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20.05.2010

Ursula Hammann zum Thema: Auslaufende Konzessionsverträge für Strom und Gas und Neufeststellung der Grundversorger in Hessen

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Leider waren die Antworten der Landesregierung auf die Große Anfrage der LINKEN nicht sehr ergiebig. Wir wissen nun zwar, welche Grundversorger für Elektrizität und Gas in Hessen mit welchem Netzbetreiber in welchem Versorgungsgebiet mit welchen Konzessionsverträgen zusammenarbeiten. Aber wir wissen nicht, wann die Konzessionsverträge für die jeweiligen Kommunen auslaufen und welche Inhalte die Konzessionsverträge haben.

Das liegt einfach auch daran, dass der Behörde keine systematischen Übersichten über das Auslaufen, den Neuabschluss oder die Verlängerung der Konzessionsverträge mehr vorliegen. Aber nichtsdestotrotz bietet die Große Anfrage eine Chance, das Thema Konzessionsverträge zu erörtern, und das sollten wir auch tun.

Frau Kollegin Wissler, ich gebe Ihnen ausdrücklich recht: Gerade die kommunalen Versorger, die Stadtwerke, haben eine unglaubliche politische Möglichkeit, vor Ort dezentral eine andere Energiepolitik umzusetzen, und das ist etwas, das wir von grüner Seite natürlich absolut unterstützen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Diese Diskussion um die Konzessionsverträge ist auch deshalb so notwendig, weil zurzeit auch ganz viele Konzessionsverträge auslaufen. Das heißt, die Neuvergabe steht also auf der Tagesordnung. Deshalb stehen natürlich auch die Kommunen vor ganz neuen Herausforderungen. Es bietet jetzt wirklich einmal die Chance, im Energiebereich auf kommunaler Ebene die richtigen Weichenstellungen hin zu einer umweltfreundlichen Energieerzeugung zu stellen.

Jetzt schauen wir uns die Große Anfrage noch einmal an. Aus der Antwort geht hervor, dass viele Konzessionsverträge – mindestens 230 von 501 – mit Netzbetreibern für Elektrizität mit den großen Energieversorgern RWE und E.ON, abgeschlossen sind. Herr Mick, das sind natürlich marktbeherrschende Unternehmen, und wir können durch eine andere Politik von E.ON und RWE wegkommen, und das ist am Ende für die Kommunen und die Bürgerinnen und Bürger etwas Positives. Es besteht endlich die Chance, vor Ort die Weichen für eine nachhaltige Energieerzeugung und Versorgung zu stellen und von den großen wie E.ON und RWE wegzukommen, die immer noch auf die großen klimaschädlichen Kohlekraftwerke und auf risikoreiche Atomkraftwerke setzen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Meine Damen und Herren, nun haben die Kommunen drei Möglichkeiten. Sie können einen Abschluss des Konzessionsvertrags zu fairen Bedingungen mit den bisherigen Netzbetreibern vornehmen, sie können einen Abschluss mit einem neuen Netzbetreiber vornehmen, aber sie können auch eine Rekommunalisierung des örtlichen Stromnetzes, entweder durch einen Rückkauf des Stromnetzes in eigener Verantwortung oder auch im Zusammenschluss mit Kommunen, vornehmen.

Wir müssen doch feststellen, dass gerade auch im Rhein-Main-Gebiet die Unzufriedenheit gegenüber den Energiemultis zugenommen hat. So hat auch die „Frankfurter Rundschau“ gerade im letzten Jahr über die Kritik der Kommunen an den Energiemultis – da wurden sie auch so benannt – berichtet, durch zu hohe Preise, geringe Flexibilität und schlechten Service. Nun haben die Kommunen die Chance, sich der Macht der großen Stromkonzerne zu entziehen, indem sie die Stromnetze eben wieder selbst betreiben. Denn wer das örtliche Stromnetz betreibt, hat auch großen Einfluss auf die Energiepolitik vor Ort.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Die Kommunen, die die Energieversorgung rekommunalisieren, sind am besten in der Lage, erstens die Eigenstromversorgung und die erneuerbaren Energien auszubauen, die energieeffiziente Kraftwärmekopplung und eine klimafreundliche Nahwärmeversorgung auszubauen, sie können Ökostrom anbieten und die Beratung für Energieeinsparungen vorantreiben, d. h., verbraucherfreundlich handeln.

Die Bürgerinnen und Bürger können davon profitieren, da die nun von den Kommunen erhobenen Netzentgeltgebühren wieder in die kommunalen Haushalte fließen können. Dieser Umbau der Energieversorgung beinhaltet viele positive Effekte. Er dient dem Klimaschutz. Er stärkt die kleinen Energieversorger und schwächt die Marktdominanz der vier großen Energieversorger, die ich vorhin schon einmal benannt habe. Er stärkt eben die regionalen Wirtschaftskreisläufe, und er stärkt den regionalen Arbeitsmarkt. Aus diesem Grunde haben schon einige Kommunen vor einiger Zeit diesen Sprung gewagt. Sie haben den Rückkauf des Stromnetzes vorgenommen, und aus der Großen Anfrage geht eben auch hervor, dass beispielsweise auch die Stadt Vilbel im Wetteraukreis – –

(Zuruf des Ministers Jörg-Uwe Hahn)

– Bad Vilbel, das habe ich doch gesagt.

