich darauf hingewiesen hat, dass die Kommunen mehr Freiraum brauchen und dass sie selbst entscheiden wollen, wie sie mehr Klimaschutz betreiben. Deshalb ist es einfach kontraproduktiv, diese Gesetzesänderung vornehmen zu wollen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE) – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich denke, Sie wollen die Verantwortung der Kommunen stärken!)

– Die Landesregierung redet vom Klimaschutz, aber sie handelt kontraproduktiv. Wir reden und handeln konstruktiv. Wir haben Ihnen schon einen Gesetzentwurf vorgelegt, der z. B. enthält, wie § 81 Abs. 2 Hessische Bauordnung für die Kommunen noch besser gestaltet werden könnte. Damit würde es eine noch größere Rechtssicherheit auch gerade beim Ausbau der Passivhäuser geben.

(Beifall der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Aber statt auf ein Mehr an Möglichkeiten bei den Klimaschutzmaßnahmen für die Kommunen setzen Sie auf weniger. Wir stellen fest, dass Sie mit dieser Änderung einen Rückschritt herbeiführen werden.

Oder ist es wirklich einfach nur Rechthaberei? Meine Damen und Herren, denn es ist bekannt, dass Sie sich immer wieder kritisch zur Solarsatzung in Marburg geäußert haben. Für Sie war das immer etwas, zu dem Sie gesagt haben: Da werden die Bürger gegängelt. – Das wollen Sie nicht.

Aber Sie müssen wissen, dass da kommunale Gremien entschieden haben, die von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt wurden. Wenn es dafür eine Mehrheit gibt, muss es auch Möglichkeiten geben, solch eine Satzung im Sinne der Bürgerinnen und Bürger umzusetzen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Streichung des Absatzes mit der Satzungsermächtigung kann man daher wirklich nur als Lex Marburg bezeichnen. Deutlicher kann man das nicht formulieren. Das ist ein Knüppel, der der Stadt Marburg zwischen die Beine geworfen werden soll.

Ich finde, die Begründung, die Sie dafür liefern – auch Herr Posch hat das wieder getan –, ist nicht akzeptabel. Denn es ist absurd, dass die Kommunen Vorschriften über die Farbgebung der Häuser und die Gestaltung der Gartenzäune erlassen dürfen, nicht aber auf dringend notwendige Veränderungen in der Klimaschutzpolitik Einfluss nehmen dürfen. Es wäre kontraproduktiv und absurd, wenn da nichts getan werden dürfte.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Thomas Spies und Timon Gremmels (SPD))

Ich habe die Begründung angesprochen. Sie verweisen da auf die Schadstoffregelung der ersten Bundesimmissionsschutzverordnung. Als Grund dafür nennen Sie auch das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz. Sie nennen auch die Energieeinsparverordnung. Das sind aber herbeigezogene Gründe. Das ist einfach Unsinn. Denn Sie wissen ganz genau, dass es beispielsweise die Bundesimmissionsschutzverordnung den Kommunen nicht ermöglicht, bestimmte Heizungsarten vorzuschreiben. Da geht es lediglich um Grenzwerte.

Wir wissen aber, dass die Ressourcen endlich sind und dass wir eine andere Energiepolitik brauchen. Deshalb heißt es, darauf zu achten, wo die Kommunen tatsächlich etwas tun können. Das wäre über die Hessische Bauordnung natürlich durchaus möglich. Meine Damen und Herren, diese Möglichkeit wollen Sie den Kommunen nehmen.

Ein weiteres Argument möchte ich nennen. Das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz hat doch nur Auswirkungen auf Neubauten. Damit wird doch explizit nicht in den Altbestand eingegriffen. Sie wissen ganz genau, dass die großen und entscheidenden Einsparpotenziale im Bestand bestehen. Meine Damen und Herren der Landesregierung und der Sie tragenden Regierungskoalition, daran trauen Sie sich einfach nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Thomas Spies, Nancy Faeser (SPD) und Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Wir halten deshalb die Streichung des Absatzes mit der Regelung zum Klimaschutz für einen Skandal. Wie Sie das den Kommunen erklären wollen, die sich für den Klimaschutz einsetzen, lassen Sie unbeantwortet.

Sie haben eine Nachhaltigkeitskonferenz ins Leben gerufen. Sie haben in dieser Nachhaltigkeitskonferenz ein Projekt aufgelegt. Es lautet:

„100 Kommunen für den Klimaschutz“

Diese Kommunen wollen etwas tun. Diese Kommunen sind auch bereit, etwas über eine Satzung zu regeln.

Meine Damen und Herren, ich frage Sie Folgendes. Sie wollen, dass die Kommunen etwas tun. Aber Sie wollen Ihnen ein wirkungsvolles Instrument nehmen. Deshalb ist das, was Sie wollen – ich sage das noch einmal –, kontraproduktiv. Es schadet dem Gedanken des Klimaschutzes.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Sarah Sorge:

Frau Kollegin Hammann, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Ich darf Sie bitten, zum Schluss Ihrer Rede zu kommen.

Ursula Hammann:

Ich komme zum Schluss meiner Rede. – Sie haben sich selbst ein Ziel gesetzt. 20 Prozent des Endenergiebedarfs ohne Vertreter sollen bis zum Jahre 2020 durch die Nutzung erneuerbarer Energien erreicht werden. Sie sind uns immer noch die Erklärung schuldig, wie Sie das erreichen wollen.

Meine Damen und Herren, Sie handeln kontraproduktiv. Morgen befinden sich unsere Gesetzentwürfe in der zweiten Lesung. Ich hoffe, dass Sie ein Einsehen haben werden. Man muss mehr tun als nur reden. Handeln ist angesagt, aber kein kontraproduktives. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Sarah Sorge:

Frau Kollegin Hammann, vielen Dank