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27.02.2013

Ursula Hammann: Tierschutzklagerecht

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir GRÜNE nehmen im Gegensatz zur Regierungskoalition den Verfassungsauftrag im Tierschutz sehr ernst.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU) – Gegenruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

– Das hätten wir gern gesehen, Herr Bellino. Sie haben auch noch die Chance dazu, weil wir einen Gesetzentwurf vorgelegt haben. Dem können Sie heute zustimmen, dann würden wir Ihre Ersthaftigkeit auch erkennen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wollen eine seit vielen Jahren bestehende Regelungslücke im Tierschutz endlich schließen. Der Tierschutz hat Verfassungsrang. Aber die Tiere haben keine Vertreter, die ihre Rechte anderenorts einklagen können. Dies ist ein Defizit, dies ist ein Manko, und dies gilt es zu beheben.

Wir wollen auch nicht weitere Klagemöglichkeiten eröffnen, wie Sie das immer wieder behaupten, meine sehr geehrten Damen und Herren vonseiten der CDU. Nein, das wollen wir nicht. Wir wollen, dass den Tieren das Recht zugestanden wird, dass Dritte in ihrem Namen klagen können, wenn Missstände zu verzeichnen sind.

Meine Damen und Herren, wir haben eine Situation im Tierschutz, die einfach nicht zu rechtfertigen ist: eine Situation, die den Nutzern von Tieren – das muss man so deutlich sagen – ein Klagerecht gibt, aber den Schützern von Tieren ein Klagerecht verwehrt. Man kann es auch sehr kurz sagen: Ein vermeintliches Zuviel an Tierschutz kann beklagt werden, ein bestehendes Defizit dagegen nicht.

Das hört sich erst einmal sehr trocken an. Deshalb will ich das an einem Beispiel deutlich machen, das man auch wirklich in der Praxis finden kann: Sie haben einen Pseudo-Hundezüchter. Die Tiere befinden sich in einem verwahrlosten Zustand. Ein Amtstierarzt schreitet ein, erteilt eine Auflage oder ein Haltungsverbot. Der Züchter kann dagegen klagen. – Wenn aber aus unerfindlichen Gründen ein Amtstierarzt nicht oder zu spät reagiert, heißt das, die Tiere bleiben in diesem Zustand, und das Elend dieser Tiere zieht sich weiter hin.

Hier wäre eine Verbandsklage absolut angebracht. Sie hätte auch eine abschreckende Wirkung. Auch das ist etwas, was die Tierschutzorganisationen immer wieder betonen. Denn sie wollen nicht klagen, um der Klage willen, sondern sie wollen Missständen entgegentreten, und sie sagen, es hat eine abschreckende Wirkung.

Dass das so ist, beweist doch die Praxis in Bremen. Schon seit dem Jahr 2007 gibt es dort ein Verbandsklagerecht. Glauben Sie, die Tierschutzorganisationen klagen dort dauernd? Nein, seit 2007 gab es noch keine einzige Klage. Das bedeutet, man geht sehr verantwortungsvoll mit diesem Instrument um. Man vertritt die Interessen der Tiere, wägt aber sehr wohl ab, wo etwas für die Tiere erreicht werden kann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Marius Weiß (SPD))

Wir wollen mit unserem Gesetzentwurf erreichen, das Dritte, damit meinen wir anerkannte Tierschutzorganisationen, nicht irgendwelche Vereine, die Interessen der Tiere auf Einhaltung gültiger – ich betone: gültiger – Schutznormen von Verwaltungsgerichten überprüfen lassen können. Das Recht auf Überprüfung der Einhaltung von Schutznormen ist im Grundgesetz niedergelegt und findet sich daher auch in vielen anderen Bereichen, z. B. im Behindertenrecht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von CDU und FDP, Sie sind keine Anwälte der Tiere. Wir hatten eine Anhörung, aus der Sie leider nichts gelernt haben. Es gab eine breite Unterstützung für die beiden Gesetzentwürfe, über die heute in zweiter Lesung diskutiert wird, den Gesetzentwurf der SPD-Fraktion und unseren Gesetzentwurf für die Einführung eines Verbandsklagerechts.