(Zuruf des Ministers Jörg-Uwe Hahn)

– Nein, Bad Vilbel. Es bleibt immer noch beim Bad Vilbel.

(Zuruf des Ministers Jörg-Uwe Hahn)

Bitte schön. – Im Wetteraukreis wurde das Stromnetz im Stadtgebiet – mit Ausnahme des Ortsteils Kronau – vom Friedberger Versorger ovag gekauft und ist auch heute noch davon überzeugt. Ich denke, es ist ganz besonders wichtig, dass sich diese 22 Millionen Mark als gute Investition erwiesen haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wenn dann noch die Kommunen künftig die Energieerzeugung selbst mitbestimmen, würden die Einnahmen für die Stromversorgung wieder direkt an die Kommunen zurückfließen.

Ich möchte jetzt noch einmal an die Anhörung zu unseren Energiegesetzen erinnern. Dort wurde von mehreren Anzuhörenden gefordert, dass durch eine Änderung der Hessischen Gemeindeordnung, § 121, Nr. 2, die Aufnahme der Energieversorgung, die Fesseln der wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinden bei der Energieversorgung gelöst werden müssten, um den Kommunen auch die nötige Rechtssicherheit für eine eigenständige Energieversorgung zu verschaffen. Genau das sollten wir von Landesseite unterstützen – weg von den großen Stromversorgern und hin zu einer dezentralen Energieerzeugung in öffentlicher Verantwortung, denn das ist wirklich Daseinsvorsorge vor Ort, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Dr. Walter Arnold (CDU): Ist das auch wirtschaftlich?)

– Herr Kollege Arnold, ich möchte noch einen weiteren Punkt erwähnen. – Wo Kommunen diesen Weg des Netzrückkaufs nicht oder noch nicht gehen wollen, können die Kommunen dennoch ihre Chancen nutzen, um einen fairen Vertrag abschließen zu können, ist es jedoch notwendig, diese Verhandlungsposition der Kommunen auch deutlich zu stärken. Wir haben daher von den GRÜNEN ein Musterkonzessionsvertrag entworfen, der den Kommunen eine Handreichung sein kann, um mit einem bestimmten Know-how in die Verhandlungen eintreten zu können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Unser Ziel ist es, eine neue klimafreundliche kommunale Energiepolitik möglich zu machen. Deshalb wollen wir mit diesem Mustervertrag eine Handreichung an die Kommunen geben. Ich möchte aber noch ein paar Aspekte nennen, die in diesem neuen Konzessionsvertrag dann unbedingt enthalten sein sollten. Das ist in unserem Mustervertrag auch erkennbar: Ein klares Bekenntnis beider Vertragspartner zum Ausbau der erneuerbaren Energien und dezentraler Erzeugungsstrukturen muss verankert werden. Insbesondere soll der Ausbau erneuerbarer Energien oder dezentraler Energieversorgungsstrukturen ebenso vertraglich vereinbart werden können wie die Entwicklung eines Konzeptes für die Elektromobilität. Der Energieversorger sollte sich vertraglich zu einer Unterstützung, zur Gründung von Bürgersolaranlagen und zur Nutzung kommunaler Dächer für die Solarstromerzeugung verpflichten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Ebenso sollte er sich verpflichten, die Kommunen bei der Erarbeitung von kommunalen Energiekonzepten zu unterstützen. Aber auch die Abschlagszahlungen der Gemeinden aus der zu entrichtenden Konzessionsabgabe müssen gegenüber der Gemeinde detailliert und nachvollziehbar dargestellt werden. Denn aufgrund dieser detaillierten Darstellung – das liegt im kommunalen Interesse – ist es auch möglich, Rückschlüsse auf die energiewirtschaftliche Strukturierung der Gemeinde ziehen zu können, aber auch mehr Flexibilität im Vertrag. Eine zwanzigjährige Vertragslänge ist falsch, meine Damen und Herren. Kurze Vertragslängen – –

(Zuruf des Abg. Dr. Walter Arnold (CDU))

– Man muss aber als Kommunen heute darauf achten, dass man dieses „bis zu“ nicht ausschöpft, sondern eben eine geringere Laufzeit im Vertrag festhält, um in diesem Bereich auch weiterhin flexibel zu bleiben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zuruf des Abg. Dr. Walter Arnold (CDU))

Sie können an den Ausführungen erkennen, dass wir uns energiepolitisch in einer wichtigen Entscheidungsphase befinden. Lassen Sie uns alles tun, um den Weg für die Kommunen hin zu einer umweltfreundlichen dezentralen Energieerzeugung so hürdenlos wie möglich zu gestalten. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Timon Gremmels (SPD))