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16.06.2009

Ursula Hammann zum Zweiten Hessischen Zukunftsenergie- und Klimaschutzgesetz

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Mehr Klimaschutz, mehr Eigenverantwortung für die Kommunen und mehr Arbeitsplätze, das ist in Grundzügen das, worum es in unserem Gesetzentwurf für ein Zweites Hessisches Zukunftsenergie- und Klimaschutzgesetz geht, welches wir heute mit der ersten Lesung im Hessischen Landtag einbringen.

Wir wollen, dass den Kommunen mehr Möglichkeiten gegeben werden. Wir wollen, dass die Kommunen beim Klimaschutz und hinsichtlich der Energieersparnis aktiv werden können.

Wer in einem Kommunalparlament arbeitet, weiß ganz genau, welche rechtlichen Möglichkeiten die Kommunen heute haben. Über ihre Satzungen können sie vorschreiben, wie der Gartenzaun zu gestalten ist. Sie können die Farbe des Hauses vorschreiben. Sie können vielleicht auch noch mitbestimmen, in welcher Form das Haus gebaut werden soll. Aber die Kommunen können nicht vorschreiben, ob entsprechend dem Passivhausstandard gebaut werden soll oder z. B. beim Altbaubestand Solarthermieanlagen auf das Dach aufgebracht werden sollen.

Das kann nicht sein. Gerade die Kommunen haben bei diesen entscheidenden Fragen für die Zukunft eine Mitverantwortung. Das betrifft nun einmal den Klimaschutz. Das betrifft die Nutzung erneuerbarer Energien. Da geht es um Umsetzungen zur Erhöhung der Energieeffizienz. Gerade deshalb haben wir unseren Gesetzentwurf eingebracht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Durch eine konsequente Nutzung der in unserem Gesetzentwurf vorgesehenen Maßnahmen, durch Energieeinsparung und durch eine höhere Energieeffizienz der Gebäude einerseits und auch durch die konsequente Nutzung der erneuerbaren Energien andererseits könnten wir Hessen unsere Treibhausgasbilanz massiv verändern. Wir könnten es massiv hin zum Guten verändern. Wir könnten erreichen, dass bis zum Jahr 2020 um die 2,7 Millionen t Kohlendioxid weniger in die Atmosphäre entlassen werden.

Damit sind aber auch Investitionen verbunden. Gerade wenn man über Konjunkturprogramme und über die Wirtschaft redet, muss man auch erkennen, dass da ganz große Möglichkeiten bestehen. Wenn die Inhalte unseres Gesetzentwurfs umgesetzt würden, könnten wir erreichen, dass jährlich Investitionen in Höhe von über 800 Millionen Euro getätigt werden. Das würde für die Bauwirtschaft und das Handwerk natürlich auch bedeuten, dass dauerhaft 15.000 Arbeitsplätze geschaffen würden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir uns anschauen, wie hoch heute die Heizkosten in Hessen sind, erkennen wir, dass es sich da um eine große Summe handelt. 2,5 Milliarden Euro Kosten entstehen in den privaten Haushalten. Die Annahme unseres Gesetzentwurfs würde dazu beitragen, dass es zu einer massiven Reduktion in Höhe von über 50 % kommen würde. Das muss Ihnen doch zu denken geben. Wir GRÜNE schlagen Ihnen mit diesem Gesetzentwurf vor, Kohlendioxid und Energie einzusparen. Das mit auf den Weg zu bringen, wäre der richtige Weg.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Angesichts der steigenden Preise für Energien zum Heizen muss man doch sehen, dass gerade die Investitionen in Energieeinsparmaßnahmen, in die Nutzung erneuerbarer Energien und in die Wärmedämmung der Häuser für die Hausbesitzer tatsächlich gute Anlagen sind.

All diese Maßnahmen, die wir Ihnen mit diesem Gesetzentwurf vorschlagen, sind wichtige Beiträge im Hinblick auf das Erreichen unseres Gesamtziels hinsichtlich der Nutzung der Zukunftsenergien und des Klimaschutzes in Hessen. Denn wir wollen bis zum Jahr 2030 eine Stromversorgung aus erneuerbaren Energien zu 100 Prozent erreichen. Wir wollen, dass die Kohlendioxidemission bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent reduziert wird. Wir wollen mit diesem Maßnahmenpaket, das wir über einzelne Gesetzentwürfe in den Landtag einbringen, insgesamt erreichen, dass 40.000 zusätzliche Arbeitsplätze im Umweltsektor geschaffen werden.

Wir wollen an zwei Hebeln ansetzen. Das habe ich eingangs schon erwähnt. Das eine ist, dass wir den Kommunen die Möglichkeit geben wollen, auch im Altbaubestand per Satzung den Passivhausstandard vorzuschreiben. Zum anderen wollen wir, dass die Nutzung der Solarthermie vorgeschrieben werden kann.

