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13.05.2009

Ursula Hammann zum Einzelplan 09 - Ministerium für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Stephan, ich glaube, Barack Obama versteht unter dem Slogan „Yes we can – yes we do“ etwas ganz anderes als Sie.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist doch wirklich enttäuschend, wenn man in den Haushaltsentwurf dieser Landesregierung hineinschaut, sich den Umweltsektor ansieht und feststellt, dass man dem größten Problem, vor dem wir stehen – dem Klimawandel – nicht genügend Beachtung schenkt.

Meine Damen und Herren, die Mittel, die Sie für die unterschiedlichsten Projekte eingestellt haben – garantiert sind darunter auch gute Projekte zu finden –, reichen doch bei Weitem nicht aus. Was ist die von Ihnen genannte Zahl von 10 Millionen Euro gegen die Milliardenkosten, die auf uns im Zuge des Klimawandels durch Naturkatastrophen zukommen?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, von einer Aufbruchstimmung, die nach zehn Jahren konsequenter Tiefschläge im Bereich Umwelt dringend notwendig ist, ist überhaupt nichts zu spüren. Was Sie hier in Ihrem Landeshaushalt vorgelegt haben, kann man fast als „komatös“ bezeichnen. Ich denke, angesichts des Klimawandels müssen Sie mehr tun als nur darüber zu reden. Der Kohlendioxidausstoß in die Atmosphäre steigt schneller als bisher erwartet, und man stellt fest, dass die natürlichen Kohlendioxidspeicher – das sind die Ozeane und die Wälder – weniger Kohlendioxid aufnehmen, als man gedachtt hat.

Meine Damen und Herren, d. h. für uns alle: Wir müssen uns anstrengen, diese Kohlendioxidemissionen zu verringern. Wir müssen es bis zum Jahr 2050 schaffen, die Kohlendioxidemissionen um mehr als die Hälfte zu verringern, wenn wir es auch nur schaffen wollen, die Zwei-Grad-Erwärmung einzuhalten. Meine Damen und Herren, dies wird die Herausforderung für uns alle sein.

In Ihrem Haushalt sehe ich aber nicht, dass Sie diese Herausforderung annehmen und dafür die erforderlichen Mittel einstellen. Gerade in Zeiten wie diesen – ich sage das so deutlich –, wenn schuldenfinanzierte Konjunkturprogramme auf den Weg gebracht werden, muss man sich die Ausgabenseite sehr genau anschauen und deren Nachhaltigkeit bewerten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wer feststellen muss – wie wir das tun –, dass Sie angesichts der drohenden Erderwärmung 150 Millionen Euro in den Straßenverkehr lenken wollen, der sieht, dass Sie dieser Verantwortung nicht gerecht werden. Meine Damen und Herren, dies ist keine nachhaltige Investition.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Peter Stephan (CDU))

– Herr Kollege Stephan, wir befürchten, Sie wissen immer noch nicht, was sich unter dem Begriff Nachhaltigkeit verbirgt. Sie setzen immer noch auf das klimaschädliche Kohlekraftwerk Staudinger von E.ON am Standort Großkrotzenburg.

Meine Damen und Herren, ich sehe, es werden große Töne gespuckt – ich sage das einmal auf Hessisch –, dass sich dahinter aber wenig verbirgt. An zwei Beispielen möchte ich das deutlich machen.

Wir haben einen Ministerpräsidenten Koch, der noch auf dem Hessentag in Homberg-Efze auf einer Pressekonferenz dargestellt hat, dass er ein Fachzentrum Klimawandel schaffen will. Er wollte dort Wissenschaftler beschäftigen, die sich mit dem Thema Klimawandel ganz intensiv auseinandersetzen.

Schauen wir uns doch einmal an, was hier bisher geschehen ist. Ja, auf dem Papier gibt es ein Fachzentrum für Klimawandel. Meine Damen und Herren, wo aber sind die Wissenschaftler? Die finden Sie nicht. Also eine glatte Nullnummer: Sie versprechen viel, aber in der Realität halten Sie nichts.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gestern habe ich Ihnen die Frage gestellt, wie viele Mitarbeiter, wie viele Vollzeitstellen es jetzt für das Projekt zu CO2-Minderung der vom Landesbetrieb Hessisches Immobilienmanagement verwalteten Liegenschaften gibt. Angeblich sollen es neun Stellen sein. Wir wissen aber, dass nur eine besetzt ist. Meine Damen und Herren, auch hier eine Nullnummer. Dort, wo gehandelt werden muss, fehlt bei Ihnen die tatsächliche Umsetzung. Meine Damen und Herren, das ist keine verantwortungsvolle Politik.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir GRÜNE sind bereit, Verantwortung zu übernehmen. Wir haben die betreffenden Haushaltsanträge schon formuliert. Wir wollen, dass beim Klima- und Umweltschutz mehr getan wird, auch beim Verkehr. Wir wollen, dass gerade in den Bereichen, wo es hohe Schadstoffemissionen gibt, mehr getan wird, als das, was Sie beabsichtigen. Das sehen wir an den von Ihnen eingestellten Mitteln – teilweise haben Sie ja welche eingestellt. Meine Damen und Herren, das reicht aber bei Weitem nicht aus.

