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25.08.2011

Ursula Hammann: Nein zu Biblis B als Kaltreserve – Sicherheit geht vor Gewinnstreben

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind sehr erfreut darüber, dass Frau Puttrich offensichtlich doch noch die Kurve bekommen hat. Am Montag hat sie öffentlich verkündet, sie sehe eine atomare Kaltreserve als nicht vermittelbar an. Die Entscheidung, dies öffentlich zu verkünden, hat aber sehr lange auf sich warten lassen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Frau Puttrich, die beiden Länder der Südschiene, Bayern und Baden-Württemberg, waren da wesentlich schneller. Herr Söder für Bayern und Herr Untersteller für Baden-Württemberg haben schon vor Wochen gesagt: „Wir wollen kein Atomkraftwerk als Kaltreserve haben.“ Ich hätte mir von der Hessischen Landesregierung gewünscht, dass sie dieses Thema offensiv aufgreifen und vertreten würde, denn uns war immer wichtig, dass die Sicherheit der Menschen an erster Stelle steht und die Diskussion, ob ein Atomkraftwerk als Kaltreserve genutzt wird, daher absurd ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Ministerin, wir nehmen Sie beim Wort, nachdem Sie sich öffentlich positioniert haben. Das heißt nämlich auch, Sie wurden zu einer Stellungnahme aufgefordert; der Bund will von Ihnen wissen, wie Sie sich hinsichtlich des Atomkraftwerks in Biblis verhalten. Die Bundesnetzagentur fordert von Ihnen explizit eine Darstellung. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie ganz deutlich machen: Die Hessen wollen Biblis nicht als Kaltreserve haben. – Wir fordern von Ihnen, dass Sie sich gegenüber der Bundesnetzagentur dafür einsetzen, dass Biblis auf keinen Fall als Kaltreserve genutzt wird und dass auch bundesweit kein Atomkraftwerk als Kaltreserve herangezogen wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Für zwei Winter soll eine Kaltreserve herangezogen werden. Der Grund wurde schon genannt: Es könnte zu Stromengpässen oder zu einer Überschreitung der Gesamtlast in Deutschland, etwas über 80 GW, kommen. Obwohl das in den letzten zehn Jahren überhaupt nicht vorgekommen ist

(Zurufe der CDU)

und im letzten Jahr während drei Spitzenlaststunden 78 GW nachgefragt wurden, muss man sich dennoch Gedanken über eine Kaltreserve machen. Aber aufgrund der fehlenden Datenlage kann man heute noch gar keine eindeutige Erklärung abgegeben. Wir werfen der Bundesregierung vor, dass sie seit vielen Jahren in diesem Bereich keine Erhebungen veranlasst hat. Wir wissen nicht, wie viel an Kaltreserve in der Bundesrepublik Deutschland vorhanden ist. Wenn ich auf den Standort Staudinger schaue, dann sehe ich, dass dort ein Gaskraftwerk mit einer Leistung von 622 MW steht. Es wird kaum hinzugeschaltet. Das ist nur ein Beispiel für viele Kraftwerke, die überall in Deutschland zu finden sind, Kraftwerke, die zugeschaltet werden können. Sie sind klimafreundlich, und sie sind schnell regelbar.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Die Kraftwerke in Mainz haben signalisiert, dass der 1977 in Betrieb gegangene gasbefeuerte Kombikraftwerksblock ebenfalls als Reserve vorhanden ist. Das heißt, wir haben bundesweit möglicherweise sehr viele Kaltreserven und bräuchten keine Diskussion darüber zu führen, ob wir Atomkraftwerke als Kaltreserve brauchen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Peter Stephan (CDU) – Weitere Zurufe von der CDU und der FDP)

Ich fordere deshalb die Landesregierung auf, sich in diesem Bereich zu engagieren. Wenn Sie eine Stellungnahme abgeben, dann weisen Sie bitte auch auf die freien Kapazitäten hin, die wir in Hessen haben. Das ist eine wichtige Aufgabe, die die Atomaufsicht in Hessen zu leisten hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein Kraftwerk, das als Reservekraftwerk zur Verfügung gestellt wird, muss wirtschaftlich und sicher betrieben werden. Es muss regulierbar sein. Es muss schnell einspringen können. Wir alle wissen, dass Atomkraftwerke die schwerfälligsten Kraftwerke sind. Diese Debatte haben wir schon vor der Sommerpause geführt. Man kann ein Atomkraftwerk nicht schnell hinzuschalten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wenn es als Kaltreserve genutzt wird, dann bedeutet das, es kann – je nach Betriebszustand – bis zu mehreren Wochen dauern, bis eine Stromversorgung wirklich gewährleistet werden kann. Einzig und allein ein flexibles Gaskraftwerk ist in der Lage, schnell Energie einzuspeisen. Das geht sogar aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage hervor, die ich an die Landesregierung gerichtet habe. Die sollten Sie sich noch einmal anschauen.

Ich würde gern auf einen weiteren Punkt eingehen. Wenn man auf den Standort Biblis schaut und eine Diskussion um Biblis B führt, dann muss man wissen: Biblis B kann ohne Biblis A nicht funktionieren. Wir haben immer kritisiert, dass es keine externe Notstandswarte gibt. Die gegenseitige Steuerung war Grundlage des Notstandskonzepts. Das heißt, wenn Biblis B im Stand-by-Betrieb gehalten würde, dann hätte das zur Folge, dass auch Block A betriebsbereit sein müsste, denn bei einem Notfall müsste Biblis A Biblis B in einen sicheren Zustand überführen können.

(Zurufe von der CDU)

Vizepräsidentin Sarah Sorge:

Frau Kollegin Hammann, ich darf Sie bitten, zum Schluss zu kommen.

Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ich komme gerne zum Schluss. – Das heißt, beide Kraftwerke müssten am Netz bleiben – ein unglaubliches Sicherheitsrisiko für die Bevölkerung.

Die Menschen wollen keine Atomkraftwerke haben. Sie fordern eine Politik der Nutzung erneuerbarer Energien, und wir fordern Sie auf: Begleiten Sie uns auf diesem Weg; wir haben dazu Vorschläge gemacht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsidentin Sarah Sorge:

Vielen Dank.