Die Kommunen wollen diese Änderungen. Ihnen ist bekannt, dass man gerade in Marburg darauf gedrungen hat, dass in ihrem eigenen Gebäudebestand und in dem Altbaubestand die Solarthermie genutzt wird. Das Stichwort dazu lautet: Marburger Solarsatzung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gerade diesen Kommunen, die in diesem Bereich etwas tun wollen, wollen wir dazu die Möglichkeit verschaffen. Das gilt auch für den Ausbau des Passivhausstandards. Wir haben in Frankfurt eine schwarz-grüne Regierung. Dort hat man erkannt, welche Potenziale vorhanden sind, um Energie einzusparen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Zuruf der Abg. Sarah Sorge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

– Jawohl, Sarah Sorge beklatscht es. – Wir haben hier gigantische Einsparpotenziale. Das muss man sich immer vergegenwärtigen: Zum heutigen Gebäudebestand ergeben sich Heizenergieeinsparungen von bis zu 90 Prozent. Die Modernisierung zum Passivhaus rechnet sich sofort. Ich habe Ihnen einen kleinen Ausschnitt aus einer Tagespresse mitgenommen.

(Rednerin hält eine Zeitung hoch.)

Da ist die Überschrift „Das rechnet sich sofort“. Beispiele aus der Praxis belegen es sehr deutlich, wie viel an Energie eingespart werden kann. Dieses Beispiel zeigt sehr eindringlich, dass selbst nach einem aufgenommenen Kredit mit Zinsen und Tilgungskosten durch Energieeinsparung weniger Kosten entstehen, als wenn man das Haus im Ist-Zustand belassen hätte.

Meine Damen und Herren, diese Möglichkeiten aus der Praxis zeigen, dass es möglich ist, eine schnelle Umsetzung vorzunehmen. Man muss deutlich darauf hinweisen: Passivhäuser haben eine konstante Innentemperatur. Sie neigen nicht zur Schimmelbildung. Sie haben gerade nicht kalte Außenwände. Wir haben in diesen Häusern einen hohen Wohnkomfort. Man muss erkennen, dass die benötigte Heizleistung absolut gering ist.

Selbst bei Außentemperaturen von minus 10 Grad Celsius braucht man für ein 100-qm-Haus eine maximale Heizlast von 1 kW. Man muss sich vorstellen, im Grunde genommen könnte man ein solches Haus auch mit einem Föhn heizen – so die Aussage von Herrn Prof. Feist von dem Passivhausinstitut.

Meine Damen und Herren, wir wollen § 81 der Hessischen Bauordnung ändern, damit die Kommunen diese Freiheiten bekommen. Ich möchte Sie auf einen kurzen Abschnitt aufmerksam machen, der jetzt kommt.

Wir gehen über die Vorgaben des Bundes hinaus, weil wir überzeugt sind, dass wir damit einen wirksamen Beitrag zum Klimaschutz leisten und außerdem den Ökoenergien zum Durchbruch verhelfen können.

Dieser Satz ist nicht von uns GRÜNEN. Dieser Satz ist auch nicht von den Machern der Marburger Solarsatzung, sondern es ist die Aussage von Ministerpräsident Günther Oettinger. Er hat es in seiner Presseerklärung dargestellt. Ich finde es schon beeindruckend, dass das in Hessen anders gesehen wird. Er schreibt in seiner Presseerklärung:

Im Unterschied zum Bund schreibe das Landesgesetz ab 2010 die anteilige Nutzung von erneuerbaren Energien auch im Gebäudebestand für den Fall vor, dass ohnehin die Heizungsanlage ausgetauscht wird. „Wir gehen über die Vorgaben des Bundes hinaus, weil wir überzeugt sind, dass wir damit einen wirksamen Beitrag zum Klimaschutz leisten … können.“

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da schau her! – Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, das dortige Gesetz hat also eine ähnliche Zielrichtung wie die Marburger Solarsatzung.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wer regiert denn da?)

– Komisch, das ist auch die CDU.

Wer in diesem Zusammenhang wie die CDU und FDP in Hessen den GRÜNEN – das sage ich bewusst, Herr Stephan – uns Gängelung und Bevormundung der Bürgerinnen und Bürger vorwirft, trifft doch das gleiche Urteil über die eigenen Parteifreunde im südlichen Nachbarland.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Lothar Quanz:

Frau Hammann, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ursula Hammann:

Ich komme zum Schluss. – Wer es mit dem Selbstverwaltungsrecht der Kommunen mit Klimaschutz und Förderung erneuerbarer Energien ernst meint, der muss unseren Vorschlägen zustimmen. Ich hoffe, dass wir zu unserem Gesetzentwurf eine Zustimmung erhalten werden. Ich möchte nun als letzten Satz darauf aufmerksam machen: Heute hat der zweitätige Kongress in Kassel mit der Bezeichnung „100 Prozent Erneuerbare-Energie-Regionen“ begonnen. Da gibt es die Aussage der Experten:

Eine vollständige Energieversorgung aus regenerativen Quellen sei keine Zukunftsmusik, sagt der Fachbereichsleiter Umweltplanung und Nachhaltigkeitsstrategien beim Umweltbundesamt, Harry Lehmann.

Folgenden Sie ihm, folgen Sie unserem Weg, und stimmen Sie unserem Gesetzentwurf zu. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Lothar Quanz:

Vielen Dank, Frau Hammann.