Meine Damen und Herren, für uns sind die drei E von besonderer Bedeutung. Ich sage es Ihnen noch einmal: Das ist die Energieeinsparung, die Energieeffizienz und der Ausbau der erneuerbaren Energien.

Dies schlägt sich auch in unserer Klimaschutz- und Energiepolitik deutlich nieder. Wir wollen in Hessen endlich auch einen Energieeffiziensfonds, um Anreize für den Kauf von energiesparenden Elektrogeräten zu schaffen. Die Einrichtung einer Zukunftsenergie- und Klimaschutzagentur wollen wir in Hessen erreichen, damit wir auch die operationelle Ebene dafür haben, um einen Effiziensfonds zu verwalten und die Beratung für den Ausbau der erneuerbaren Energien durchzuführen.

Meine Damen und Herren, wir wollen die Energiekosten in den Haushalten senken. Da gibt es schon ganz tolle Projekte. Ich verweise nur auf das in Frankfurt durchgeführte Projekt – dort erfolgt eine Schulung von Arbeitslosengeld-II-Beziehern zu Energieberatern. Diese Menschen gehen direkt in die Häuser und beraten, und es erfolgt eine Reduzierung des Stromverbrauchs. Das spürt man deutlich im Portemonnaie. Meine Damen und Herren, solche Projekte wollen wir GRÜNE unterstützen.

(Zuruf des Abg. Helmut Peuser (CDU))

Im Gegensatz zu den Verbalaussagen der CDU, sie wollten Hessen zu einem Musterland für erneuerbare Energien machen, sage ich Ihnen: Wir wollen das wirklich – Sie tragen es nur auf den Lippen.

(Zuruf des Ministers Michael Boddenberg)

Wir haben die Konzepte, und wir haben dazu auch die entsprechenden Anträge formuliert.

Meine Damen und Herren, jahrelang haben Sie eine Verunsicherungskampagne gegenüber der Bevölkerung hinsichtlich der Windenergie gefahren. Heute merken Sie, dass Ihre Rechnung nicht aufgehen wird, wenn die Windenergie in Hessen keine Standorte bekommt. Sie werden Ihr eigenes Ziel niemals erreichen, wenn Sie die Windenergie nicht in Ihr Programm mit hineinnehmen.

Ihre Ziele für erneuerbare Energien waren 15 Prozent bis zum Jahr 2015. Jetzt sind Sie auf 20 Prozent bis zum Jahr 2020 gegangen. Wir wollen eine Öffentlichkeitskampagne, eine Kampagne pro Windenergie, damit das, was Sie den Menschen über viele Jahre eingetrichtert haben, dass Windkrafträder etwas Schreckliches sind, aus diesen Köpfen auch wieder verschwindet und eine Akzeptanz erfolgt, die es ermöglicht, die erneuerbaren Energien, diese umweltfreundliche Energieerzeugungsart doch auszubauen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, unser Konzept beinhaltet auch eine Mittelvergabe für die energetische Sanierung der Landesimmobilien, und wir wollen auch die Wohnbaugesellschaften unterstützen. Wir wollen unsere Wohngebiete zukunftsfähig gestalten und damit gleichzeitig Arbeitsplätze schaffen. Wir hatten gestern schon die Debatte über das Nachbarrechtsgesetz. Hier geht es gar nicht darum, dass das Land Mittel zur Verfügung stellt, sondern dies sind gesetzliche Regelungen, die dann auch eine Wärmedämmung ermöglichen, die zur Energieeffizienz beitragen und am Ende dazu führen, dass die Menschen auch in ihrem Portemonnaie geschont werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie nehmen Ihre Verantwortung im Klimaschutz- und Energiebereich nicht wahr.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie wollen auch ein Naturschutzland Hessen haben. Das haben wir in Hessen auch nicht. Sie haben ein Gesetz verabschiedet – schon vor einigen Jahren –, bei dem wir erkennen können, welche Rückschritte im Bereich des Naturschutzes mit diesem Gesetz einhergehen. Was uns fehlt, sind die Mittel für den Schutz unseres Naturerbes. Aber es ist auch ganz klar: Wenn Sie die Mittel in den Straßenbau hineinlegen – 150 Millionen Euro –, dann nehmen Sie wirklich keine Rücksicht auf die Natur, denn diese kommt bei Ihnen unter die Räder.

Wir wollen mehr Geld für den Naturschutz. Wir wollen mehr für unsere Rhein-Main-Wald-Sanierung, denn Sie wissen, dass dies unser Erholungsgebiet ist. Es ist unsere Sauerstoffquelle, und da muss man die Gelder gezielt hineinlenken, und das wollen wir tun. Wir wollen den Vertragsnaturschutz ebenso stärken, weil er dazu beiträgt, dass unsere Landschaften erhalten und gepflegt werden, und wir wollen die Stiftung Hessischer Naturschutz finanziell aufstocken.