SPD und GRÜNE sind sich in den Zielrichtungen absolut einig. Wir wollen, dass diese Rechtslücke endlich geschlossen wird. Die Gesetzentwürfe unterscheiden sich dennoch. Unser Entwurf geht an einigen wenigen Stellen weiter als der der SPD. Ich will sie benennen: Es geht darum, wer klagen kann. Wir wollen, dass auch Stiftungen ein Klagerecht bekommen. Sie wissen, dass wir GRÜNEN seit Langem eine hessische Landesstiftung für den Tierschutz fordern. Auch diese Stiftung muss die Möglichkeit haben, Klage zu erheben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Marius Weiß (SPD))

Zweitens. Wir machen keinen Unterschied zwischen einer privaten und einer gewerblichen Haltung. Den Tieren ist das nämlich egal. Sie müssen aber artgerecht gehalten werden. Deshalb haben wir in unserem Gesetzentwurf insbesondere bei Neubauten für Tierhaltungen ab einem Rauminhalt von 50 m³ eine Klagemöglichkeit vorgesehen, wenn die Tierschutzbestimmungen nicht eingehalten werden. Vor diesem Hintergrund ist die Angst, die vonseiten der CDU und der FDP immer wieder geäußert wird, jetzt werde jede Hundehütte beklagt, absoluter Blödsinn. Wenn Sie aber eine solche Behauptung aufstellen, beweist das, dass Sie sich mit unserem Gesetzentwurf überhaupt nicht ernsthaft beschäftigt haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Marius Weiß (SPD))

Der Gesetzentwurf der SPD und unser Gesetzentwurf haben in der Anhörung unglaublich viel Unterstützung erhalten. Die Reihe der Unterstützer reichte von der Tierschutzbeauftragten des Landes Hessen bis zur Deutschen Juristischen Gesellschaft für Tierschutzrechte. Daran kann man erkennen, dass dieser Missstand schon seit Jahren bekannt ist und dass man endlich auch von der Tierschützerseite her auf Abhilfe drängt und hofft, dass endlich eine Regelung in diesem Bereich geschaffen wird.

Es ist einfach abenteuerlich, wenn Sie vonseiten der CDU-Fraktion hier immer wieder falsche Behauptungen aufstellen. Ich habe ein Beispiel genannt, nämlich die Hundehütten. Ich möchte Sie auch darauf hinweisen, dass wir keine Ausweitung von Klagebefugnissen fordern. Wo bisher keine Befugnisse waren, können sie auch nicht ausgeweitet werden. Das ist Fakt. Wir wollen, dass endlich ein Rechtsanspruch auf Überprüfung durch ein Verwaltungsgericht geschaffen wird.

Ich habe eine Presseerklärung der CDU-Fraktion ans Pult mitgebracht. Ich zitiere:

Es ist für uns als C-Partei eine Selbstverständlichkeit, dass Tiere als Teil der Schöpfung zu achten und zu schützen sind. Nicht umsonst haben wir deshalb den Tierschutz in unser Parteigrundsatzprogramm aufgenommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der CDU-Fraktion, wenn Sie nicht danach handeln, dann sollten Sie sich das C an dieser Stelle sparen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Marius Weiß (SPD))

Als ich das gelesen habe, habe ich eher an die Energieeffizienzklassifizierung gedacht. C bedeutet da nämlich „schlechter als drittklassig“. Das wäre die richtige Bewertung Ihrer Tierschutzpolitik.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Marius Weiß (SPD))

Wir haben hier einen Verfassungsauftrag zu erfüllen. Das heißt, auch Sie können sich nicht ständig drum herumdrücken und versuchen, mit Fehlbehauptungen gute Gedanken niederzumachen. Wir brauchen in diesem Bereich endlich eine richtige und gute Lösung. Zum konsequenten Schutz der Natur gehört, dass wir Tiere nicht nur wie Nutzobjekte behandeln. Das erwarte ich von einer Partei, die das C im Namen trägt. Wir müssen dafür sorgen, dass den Tieren um ihrer selbst willen Leid und Schmerz erspart werden und dass sie artgerecht leben können.

Wir haben diesen Verfassungsauftrag. Der ist ernst zu nehmen. Ich bedauere es, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und der FDP, dass Sie diesen Auftrag einfach nicht erkennen wollen. Sie zeigen sich auch im Tierschutz rückständig, erschöpft und verbraucht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der CDU)

Vizepräsident Heinrich Heidel:

Schönen Dank, Frau Kollegin Hammann.