Aber auch in anderen Bereichen gibt es bei Ihnen Defizite. Das betrifft den Wasserbereich. Wo sind die notwendigen Mittel für die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie. Hier wird zu wenig an Mitteln eingesetzt. Wir sagen Ihnen: Das reicht nicht. Wir müssen mehr tun, damit unsere Gewässer wieder in einen ökologisch guten Zustand geraten. Auch der Bodenschutz muss Beachtung finden. Diese Mittel müssen hineinfließen, damit wir es endlich schaffen, ein Bodenschutzprogramm für den Vorsorgenden Bodenschutz in Hessen zu haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber auch den Tierschutz wollen wir nicht unberücksichtigt lassen. Hier sehen wir massive Defizite. Wir wollen auch hier eine Stiftung Hessischer Tierschutz haben, denn wir sehen, dass viele Tierheime defizitär sind und ehrenamtlich betrieben werden. Wenn für die Aufnahme von Fundtieren Umbaumaßnahmen notwendig sind, dann fehlt es häufig an Geld. Hier sollte das Land auch in die Verantwortung treten und die notwendigen Mittel bereitstellen. Diesen Antrag haben wir ebenfalls erarbeitet.

Meine Damen und Herren, unter dem Titel Gesundheit und Verbraucherschutz wollen wir auch mehr Mittel haben. Sie reden davon, dass der Verbraucherschutz unglaublich viele Aufgaben hat. Sie sagen auch, dass Sie eine Mittelerhöhung vorgenommen haben, doch wissen Sie auch, dass diese Mittelerhöhung unzureichend ist. Dieses große Aufgabengebiet, das von der Verbraucherzentrale zu bewältigen ist – das geht von der Schuldnerberatung bis zur Energieeinsparung –, muss auch finanziell über das Land abgedeckt werden. Denn hier werden Aufgaben wahrgenommen, die von Landesseite als notwendig erachtet werden. Das heißt, also auch mehr Geld für die Verbraucherzentralen und mehr Mittel für die Lebensmittelkontrolle. Denn wir wollen alle sichere Lebensmittel konsumieren, und die letzten Skandale zeigen, dass hier auch Nachbesserungsbedarf gegeben ist und dass Landesgelder fließen müssen.

Ich möchte noch zu einem weiteren Punkt kommen. Das ist etwas, was Sie sicherlich nicht verwundern wird. Wir wollen, dass Hessen ein gentechnikfreies Land bleibt. Wir wollen nicht, dass die Gentechnik hier Fuß fasst. Das heißt, auch hier müssen Kampagnen gefahren werden – eine Werbekampagne mit dem Titel „ohne Gentechnik“. Das ist etwas, das ganz wichtig ist. Wir wollen die Netzwerke unterstützen, die sich für gentechnikfreie Regionen einsetzen. Und der Ökolandbau muss in Hessen massiv gefördert werden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir wissen aus der kursorischen Lesung, dass die Fördergelder erhöht werden sollen. Aber machen Sie sich doch nichts vor, schauen Sie doch einmal nach Bayern, da ist die Förderung doch wesentlich günstiger als das, was Sie in Planung haben. Wir haben eine Nachfrage nach Ökoprodukten, und ich möchte nicht, dass Hessen hier am Markt vorbeiarbeitet. Wir brauchen in Hessen eine gesunde Ökobetriebslandschaft, die auch dafür sorgt, dass die Produkte hier in Hessen entstehen. Daher müssen die Anreize über das Land erfolgen. Daher müssen auch die Fördergelder entsprechend angepasst werden, so wie es auch andere Bundesländer tun.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, morgen werden wir die Debatte um den Erhalt der Milchwirtschaft in Hessen führen. Daher werde ich hierauf gar nicht näher eingehen. Fakt ist aber, dass die Landesregierung offensichtlich nicht bereit ist, für die Unterstützung der Milchwirtschaft Mittel bereitzustellen. Wir sind dazu bereit. Wir wollen unsere Grünlandwirtschaft in den benachteiligten Gebieten stützen und das Einkommen unserer Milchbauern erhalten. Wir GRÜNE wehren uns gegen Dumpinglöhne, aber wir wehren uns genauso gegen Dumpingpreise, und dazu zählt auch der Milchpreis, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Wir haben Ihren Haushalt sehr genau durchgesehen, und wir erkennen, dass Sie leider nichts dazugelernt haben. Sie haben partiell etwas mehr an Mitteln eingestellt, aber das große Ganze, diesen Schwung, den wir in diesen Zeiten brauchen, den vermissen wir in Ihrem Haushalt. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE) und Dr. Michael Reuter (SPD))

Präsident Norbert Kartmann:

Vielen Dank, Frau Kollegin Hammann.